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C
Wenn wir annehmen, daß sich das Hindernis in negativer Übereinkunft
mit dem Punkt bildet, den ich erreichen möchte - wobei der Ausdruck »möchte«
nicht passend ist -, dann muß ich mir den Punkt C als etwas der Lücke
total Entgegengesetztes vorstellen; als eine Art Kompendium des Universums,
den Inbegriff eines Kristalls ohne Zugänge, Einbuchtungen, Spalten und Schluchten.
Gewissermaßen ist Punkt C nicht weniger unzugänglich als die Lücke; aber da
seine Existenz total ist, ist er mir verwandt, oder eher: ich weiß, daß ich
zur selben Kategorie gehöre, obwohl wir doch wieder so verschieden voneinander
sind, daß jeglicher Versuch einer Kommunikation unmöglich ist. Ich habe gesagt,
daß nach meiner Ansicht Punkt C totale und ausschließliche Wirklichkeit
ist. Das bedeutet, daß er, im Unterschied zu mir, gefeit ist gegen Veränderung,
Anfang, Ende, Dialektik, daß er weder wünscht noch verabscheut, weder will noch
ablehnt, daß er nicht zornig ist, aber auch nicht sanft. Ich weiß nicht, ob
es vernünftig ist zu behaupten, daß ich für den Punkt so etwas wie Liebe empfinde;
vielleicht stimmt der Ausdruck nicht genau. In Wahrheit weiß ich von Punkt C
nichts, was ihn der Liebe würdig oder zu einem Gegenstand der Liebe machen würde,
vor allem weiß ich nicht, ob er eine Form hat, da eine Form eine Abgrenzung,
eine Grenzlinie erfordert. Als Gegenteil der Lücke hat der Punkt der totalen
Wirklichkeit mit der Lücke eines gemeinsam, nämlich die Unvorstellbarkeit von
Grenzen, einer Abgrenzung, von Orten, wo er aufhören würde, Wirklichkeit zu
sein; dabei weiß ich aus Erfahrung, daß Wirklichkeit und Lücke nebeneinander
bestehen, und ich müßte somit annehmen, daß die Lücke dort unterbrochen wird,
wo die Wirklichkeit beginnt; oder daß die Wirklichkeit bis zu dem Punkt reicht,
wo sie die Peripherie der Lücke streift. Nehme ich aber an, daß weder Wirklichkeit
noch Lücke Brüche und Unterbrechungen, Grenzen und einen Abschluß haben, dann
stehe ich einer Situation gegenüber, die ohne Zweifel bis ans Äußerste geht;
denn Lücke und Wirklichkeit müßten ja zusammenfallen, und da ich nicht die Lücke
bin, müßte ich als Wirklichkeit die Lücke als einen Ort dulden, der verbunden
mit dem Wirklichen existiert. Aber das ist noch nicht alles: Ist die Wirklichkeit
die des Punktes C, dann kann es, da der wirkliche Punkt keinerlei wirkliche
Grenze duldet, zwischen mir und dem Punkt C wirklich keine Unterbrechung geben,
und daraus müßte ich schließen, daß ich selbst der Punkt C bin, und zwar nicht
ein Teil des Punktes C, sondern einfach und unvermischt der Punkt C, und, was
ich Schluchten genannt habe, wäre nicht wirklich, sondern es könnten meine persönlichen
Äußerungen der Feigheit dem Wirklichen gegenüber oder Äußerungen der Zustimmung
der Lücke gegenüber sein, die ständig in mich eindringt oder mit der ich dunkle
Geschäfte treibe. Sollte jedoch die zweite Hypothese wahr sein, so wäre ich
nicht der Punkt C, sondern vielmehr ein Mittler zwischen C und der Lücke, indem
ich an dem einen und der anderen teilhatte, kraft der Lücke fähig wäre, C zu
lieben, und kraft des Punktes C fähig, wieder vor der Lücke zu fliehen. Es ist
mir bewußt, daß die Art, wie die Stationen dieses Weges beschrieben werden,
äußerst dunkel ist; und dunkel ist sicherlich auch der Zustand, in dem sich
jeder der drei Orte befindet, obschon es klar ist, daß die Lücke auf ihre Weise
keine Helligkeit kennt und der Punkt C keine Dunkelheit; daraus kann ich wiederum
nur schließen, daß ich, ich allein, das Problem, die Helligkeit und die Dunkelheit
des Weges bin. - Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
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