Die Puppen puppen mit kleinen Puppen, |
- Kurt
Schwitters
Püppchen (2) Paula geht jeden Tag in die Dorfkirche beten. Sie betet für sich, für ihr scheußliches Verbrechen. Sie betet, weil sie ein menschliches Wesen getötet hat.
War es ein menschliches Wesen? Aber ja! Aber ja doch! Wie konnte sie sich nur dazu verleiten lassen, in die Gebiete des Anormalen einzudringen und sich ein lebendiges kleines Geschöpf wünschen, das sie an die Puppen ihrer Kindheit erinnerte. Der Ring, das blaue Kleid, all das ging in Ordnung; es war keine Sünde, sich das zu wünschen. Aber eine lebendige Puppe erschaffen, sich diesen Wunsch nicht versagen... An jenem Tag, um Mitternacht, setzte sich das Püppchen schüchtern lächelnd auf die Tischkante. Es hatte schwarzes Haar, trug einen roten Rock und ein weißes Mieder; es war ihre Puppe Nene, doch sie war lebendig. Sie ähnelte einem kleinen Mädchen, aber Paula spürte, daß diesem zwanzig Zentimeter großen Körper eine erschreckende Reife innewohnte. Es war eine Frau, eine Frau, die sie in ihrer Verirrung soeben erschaffen hatte.
Und da hat sie sie getötet. Sie mußte das Werk vernichten, das zwangsläufig entdeckt worden -wäre und das ihr den Namen Hexe eingebracht hätte sowie die entsprechende Bestrafung. Paula kannte ihr Dorf; sie hatte nicht den Mut, aus ihm zu fliehen. Kaum jemand flieht aus den Dörfern, und das ist deren Triumph. Nachts, als das Püppchen still und lächelnd auf einem Kissen eingeschlafen war, trug Paula es in die Küche, steckte es in den Gasofen und drehte den Hahn auf.
Sie hat es im Patio unter dem Limonenbaum begraben. Für es und für sich
ging die Mörderin jeden Tag in die Kirche beten. -
Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
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