udel  »Ja also?« fragt Antonio mit ärgerlicher Stimme.

»Ich liebe dich, ich liebe dich! Versteh mich doch, Herr des Himmels, ich liebe dich!«

Antonio wird totenblaß und setzt sich, ja fällt beinahe auf einen Diwan.

Das Mädchen mit dem zarten Duft ihres Angorapullovers und ihres gepuderten Halses gleitet neben ihn. Von Schluchzen erschüttert, schmiegt sie ihre schöne Stirn, auf der bei den Botschaftsempfängen immer ein Diamantenkreuzchen glänzt, zwischen sein Kinn und seinen Hals. Mit ihrem angstvollen Händchen sucht sie unter seinem Morgenrock nach seinem Herzen, als wolle sie fühlen, ob es überhaupt zu schlagen imstande sei.

Antonios Herz klopft nicht, es rast wie ein galoppierendes Pferd. Als ob es nur klopfte! Und auf dem Rücken dieses zügellosen Pferdes braust er in die düsterste Angst hinein.

Luisa weiß nicht mehr, was sie tut, sie hat jede Selbstbeherrschung verloren, sie spürt, wie ihre verschämte und angstvolle Hand unter Antonios Morgenrock umherirrt.

»Ich verlange nichts von dir!« schluchzt sie. »Du kannst ganz sicher sein, ganz sicher! Ich mache dir keinen Ärger! Ich bin ein anständiges Mädchen. Ich bin nicht wie die anderen!«

»Und doch«, sagt er, der sich aus Verzweifung in die Rolle des Kraftmeiers und Bösewichts stürzt, packt sie bei den Handgelenken, um sie' ein wenig von sich fortzustoßen und ihr ins Gesicht zu schauen, »und doch bist du wie die anderen.«

Luisa runzelt die Stirn, und liebenswerte jugendliche Falten bilden sich um Augen und Nase. »Was willst du damit sagen? Du weißt nicht, was du sagst.« Und dann plötzlich: »Was glaubst du denn, ich bin unberührt. Ich bin unberührt, unberührt!« Antonio zwingt sich, ironisch zu lächeln, was ihm unangenehm und lästig ist, denn er ist ein braver Junge und kann unterscheiden, ob jemand aufrichtig spricht oder nicht. »Der engherzigste und albernste unter deinen Landsleuten«, fährt Luisa mit langsamerer und dumpferer Stimme fort, »hätte, wenn er mich nähme, nichts an mir auszusetzen. Ich weiß, daß die Frauen auf deiner Insel, wenn sie ihre Hochzeitsnacht in den Hotels von Taormina verbringen, schreien wie die Hühner, denen man den Hals umdreht. Ich würde nicht schreien, auch wenn du mich umbrächtest, aber schließlich . .. hätte ich das Recht... Warum wirst du blaß? Was hast du? Erwartest du jemand? Wer ist hinter dieser Tür?«

Antonios Gesicht bekommt wieder ein wenig Farbe. Hinter der Tür ins Schlafzimmer hat man ein leises Geräusch gehört, als habe sich jemand gegen sie gelehnt.

»Ist eine Frau da drüben?« fragt Luisa leiser.

»Ja!« sagt er und senkt seinen Kopf.

Luisa bekommt sich wieder in die Gewalt. Sie steht vom Diwan auf, nimmt ihre Tasche vom Tisch, holt einen Spiegel heraus, betrachtet ihre Augen, die eisengrau geworden sind, trocknet ihre Tränen und tilgt die Spuren mit der Puderquaste.

»Adieu«, sagt sie, »adieu und entschuldige bitte.« Und sie geht.

Antonio stürzt sich auf die Schlafzimmertür, reißt sie auf und bekommt beinahe auf den Mund einen Kuß seines Pudels, der, voller Ungeduld, ihn wiederzusehen, mit einem unterdrückten Jaulen einen Satz auf ihn zu gemacht hat.  - Vitaliano Brancati, Bell'Antonio. Frankfurt am Main 1961 (zuerst ca. 1950)

Pudel (2)  George Cukor  besaß auch   einen lebenden Schatz in Gestalt eines riesigen schwarzen Pudels, etwa so groß wie ein Shetlandpony. Sascha, dies liebe und entzückende Geschöpf, mit einer Haartracht wie der Herrscher der Kannibalen-Inseln, und an keiner Stelle seines Körpers getrimmt, war so sehr auf seinen Herrn fixiert, daß er, kaum wurde dieser aus dem Zimmer gerufen, stöhnend sein Mißvergnügen herauskeuchte und sich, in der Hoffnung, dort Trost zu finden, an die Brust eines jeden in der Nähe Befindlichen warf - in der ganz und gar irrigen Annahme, Mr. Cukor habe den Wunsch, ihm für immer zu entfliehen. - Edith Sitwell, Mein exzentrisches Leben. Frankfurt am Main 1994 (Fischer-Tb. 12126, zuerst 1965)

Pudel (3)

Der Pudel mit der Löwenschur

Durch den Kanal im Tiergarten zieht
Eine ziegelbeladene Zille.
Ein Pudel zuhöchst. Die Fahrt geschieht,
Du fühlst es, als Pudelwille

Er hat krauses Haar und die Löwenschur
Und ein Hirn, die Welt zu erfassen,
Und eine Seele, die ganze Natur
Philosophisch geraten zu lassen.

Seine Nase sucht Urgrund vom Pfeifenkopf
Und Knaster in der Tüte
Zum scharlachnen Geranientopf
Am Fenster der Kajüte,

Zum wandernden Ufer am Kanal
Und der hüpfenden Rattenplage, -
Dann sucht er nicht mehr: am Wimpelschal
Weht die metaphysische Lage.

Er dreht sich und klopft mit der Quaste am Schweif
Leicht auf die warmen Planken.
Nun ist der Einklang des Lebens reif,
Die Sonne hat seine Gedanken.

Sie kennt ihren guten gnädigen Grund,
Er darf sie regieren schicken.
Fliegen zerstechen ihm Nüstern und Mund:
Er muß ein wenig nicken.

Wie die Nachtwelt steht ihm die Löwenschur
Am häßlich zergrübelten Haupte,
Doch zuckt sein Hängohr, wenn die Natur
Ihn eingeschlafen glaubte.

- Oskar Loerke, 1916

Pudel (4)   Der Pudel: er hat Eigenschaften, Sonderbarkeiten und geradezu Unerklärbarkeiten. Er ist bereits viel ohne Anleitung. Er lehrt sich selbst, ahmt den Menschen nach, drängt sich zum Lernen, liebt das Spiel, hat Launen, setzt sich etwas in den Kopf, will nicht lernen, tut dumm, empfindet Langeweile, will tätig sein, ist neugierig usw. Einige können nicht hassen, andere nicht lieben, manche beides zugleich. Einige können verzeihen, andere nie. Sie können einander in Gefahren und zu Verrichtungen beistehen und zu Hilfe eilen, Mitleid fühlen, lachen oder weinen oder Tränen vergießen, letzteres auch auf Befehl; zur Freude jauchzen, aus Liebe zum Herrn trauern, verhungern und alle Wunden für jenen verachten; den Menschen ihresgleichen weit vorziehen und alle Begierden vor den Augen des Herrn im Zügel halten oder schweigen. Der Pudel kann sich schämen, kennt Raum und Zeit vortrefflich, kennt die Stimme, den Ton der Glocke, den Schritt seines Herrn natürlich und die Art, wie sich jener schneuzt und räuspert. Kurz: er ist ein halber, ein zweidrittel, ein dreiviertel Mensch. Er benützt seinen Körper so gescheit wie dieser und wendet seinen Verstand für seine Zwecke vollkommen an. Doch mangelt ihm das letzte Viertel!

Der Mops ist dumm, langsam und phlegmatisch; der Metzgerhund bittergallig und blutdürstig; der Spitz heftig, jähzornig und engherzig. Der Spitz ist auf das Haus fixiert, der Metzgerhund aufs Tier, der Dachshund auf die Erdhöhle, der Windhund aufs Laufen; die Dogge auf den Herrn wie der Hühnerhund aufs Feldhuhn usw.

Nur der Pudel befreundet sich mit allem, mit der Katze — dem Gegenteil; mit dem Pferd — dem Gefährten; mit dem Menschen — dem Herrn; mit dem Haus — es bewachend; mit dem Wasser, aus dessen Tiefe er gern Steine heraufholt; mit dem Vogel des Himmels, zu dem er hoch hinaufspringt, ihn zu fangen,- mit der Kutsche, indem er unter dieser herläuft. Wie geschickt auch jeder Hund in seinem Speziellen sein mag und wie gelehrig — der Pudel lehrt sich selbst noch weit mehr. An ihm ist nichts Dummes oder nur, wenn er selbst es will.   - (jan)

 

Rassehund

 

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