rophet, ägyptischer  Olympias hieß die Anwesenden hinausgehen und sprach: »Untersuche meine und Philipps Geburtszeichen, denn er soll die Absicht haben, mich zu verstoßen, wenn er aus dem Krieg zurückkommt, und eine andere Frau nehmen.« Nektanebos ließ sich von beiden die Zeit der Geburt angeben, verglich seine eigene Nativität mit der ihrigen, ob die Zeichen für sein Vorhaben günstig ständen, und sprach dann: »Das Gerücht ist nicht falsch, aber als ägyptischer Prophet kann ich dir helfen. Nach deinen Geburtszeichen ist dir beschieden, daß ein Gott, der auf Erden wandelt, dir beiwohnt und du einen Sohn von ihm empfängst, der dich rächen soll für das, was Philipp an dir fehlt.« Auf Olympias' Fragen, was das für ein Gott sei, sagte ihr Nektanebos, es sei der libysche Ammon, der Reichtumspender, von mittlerem Alter, mit goldenem Haar und Widderhörnern; er werde sie schon in der nächsten Nacht im Traum umarmen. Olympias sprach: »Wenn ich diesen Traum wirklich sehe, so werde ich dich nicht nur wie einen Wahrsager, sondern wie einen Gott verehren.«

Darauf verließ Nektanebos den Palast, begab sich eilends in die Wüste, sammelte an einem einsamen Ort die zum Traumzauber nötigen Kräuter und preßte ihren Saft aus. Dann machte er aus Wachs einen weiblichen Körper, schrieb den Namen Olympias darauf, legte ihn auf ein kleines Bett, zündete Lichter daneben an, goß den Saft darüber und sagte die Zaubersprüche, durch die Olympias im Traum erblickte, was er zum Wachsbild sprach. So träumte sie, daß ihr Ammon beiwohne und danach zu ihr sprach: »Weib, siehe, du hast einen Sohn empfangen, der dich rächen wird.«

Als Olympias aus ihrem Schlaf erwachte, erfaßte sie große Verwunderung über diesen Traum.  Sie ließ Nektanebos rufen, erzählte ihm den Traum und verlangte, nun auch in Wirklichkeit mit dem Gotte zu verkehren. Nektanebos antwortete: »Ich muß darüber nachdenken. Denn bloßer Traum ist freilich etwas anderes als Wirklichkeit. Aber ich habe mir dies überlegt: Gib mir ein Plätzchen neben deinem Schlafzimmer, damit ich dir helfen kann und du nicht erschrickst, wenn der Gott zu dir kommt.« Als Olympias dies hörte, sprach sie zu ihm: »Schön hast du gesprochen, Wahrsager! Bleib jetzt in einem dieser inneren Zimmer des Palastes, wo ich schlafe. Und wenn ich in wachem Zustande solches sehe und erfahre, daß ich vom Geschlechte der Götter schwanger bin, so will ich dich ehren und dich annehmen als den Vater des Knaben.« Nektanebos aber antwortete und sprach zu ihr: »Wenn eine Schlange als Vorläufer des Gottes erscheint, so entferne alle Anwesenden, laß aber die Lichter brennen, setze dich auf dein Lager, verhülle dich und schaue den Gott, den du im Traum erblickt hast.«

Am andern Tag gab ihm Olympias ein Zimmer neben dem ihrigen. Nektanebos verschaffte sich ein Widderfell mit Hörnern, einen Stab und ein weißes Gewand, und ließ vor sich her eine Schlange in Olympias' Schlafzimmer kriechen. Olympias tat, wie er sie geheißen hatte, und Nektanebos bestieg ihr Lager. - Altägyptische Märchen. Übs. u. Bearb. E. Brunner-Traut. Düsseldorf u. Köln 1965

 

Prophet Ägypter

 

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