roblemroman Die
lesbische Stallmagd, Stallwärme und Minoritätenbewußtsein verbindend, liebt die Bäuerin; oft zitiert
wurde die Auseinandersetzung der beiden über Kunst- und Naturdünger. Doch das
Geschehen ist tragisch überschattet, weil die Bäuerin an Krebs leidet, von dem
sie auf den ersten vierzig Seiten noch keine Ahnung hat; sie sieht sich konfrontiert
mit dem Schicksal ihres Jüngsten, der bei einem Besuch in der Stadt drogenabhängig
geworden ist und um den sich eine Kindergärtnerin aus der nahen Wohngemeinschaft
kümmert, die auf umweltfreundlichem Papier ein intimes Tagebuch führt. Die Bäuerin
selbst sieht sich zu einem spanischen Gastarbeiter hingezogen; der, uneheliches
Kind eines Spanienfahrers, hat gehofft, in der Schweiz seinen Vater und seine
Identität zu finden. Er arbeitet am Bau der Autobahn, die auch durch ein Gelände
führt, das während Jahrzehnten dem Fahrenden Volk als Lagerplatz diente. Das
dramatische Geschehen erreicht einen seiner Höhepunkte in der Auseinandersetzung
zwischen dem Bauern und seinem Ältesten, der, zum Ingenieur ausgebildet, ausgerechnet
auf den Feldern, auf denen er als Kind Kartoffeln geerntet hat, eine Relaisstation
für ein Kraftwerk errichten soll. Solche Höhepunkte sind nicht zuletzt deswegen
möglich, weil die Autoren in die Nähe des Bauernhofes auch ein Bezirksgefängnis
und ein Behindertenheim plazierten, so daß sich zwischen einem Strafgefangenen
und einem, der an den Rollstuhl gefesselt ist, eine zarte Freundschaft anbahnt.
Für all diese Beziehungen und Querverbindungen gibt es fast leitmotivisch einen
Begegnungsplatz: an einem Fluß, dessen Wasser von der nahen Fabrik vergiftet
ist, und im Hintergrund steht ein Wald, dessen Blätter sich im Herbst nicht
mehr verfärben, weil er gar keine mehr hat. - Hugo Loetscher,
Die Papiere des Immunen. Zürich 1986
|
||
|
||