Problemleiche   Um Rickys Gesicht nicht sehen zu müssen, packte ich ihn bei den Turnschuhen. Die Leiche war nicht so steif, wie ich befürchtet hatte, aber steif genug, um mich daran zu erinnern, daß Ricky wirklich tot war. Mit kurzen Schleifschritten zerrte ich ihn in das Bad, das kaum Platz für eine Toilette, eine Duschkabine und ein winziges Waschbecken bot. Die Leiche und ich paßten nicht hinein, jedenfalls nicht, solange Ricky liegenblieb. Das Hämmern setzte wieder ein, und an der Tür klingelte es pausenlos, weshalb ich nicht verstand, was der Typ sagte. Ich packte die Leiche bei den Schultern und hob sie hoch. Erst sah Ricky mir ins Gesicht, aber davon wurde mir schlecht, also drehte ich ihn um hundertachtzig Grad. Dann roch es plötzlich nach Scheiße, vermutlich wegen einer postmortalen Darmentleerung, und ich konnte nicht mehr. Irgendwie schaffte ich es gerade noch rechtzeitig zum Klo und übergab mich, und die Leiche hielt ich dabei weiter aufrecht. Charlotte streckte ihren Kopf zur Tür rein.

»Was zum Teufel treiben Sie da?« zischte sie.

Ich würgte noch einmal. Es mußte längst verdautes Essen sein, was durch meine Kehle quoll, denn es schmeckte wie Säure.

»Machen Sie schon, spülen Sie einfach«, sagte Charlotte.

Vor der Wohnung rief der Typ: »Ricky, Charlotte, jetzt kommt, macht endlich die beschissene Tür auf! Verdammt!«

»Ich komme ja schon!« rief Charlotte, griff um mich herum und drückte die Spülung.

»Was soll denn das?« fragte ich kraftlos. Das Reden tat weh, als hätte ich eine Mandelentzündung. »Jetzt weiß er doch, daß jemand auf der Toilette ist.«

»Jetzt bringen Sie ihn endlich rein und halten Sie den Mund«, sagte Charlotte.

Zähneknirschend hob ich die Leiche wieder an und wuchtete sie vor mir her in die Duschkabine. Es war eine kleine, knapp bemessene Kabine, deren Fliesen wohl mal cremeweiß oder hellgelb gewesen waren, jetzt aber braun aussahen, mit einer Schicht Schimmel und Seifenschaum überzogen. Ich versuchte, den Leichnam an die rückwärtige Wand zu lehnen, aber er kippte immer wieder nach vorn.

»Nun machen Sie schon«, drängte Charlotte leise.

Mit zusammengebissenen Zähnen hielt ich die Leiche, während ich gleichzeitig versuchte, die Kabine zu schließen, aber die Tür war verzogen und sprang immer wieder auf, weshalb ich sie mit einer Hand halten und mit der anderen den Leichnam an die Wand drücken mußte. Der Gestank schien immer schlimmer zu werden, und ich versuchte, nicht allzutief einzuatmen.

Charlotte verschwand und schloß die Badezimmertür. Ich hörte, wie ein Schlüssel umgedreht wurde, dann knarrte die Wohnungstür auf.

»Wurde auch verdammt noch mal Zeit«, sagte Kenny. »Was hast du getrieben? Dir einen Schuß gesetzt?«

Ich hörte schwere Schritte in der Wohnung.

»Was sollte der Scheiß? Wieso hast du so lange gebraucht?« fragte Kenny.

»Ich war im Bad, mußte mich übergeben.«

»Was haste gemacht? Einen faulen Schwanz gelutscht?«    - Jason Starr, Twisted City. Zürich 2005

 

Problem Leiche

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme