roblem  Man kann sich die Welt der Bongard-Probleme als einen winzigen Ort vorstellen, an dem "wissenschaftlich" gearbeitet wird, d. h. dessen Zweck der ist, Muster in der Welt wahrzunehmen. Bei der Suche nach Mustern werden Schablonen hergestellt, wieder auseinandergenommen, wieder zusammengesetzt; Schlitze werden von einem Verallgemeinerungsniveau zu einem anderen verschoben; es wird gefiltert und fokussiert usw. Auf allen Komplexitätsstufen werden Entdeckungen gemacht. Die Kuhnsche Theorie, nach der gewisse seltene Ereignisse, die man "Paradigma-Verschiebung" nennt, den Unterschied zwischen "normaler" Wissenschaft und "begrifflichen Revolutionen" markiere, greift anscheinend nicht, denn wir können Paradigma-Verschiebungen fortwährend im ganzen System beobachten. Das Fließende der Beschreibungen sorgt dafür, daß Paradigma-Verschiebungen überall stattfinden werden. Natürlich sind gewisse Entdeckungen "revolutionärer" als andere, weil sie weiterreichende Auswirkungen haben. Zum Beispiel kann man die Entdeckung machen, daß die Probleme 70 und 71

"das gleiche Problem" sind, wenn man sie von einer hinlänglich abstrakten Stufe aus betrachtet. Die entscheidende Beobachtung ist die, daß bei beiden eine Verschachtelung der Tiefenstufe 2 gegenüber der Tiefenstufe 1 auftritt. Das ist eine neue Entdeckungsebene für Bongard-Probleme. Es gibt sogar eine noch höhere Ebene, die die Sammlung als Ganzes betrifft. Wenn jemand sie noch nie gesehen hat, kann es für ihn ein gutes Rätsel sein, herauszufinden, worum es sich denn eigentlich handelt. Das herauszufinden ist eine revolutionäre Erkenntnis, aber es muß betont werden, daß die Denkmechanismen, die eine solche Entdeckung ermöglichen, sich in nichts von denen unterscheiden, die bei der Lösung eines einzelnen Bongard-Problems Verwendung finden.  - (hof)

Problem (2) Vor mir habe ich das Blatt Papier, auf das ich in jener Nacht in Paris das Diagramm des Problems zeichnete. Weiß: König auf a7 (das heißt erste Linie, siebente Reihe), Königin auf b6, Türme auf f4 und h5, Läufer auf e4 und h8, Springer auf d8 und e6, Bauern auf b7 und g3; Schwarz: König auf e6, Turm auf g7, Läufer auf h6, Springer auf e2 und g5, Bauern auf c3, c6 und d7. Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt.
Die falsche Fährte, der unwiderstehliche Versuch ist: Bauer auf b8, um ihn in einen Springer zu verwandeln, und drei schöne Mattbilder als Antwort auf das Abzugsschach von Schwarz sind die Folge; doch Schwarz kann die ganze brillante Rechnung über den Haufen werfen, indem er Weiß nicht Schach bietet und statt dessen irgendwo anders auf dem Brett einen bescheidenen Wartezug ausführt. - (nab)

Problem (3) Alle Schüler müssen Probleme lösen, manche machen ihren Eltern Probleme, und wenn sie später erwachsen sind, haben sie ihre eigenen Probleme. Kurz, Probleme gehören zu den am weitesten verbreiteten Phänomenen der Welt, die sich jedoch sehr schlecht teilen lassen; und falls dennoch jemand einmal keine Probleme mehr haben sollte, bieten die Sonntagszeitungen oder auch Lexika ihm zur Zerstreuung neue an. Zum Beweis sei hier das Problem der Missionare und der Kannibalen vorgestellt, das jeder lösen mag, der keine anderen Probleme im Kopf hat: »Drei Missionare und drei Kannibalen befinden sich am Ufer eines Flusses in Amazonien. Das Boot kann jeweils nur zwei Passagiere tragen, und die Zahl der Missionare muss immer und überall größer oder mindestens gleich groß sein wie die der Kannibalen, um Dramen zu verhindern. Wie lassen sich alle ohne Verluste über den Fluss bringen?«  - (thes)

Problem (4) Man teilt die Probleme ein in Probleme ersten, zweiten und dritten Grades. Beim Problem ersten Grades soll die Frau, angeregt von den Tlinkit-Skulpturen aus Nordamerika, die vollkommenste Umarmung mit dem Manne suchen; es kommt darauf an, zu zweit nur ein einziger Block zu sein. Beim Problem zweiten Grades soll die Frau, indem sie die Haida-Skulpturen ganz ähnlichen Ursprungs zum Vorbild nimmt, diese Umarmung fliehen, so sehr sie kann; es kommt darauf an, sich kaum zu berühren, nur aus der Distanz alle Lust zu ziehen. Beim Problem dritten Grades soll sich die Frau alle natürlichen Stellungen nach und nach zu eigen machen.

Das Fenster mag offen sein, halb offen, geschlossen — es wird sich dem Sterne öffnen, der Stern wird zu ihm kommen, der Stern wird es erreichen, oder er geht von der andern Seite ins Haus.  - André Breton / Paul Éluard, Die unbefleckte Empfängnis. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1930)

Problem (5)  Vor allem: Es ist ja ewig ein und dasselbe Problem, das Hebbel  wälzt: die Kraftprobe zwischen Weib und Mann. Ein rein akademisches, herausspintisiertes Problem, das in Wirklichkeit gar nicht existiert. Denn entweder ist die Frau eine Persönlichkeit — ich meine nicht eine sogenannte »hervorragende Frau«, sondern ein Herz voller Güte und innerer Festigkeit, wie man es so gut in der Bauernhütte als in Bürgerfamilien finden kann —, dann setzt sie sich durch und bleibt moralisch Siegerin, auch wenn sie in Kleinigkeiten nachgibt. Oder sie ist innerlich nichts — dann gibt es wieder gar kein Problem. - Rosa Luxemburg an Hans Diefenbach, 5. April 1917. In: R.L., Gesammelte Briefe Bd. 5. Berlin 1987

Problem (6)

"Das Problem ist, wie rauskommen, ohne loszulassen"

- Bill Mauldin, nach: Douglas R. Hofstadter, Metamagicum. Stuttgart 1991

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