reisausschreiben
Die Oberstufler nehmen an einem Preisausschreiben des Deutschen
Zentralinstituts für soziale Fragen teil, das sich mit dem Thema randständiger
Jugendlicher befasst. Ihre Einsendung kommt zuerst in die nähere Auswahl, wird
dann aber von einer Gruppe reaktionärer Kräfte' blockiert. Stattdessen gewinnt
ein gleichgeschalteter Schlipsträger, der sich in einer Privatschule für das
Geld seines Dentistenvaters durch die Oberstufe schleusen lässt. Der Vater hat
es schwer genug gehabt ohne Doktortitel und richtiges Medizinstudium, das die
Wirren der Nachkriegszeit verhindert haben, weshalb er jetzt zwar bohren und
ziehen darf, aber keinen Zugang zu Betäubungsmitteln hat, was das Setzen von
Spritzen unmöglich macht. Ein Umstand, der ihm 24 Jahre nach Kriegsende, als
die Verweichlichung immer größere Bevölkerungsgruppen ergreift, Schwierigkeiten
bereitet. Das Wartezimmer bleibt leer. Selbst die Mundpropaganda, er habe aus
alten Kriegsbeständen der Alliierten Lachgas eingelagert, beschert ihm lediglich
den Besuch einiger Beamter,
die auf Knien durch den Behandlungsraum kriechen, um entsprechende Flaschen
oder Behältnisse aufzuspüren. Die Kartuschen sind jedoch im Geräteschuppen untergebracht
und mit Schaufeln und Campingkochern verstellt. In dieser Situation kommt der
dem Sohn zugesprochene Preis des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen
gerade recht. Dass es in dem Aufsatz, der ohnehin von einem Mädchen aus der
Parallelklasse gegen Bezahlung von 50 Mark verfasst wurde, nicht um randständige
Jugendliche geht, der Begriff vielmehr auf sogenannte Mauerblümchen bei Tanzveranstaltungen
angewandt wird, spielt dabei keine Rolle. Im Gegenteil wird in der Begründung
des Gremiums gerade diese erfrischend unpolitische und einem Jugendlichen durchaus
angemessene Haltung lobend hervorgehoben, während man umgekehrt den Beitrag
der Oberstufler, der sich mit den zwingenden Gesetzen des kapitalistischen Arbeitsmarktes
und den Reproduktionsweisen des Schweinestaates auseinandersetzt, als eine »an
die niederen Instinkte appellierende Philippika« brandmarkt. Die Oberstufler
schlagen dem Dentistensohn daraufhin im Bus die Brille von der Nase und werfen
eine Brandbombe in den väterlichen Geräteschuppen, wo, was sie nicht wussten,
die Lachgaskartuschen lagern, sodass das Hüttchen in einer unbeschreiblichen
Detonation mehrere hundert Meter weit bis zum naheliegenden Rheinufer fliegt,
wo herunterregnende Teile einige Sommerfrischler verletzen. An diesem Abend
schreiben sie in ihr gemeinsames Tagebuch: Nun gibt es kein Zurück mehr. - (raf)