reis   Wir hatten auch einen kleinen Lastwagen und, als Fahrer, einen Iren namens Gallagher. Er war nach dem Krieg von 1914 im Land geblieben und nie wieder in die Heimat zurückgekehrt. Er vermittelte uns nützliche und auch seltsame Informationen, wie etwa genaue Angaben über den Preis eines Menschenlebens. «Im Irak liegt er günstiger als in Persien», sagte er. «In Persien kostet es sieben Pfund, einen Menschen umbringen zu lassen. Im Irak nur drei Pfund.»

Gallagher erinnerte sich noch an seinen Kriegsdienst und unterzog die Hunde einem harten militärischen Training. Die sechs Jungen wurden namentlich aufgerufen und kamen einer nach dem anderen zur Küche. Swiss Miss war Max‘ Liebling und wurde immer als erste gerufen. Die Hündchen waren schrecklich häßlich, aber sie besaßen jenen Charme, der junge Hunde auf der ganzen Welt kennzeichnet. Nach dem Tee kamen sie auf die Veranda, wo wir sie mit viel Liebe von ihren Zecken befreiten. Am nächsten Tag waren sie wieder voll davon, aber wir taten unser Bestes.

Gallagher entpuppte sich auch als Leseratte. Ich ließ mir von meiner Schwester Bücherpakete schicken — regelmäßig jede Woche —, und gab sie ihm dann weiter. Er las sehr schnell, ohne einer bestimmten literarischen Gattung den Vorzug zu geben. Er las Biographien, Romane, Liebesgeschichten, Thriller, wissenschaftliche Werke, einfach alles.

Einmal erzählte er uns auch von seinem «Onkel Fred». «In Burma hat ihn ein Krokodil erwischt», berichtete er traurig. «Ich wußte wirklich nicht, was ich tun sollte. Am Ende hielten wir es für das beste, das Krokodil ausstopfen zu lassen. Das taten wir auch und schickten es seiner Witwe.»

Anfangs glaubte ich, er fabuliere, aber dann kam ich zu der Überzeugung, daß praktisch alles, was er erzählte, auf Wahrheit beruhte. Er gehörte eben zu jener Sorte Menschen, denen die unglaublichsten Dinge passieren. - Agatha Christie, Meine gute alte Zeit. Autobiographie einer Lady. München u. a.  ca. 1998 (zuerst 1977)

Preis (2) Sie war ihm zufällig in einer Jahrmarktsarena begegnet, wo er mit bloßen Händen, fast nackt und ganz ungeschützt, mit einem Kampfstier rang. Er war so schön und wagemutig, daß sie ihn nicht vergessen konnte. Tage später sah sie ihn wieder auf einer Karnevals-Cumbiamba, an der sie maskiert und als Bettlerin verkleidet teilnahm, umringt von ihren Sklavinnen, die mit Halsketten, Armbändern und Ohrringen aus Gold und kostbaren Steinen wie die Marquesas gekleidet waren. In der Mitte eines Kreises von Neugierigen tanzte Judas mit denjenigen, die ihn dafür bezahlten, und man hatte ordnend eingreifen müssen, um das Ungestüm der Anwärterinnen zu dämpfen. Bernarda fragte ihn, wieviel er koste. Judas antwortete tanzend:

»Einen halben Real.«

Bernarda nahm die Maske ab.

»Ich will wissen, was du fürs ganze Leben kostest«, sagte sie zu ihm.

Judas sah, daß sie mit unverdecktem Gesicht nicht so viel einem Bettelweib hatte, wie es den Anschein gehabt hatte. Er ließ seine Partnerin los und näherte sich Bernarda mit wiegendem Gang, damit man seinen Wert sah.

»Fünfhundert Goldpesos«, sagte er.

Sie maß ihn mit dem Auge einer gewieften Schätzerin. Er war riesig, hatte eine Seehundshaut, einen wogenden Brustkorb, schmale Hüften, hochgewachsene Beine und sanfte Hände, die nichts von seiner Tätigkeit verrieten. Bernarda schätzte ihn:

»Du mißt acht Spannen.«

»Und drei Zoll«, sagte er.

Bernarda ließ ihn den Kopf hinabbeugen, damit sie sein Gebiß prüfen konnte, und der Ammoniakhauch seiner Achseln betäubte sie. Die Zähne waren vollständig, gesund und regelmäßig.

»Dein Herr muß verrückt sein, wenn er meint, daß dich jemand für den Preis eines Pferdes kauft«, sagte Bernarda.

»Ich bin frei, und ich verkaufe mich selbst«, antwortete er. Und setzte noch mit einem gewissen Ton hinzu: »Señora.«

»Marquesa«, sagte sie.

Er machte vor ihr die Reverenz eines Höflings, was ihr den Atem verschlug, und sie kaufte ihn für die Hälfte seiner Forderungen. »Nur zur Augenweide«, wie sie sagte. Dafür respektierte sie seine Stellung eines freien Mannes und ließ ihm die Zeit, weiter mit seinem Zirkusstier aufzutreten. Sie brachte ihn in einem Zimmer nah dem ihren unter, das dem Stallburschen gehört hatte, und wartete vor der ersten Nacht an auf ihn, nackt und bei entriegelter Tür, dessen sicher, daß er uneingeladen kommen würde. Aber sie mußte zwei Wochen lang warten und konnte wegen der Glut in ihrem Leib nicht in Frieden schlafen.

In Wirklichkeit hatte er, sobald er wußte, wer sie war, und das Haus von innen gesehen hatte, die Distanz eines Sklaven zurückgewonnen. Als aber Bernarda aufgehört hatte, auf ihn zu warten, im Nachthemd schlief und den Riegel wieder vor die Tür schob, stieg er durchs Fenster ein. Sie wurde vom Ammoniakgeruch in der Luft geweckt. Sie hörte das Schnauben eines Minotaurus, der im Dunkeln nach ihr suchte, spürte die schwelende Hitze des Körpers auf sich, die räuberischen Hände, die ihr Nachthemd am Ausschnitt griffen und aufrissen, während er ihr ins Ohr keuchte: »Hure, Hure.« Seit dieser Nacht wußte Bernarda, daß sie ihr Leben lang nichts anderes mehr machen wollte. - Gabriel García Márquez, Von der Liebe und anderen Dämonen. München 2001 (zuerst 1994)

Preis (3) Ich war meiner Frau nicht aus Prinzip treu, sondern weil sie vollkommen anbetungswürdig war, und der Drang zum Streunen, der in einem gewissen Alter über so viele Männer kommt, weil sie glauben, es wären ihnen zu viele schöne Mädchen entgangen, hat mich nie befallen. Ich hatte bereits die Vollkommenheit. Als sie noch jünger war, bekam sie oft jähe und ganz kurze Wutausbrüche, in denen sie dann Kissen nach mir warf. Ich lachte bloß. Ich mochte ihr Temperament. Sie war eine ganz unwahrscheinliche Kämpfernatur. Wenn ihr eine peinliche oder unangenehme Situation bevorstand, ging sie stets ohne Umwege darauf zu und zögerte nicht eine Minute, sie zu überdenken. Und sie trug immer den Sieg davon, nicht weil sie mit kühler taktischer Berechnung ihren Charme einsetzte, sondern weil sie einfach unwiderstehlich war, ohne von diesem Charme auch nur zu wissen oder sich darüber Gedanken zu machen. Darum mußte sie zentimeterweise sterben. Ich glaube, irgendwie muß man am Ende für alles bezahlen.  - (cha)

Preis (4) »Hollah, Bruder, hollah, Schwester!« rief der Pferdeknecht, und zwei Pferde, mächtige flankenstarke Tiere schoben sich hintereinander, die Beine eng am Leib, die wohlgeformten Köpfe wie Kamele senkend, nur durch die Kraft der Wendungen ihres Rumpfes aus dem Türloch, das sie restlos ausfüllten. Aber gleich standen sie aufrecht, hochbeinig, mit dicht ausdampfendem Körper. »Hilf ihm,« sagte ich, und das willige Mädchen eilte, dem Knecht das Geschirr des Wagens zu reichen. Doch kaum war es bei ihm, umfaßt es der Knecht und schlägt sein Gesicht an ihres. Es schreit auf und flüchtet sich zu mir; rot eingedrückt sind zwei Zahnreihen in des Mädchens Wange. »Du Vieh,« schrie ich wütend, »willst du die Peitsche?«, besinne mich aber gleich, daß es ein Fremder ist; daß ich nicht weiß, woher er kommt, und daß er mir freiwillig aushilft, wo alle andern versagen. Als wisse er von meinen Gedanken, nimmt er meine Drohung nicht übel, sondern wendet sich nur einmal, immer mit den Pferden beschäftigt, nach mir um. »Steigt ein/« sagt er dann, und tatsächlich: alles ist bereit. Mit so schönem Gespann, das merke ich, bin ich noch nie gefahren und ich steige fröhlich ein. »Kutschieren werde aber ich, du kennst nicht den Weg,« sage ich. »Gewiß,« sagte er, »ich fahre gar nicht mit, ich bleibe bei Rosa.« »Nein,« schreit Rosa und läuft im richtigen Vorgefühl der Unabwendbarkeit ihres Schicksals ins Haus; ich höre die Türkette klirren, die sie vorlegt; ich höre das Schloß einspringen; ich sehe, wie sie überdies im Flur und weiterjagend durch die Zimmer alle Lichter verlöscht, um sich unauffindbar zu machen. »Du fährst mit,« sage ich zu dem Knecht, »oder ich verzichte auf die Fahrt, so dringend sie auch ist. Es fällt mir nicht ein, dir für die Fahrt das Mädchen als Kaufpreis hinzugeben.« »Munter!« sagte er; klatscht in die Hände; der Wagen wird fortgerissen, wie Holz in die Strömung; noch höre ich, wie die Tür meines Hauses unter dem Ansturm des Knechtes birst und splittert, dann sind mir Augen und Ohren von einem zu allen Sinnen gleichmäßig dringenden Sausen erfüllt.  - (kaf)

Preis (5) Sie war genauso unschuldig, wie sie aussah. Sie war das erste unberührte Mädchen, das mein wurde. Es gibt eine Theorie, die besagt, daß ein ganz junger Mann nicht der Geliebte eines unschuldigen Mädchens sein, sondern zusehen soll, eine erfahrenere Geliebte zu finden. Das ist nicht richtig. Das andere ist die Absicht und der Wille der Natur.

Es mußte zwei Stunden später in der Nacht gewesen sein, als ich erwachte mit dem Gefühl, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei, daß mir eine Gefahr drohe. Wir sagen, wenn wir von einem plötzlichen Kälteschauer ergriffen werden, es gehe jemand über unser Grab: Die Zukunft bringt sich in Erinnerung. Und ebenso wie on meurt en plein bonheur de ses malheurs passés, so lassen wir das Glück fahren, das wir besitzen, um kommenden Unglücks willen. Dies hier mit mir war nicht die alte omne animal-Geschichte. Es war ein plötzliches, tiefes Mißtrauen gegen das Geschick, so als habe ich mich selber fragen hören: ›Ich weiß, daß ich für dies bezahlen muß, aber was werde ich bezahlen müssen ?‹ Vielleicht verstand ich es selber nicht, vielleicht glaubte ich nur, ich sei traurig darüber, daß sie nun wohl bald aufstehen und von mir gehen und die Nacht vorbei sein werde.

Einmal hatte sie sich schon halb aufgerichtet, wie um mich zu verlassen, und ich hatte sie zurückgezogen. Jetzt sagte sie: ›Ich muß nach Hause‹, und stand auf. Die Lampe brannte noch, und die Glut glomm schwach im Kamin. Mir kam es ganz selbstverständlich vor, daß sie jetzt von denselben geheimnisvollen Mächten hinweggetragen würde, die sie hergebracht hatten, ebenso wie Aschenbrödel in ihrer Kutsche, die aus einem Kürbis gemacht war, oder eine der bezaubernden Prinzessinen aus Tausendundeiner Nacht, die ihren magischen Teppich bei sich hatten. Ich saß und wartete darauf, daß sie zu mir treten und mir erklären werde, wann und wie sie wieder zu mir kommen und mich mit vieler Seligkeit begnaden würde, und wie ich mich selber zu verhalten hätte. Dennoch war ich stumm geworden.

Sie kleidete sich langsam an und kam in ihrer schäbigen schwarzen Verkleidung wieder. Sie setzte sich ihren Hut auf und stand genauso da, wie ich sie zuerst im Regen auf dem Boulevard gesehen habe. Dann kam sie auf mich zu, während ich auf der Lehne meines Sessels saß, und sagte: ›Und dann bekomme ich zwanzig Francs‹ - und da ich nicht antwortete, wiederholte sie es und sagte: ›Marie hat es gesagt - sie sagte, ich bekäme zwanzig Francs.‹   - (blix)

Wert Kauf
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