ommern
Die Pommern unterscheiden sich in zwei Serientypen, in die
ausgetrockneten hageren sonnengebräunten Fischer und Bauern und in die dikken
Hinterländler (meist Kaufleute, Beamte, kleinere Gutsbesitzer u. s. w.), ganz
ostasiatische Typen, flache Gesichter, Mordswaden, wahre Boulettenärsche und
hinten der dicke Hals, geräucherten Zervelatwürsten gleich. So kommen sie mit
Gefährtinnen zusammen sonntags aus Lanenburg und Umgegend. Zum Baden. Hinterher
zu kräftigem Essen und Trinken. Norddeutsche Kost mit Einheitssoße - 1 Teil
Fleischsaft oder Kirschsaft (bei Griesspeisen), 100 Teile Kartoffelmehl. Des
Pommers Naturell ist konservativ bis auf seine dicken Knochen. Er ist abhold
den modernen Neuerungen - dem Bubikopf und der Republik. Das steht bombenfest.
Gibt natürlich auch «rote Gesellen», aber man wenig. Vielleicht auch «rot-goldene»,
aber die verbergen's ängstlich. Die Flaggerei am Strande durchweg in den alten
Reichsfarben, ab und zu hakenkreuzgeschmückt, da und dort die blau-weiße Pommernfahne.
Raus ist auch, daß eine nationale Pommernfrisur da ist — Köpfe oben hier alle
gleich geschoren, Mitte kleines Haarinselchen vorne übern Gehirntopf, dies mit
Sorgfalt gescheitelt. Fällt in Großstadt lange nicht so auf. Juden liebt man
hier absolut nicht. Man ist national und verachtet sie sehr. Deswegen sind auch,
bis auf den tolerierten eingesessenen Bändeljuden, reine semitische Exemplare
selten wie Bernstein an der Küste. Spielten zweie mal neulich im Familienbad
Ball, ein dicker mit Kartoffelbauch und ein hagerer - spielten Wasserball. Maxe
und ich mit — warf einer dem anderen zu — hätt'st mal sehen müssen, wie die
Wellen einer spürbaren Verachtung auch uns umrauschten . . . Ich würde als Jude
hier nicht hergehen - weiß der Deibel, wo ab und zu dann doch wieder einige
von ihnen die Kühnheit hernehmen, der allgemeinen mittelalterlichen Ächtung
zu trotzen . . . wunderbare Seeluft - herrliche Wellen, würziger Tann - genügen,
nach dem Asphaltdunst der Großstadt.
- George Grosz, Brief an Otto Schmalhausen, 27. Juli 1926, nach: G.G., Briefe 1913-1959. Hg. Herbert
Knust. Reinbek bei Hamburg 1979