Polizeiwache   Eine große, dralle junge Suahelifrau wurde von mehreren schwarzen Schutzleuten zur Polizeiwache gebracht, sie wehrte sich nach Kräften, zerkratzte ihnen die Gesichter und kreischte wie eine Sau. Etliche Raufbolde, die noch auf den Stufen der Wache sich aufs neue in die Haare zu geraten drohten, wurden eingeliefert, und ein anscheinend frisch ertappter Dieb kam die Straße herunter mit einem ganzen Gefolge von Nachtschwärmern, die seine Partei oder die Partei der Polizisten ergriffen und den Fall lärmend beredeten. Schließlich erschien ein junger Polizeioffizier, vermutlich geradewegs von einer Lustbarkeit. Belknap kam bei ihm nicht auf seine Kosten, denn er nahm seinen Bericht mit sachlichem Interesse und staunenswerter Geschwindigkeit auf, verfiel dann in tiefes Sinnen, ließ den Bleistift langsam über die Seite gleiten und steckte ihn schließlich, anscheinend befriedigt, wieder in die Tasche.  - (blix2)

Polizeiwache  (2)  Die Decke, die der Junge aus Mustafas Haus mitgebracht hatte, war sehr groß. Sie bestand aus vielen Metern dicker Wolle. Er hatte sie in Marrakesch gekauft. Wir legten sie einmal zusammen und breiteten sie auf dem Boden aus. Dann legten wir uns darauf und fingen an, Kif zu rauchen. Nach einer Weile war der Raum auf der Polizeiwache ein anderer Ort. Es war wie bei ein er Hochzeit. Viele helle Lichter brannten, und es wurde Musik gespielt. Wir aßen unser Essen und rauchten unseren Kif und sprachen und lachten. Jeder füllte vier oder fünf Zigaretten mit Kif und rauchte. Und es war fast, als ob wir gar nicht dort wären. Nach einer Weile fingen wir an zu singen. Und wir vergaßen ganz die Comisaria.

Einmal sagte Mustafa: »Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt.«

»Was macht das?« sagte ich. Ich hatte den Kif in mir. Ich war glücklich.  - Driss ben Hamed Charhadi, Ein Leben voller Fallgruben. Nördlingen 1985 (zuerst 1964, Die Andere Bibliothek 2)

Polizeiwache  (3)  Als ich der Wegbiegung gefolgt war, bot sich mir ein außergewöhnliches Schauspiel. In einer Entfernung von etwa hundert Metern stand auf der linken Straßenseite ein Haus, das mich erstaunte. Es sah aus, als sei es gemalt, und zwar wie eine Reklametafel am Straßenrand, sehr schlecht gemalt noch dazu. Es sah völlig verfehlt und gar nicht überzeugend aus. Es hatte weder Tiefe noch Breite und sah aus, als würde ein Kind nicht darauf hereinfallen. Das allein genügte noch nicht, um mich in Erstaunen zu versetzen, denn ich hatte vorher schon Bilder und Reklametafeln am Straßenrand gesehen.

Was mich verwirrte, war meine unbeirrbare, tief wurzelnde Gewißheit, daß es dies Haus sei, welches ich suchte, und daß es von Menschen bewohnt sei. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, daß es die Revierwache der Polizisten war. Nie in meinem Leben hatten meine Augen etwas so Unnatürliches und Schreckliches gesehen, und verständnislos schweifte mein Blick über das Ding, als wäre mindestens eine der gebräuchlichen Dimensionen ausgefallen, so daß die übrigen keine Bedeutung mehr hatten. Die Erscheinung dieses Hauses war die größte Überraschung, seit ich den alten Mann auf dem Stuhl getroffen hatte, und ich hatte Angst vor ihr. Ich ging weiter, aber ich ging langsamer. Als ich mich dem Haus näherte, schien es sein Aussehen zu verändern. Zuerst unternahm es nichts, um sich mit der Gestalt eines herkömmlichen Hauses in Einklang zu bringen, sondern sein Umriß wurde ungewiß, wie etwas, was unter einer gekräuselten Wasseroberfläche liegt. Dann klärte es sich wieder, und ich sah, daß es so etwas wie eine Hinterfront zu haben begann, etwas Raum für Zimmer hinter der Fassade. Dies entnahm ich dem Umstand, daß ich gleichzeitig die Fassade und die Hinterfront des »Gebäudes« zu sehen schien, als ich mich dem näherte, was die Schmalseite hätte sein sollen. Da es, soviel ich sah, keine solche Seite gab, dachte ich mir, das Haus müsse dreieckig, sein Scheitelpunkt mir zugewandt sein, als ich jedoch nur noch fünf Meter entfernt war, sah ich, offenbar-mir gegenüber, ein kleines Fenster, und daher wußte ich, daß es irgendeine Schmalseite haben mußte. Dann fand ich mich fast im Schatten des Gebildes wieder, verwundert, ängstlich, und mit trockener Kehle. Aus der Nähe betrachtet, sah es ganz normal aus; nur war es sehr weiß und still. Es war eindrucksvoll und furchterregend; der gesamte Morgen und die ganze Welt schienen nur den einen Zweck zu haben, für das Haus einen Rahmen abzugeben und ihm etwas Größe und Ansehen zu verleihen, so daß ich es mit meinen einfachen Sinnen auffinden konnte und mir einreden, daß ich es verstehe. Ein Polizei-Emblem über der Tür sagte mir, daß es sich um eine Polizeiwache handelte. So eine Polizeiwache hatte ich noch nie gesehen. - (obr)

Polizeiwache  (4)  Lustenwylers Polizeistation hatte sich in den mehr als zwanzig Jahren seiner Polizeitätigkeit in eine Küche verwandelt, die Wände dicht mit Würsten und Schinken behängt, überall schmurzelte, kochte, grillte, dampfte etwas, war etwas eingelegt, lag Gehacktes herum, Zwiebeln, Knoblauch, Grünzeug, dazu offene Thon-, Sardinen- und Sardellenbüchsen, harte Eier, Salatköpfe, Polizeiberichte dazwischen, Verbrecherfotos, Handschellen, ein Revolver.

»Ich habe mir eine Fleischsuppe gemacht mit Sellerie, Zwiebeln, Lauch und Kabis«, sagte  Lustenwyler und schöpfte sich aus einem dampfenden Topf auf dem Herd einen Teller voll, brachte ihn zum Schreibtisch und begann zu essen. Dazwischen tippte er das Protokoll, holte einen zweiten Teller, dann einen dritten, nahm das Protokoll, las es, wischte Suppenreste vom Protokoll und sagte dem Gemeindepräsidenten, jetzt könne er seine Aussage unterschreiben. Dann schnitt er sich ein Stück Speck von der Wand.   - Friedrich Dürrenmatt, Durcheinandertal. Zürich 1998

Polizeiwache  (5)    Es fiel mir ein, daß ich vor einiger Zeit eine Ankündigung gelesen hatte, wonach auf den Polizeistatioiien für Unterkunftslose Decken verteilt wurden. Eine solche Station war an die Leichenhalle angebaut und stand mit dieser in Verbindung. Traurig und mit hängendem Kopf suchte ich sie. Eine weiche Anwandlung durchzog mich, ich hatte das Empfinden, auf nachgiebige Massen, Moos — Heu — Werg — zu treten. Die Zypressen schienen mir auszuweichen; zwischen den hellschimmernden Grabsteinen hindurch sah ich ein niedriges Gebäude aus rohen Ziegelmauern. Ohne viel hinzusehen, las ich das Wort »Polizeistation« über der geöffneten Glastüre.

Der Raum, den ich betrat, war sehr notdürftig eingerichtet. Große, quadratische Fenster waren in Kopfhöhe angebracht; durch ihre Milchglasscheiben drang spärliches Licht.

An den schadhaften Mauern hingen in schmalen schwarzen Rahmen einzelne Verordnungen, an der Hinterwand über einer geschlossenen Tür sah ich das Bildnis König Ludwigs des Zweiten von Bayern. An der hohen, weißgetünchten Decke waren primitive, rechtwinkelige Gasarme befestigt. Außerdem befand sich ein langer, schmutziger Tisch in dem Gemach, und darauf lag etwas Grauenerregendes: ein aufgeblähter, kurzer Körper in einer goldüberladenen blutbesudelten Uniform. Er war ganz steif und nur die Beine leicht gekrümmt. Die Füße fehlten, die Hosen waren unter den Knien zugebunden.

»Das ist der König von Bayern«, schoß es mir durch den Kopf, und da war ich auch schon fest überzeugt davon. Sein schwärzliches, durchsichtiges Kinnbärtchen stand in die Höhe, ich wagte aber das fette Gesicht nicht näher anzusehen, denn ich wußte, daß seine tük-kischen Augen lebten und mich verfolgten - und von derartigen Blicken hatte ich für immer genug.

Durch eine Glastüre zu meiner Rechten fiel ein schräger Lichtstreif.

>Vielleicht sind hier die Beamten?< dachte ich und sah durch das Türfenster. Entsetzt fuhr ich zurück; ich hatte in ein langes, schmales Gemach geblickt, in welchem Hunderte von Leichnamen aufgestapelt waren. Sie steckten in grauen Getreidesäcken, die man am Hals zugebunden hatte, so daß nur die Köpfe herausschauten, meistens grünliche Gesichter, die lachten und die Zähne bleckten; - viele wie getrocknet mit staubigen, zerdrückten Augäpfeln — andere waren ganz eingepackt und mit aufgeklebten Adressen versehen. Die vorstehenden Knie und Ellbogen, sowie die Schädelrundungen, ließen die verrenkten Stellungen ahnen. An der Rückwand dieses Leichenmagazins hing eine Tafel, auf der mit großen Lettern geschrieben stand:

Halle jür plötzlich verstorbene.

 - Alfred Kubin, Die Andere Seite. München 1975 (zuerst 1909)

 

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