olizeihund Die Polizeischule. Dreizehntes Kapitel. Der Polizeihund. § 64. Der Zweck und die Haupteigenschaften des Hundes. Der erste Versuch, Hunde im Polizeidienst zu benutzen, wurde, nachdem der Kriminalist Professor Dr. Groß in Prag im Jahre 1896 durch einen Artikel die erste Anregung dazu gegeben hatte, im Jahre 1899 vom Chef der Kriminalpolizei der Stadt Gent in Belgien, Van Wesemael, gemacht. Der Gedanke fand sehr bald bei einer großen Anzahl von Polizeibehörden Nachahmung, zumal da die Kosten der Anschaffung und Unterhaltung verhältnismäßig nicht groß sind.
1. Der Zweck des Polizeihundes im allgemeinen ist: da einzugreifen,
wo die menschlichen Fähigkeiten versagen. Er ist daher dann zu verwenden, wenn
größere Sinnesstärke, vor allem größere Sehkraft und
schärferer Geruchssinn, ferner größere Körperkraft und größere Schnelligkeit,
als der Mensch sie besitzt, erforderlich ist. Auch sind seine Klugheit,
sein Mut und seine Wachsamkeit sehr wertvolle Eigenschaften
des Hundes. II. Die Aufgabe des Polizeihundes ist daher: 1. die Aufsuchung von
Verbrechern in den Schlupfwinkeln; 2. die Verfolgung von Verbrechern auf frischer
Tat oder auf der Flucht, und ihre Festnahme; 3. die Begleitung von Polizeibeamten,
besonders in abgelegene und unübersichtliche Bezirke, um ihn aufmerksam zu machen,
wenn sich etwas Verdächtiges bemerkbar macht; 4. die Überbringung von Meldungen.
III. Die Aufgabe des Kriminalhundes insbesondere ist es: 1. die Spur des Verbrechers
aufzufinden, festzustellen und zu verfolgen, also bei der Ermittelung des Täters
mitzuwirken, und 2. nötigenfalls den gefundenen Verbrecher festzuhalten. IV.
Der Hauptwert des Pohizeihundes liegt in der Sicherheit, mit der er die auf
gefundene Spur festhält und verfolgt. Er soll daher vor allem ein "guter
Spürer" sein und muß selbst eine schwache Spur sicher aufnehmen und verfolgen
können. 1. Den Geruch, den ein Gegenstand oder eine
Person von sich geben, nennt man "Witterung" man sagt daher: "Der
Hund hat Witterung bekommen". Die Witterung verliert sich naturgemäß nach
einiger Zeit, so daß der Hund nur auf frischer Tat oder kurz nach der Tat, in
der Regel höchstens 48 Stunden danach, mit Erfolg arbeiten kann. Man spricht
daher von einer "frischen" oder "warmen" Spur; d. i. diejenige,
die nicht älter ist als zwei Stunden, und im Gegensatz dazu von einer "kalten"
Spur, d. i. diejenige, die älter ist als zwei Stunden. 2. Freilich versagt gerade
oft der beste Hund, denn beim Hunde sind ebenso, wie beim Menschen, äußere Einflüsse
und Störungen des Allgemeinbefindens oft so stark, daß sie sich bei der Arbeit
geltend machen. So hat z. B. die Behandlung des Hundes, insbesondere die Anwesenheit
von vielen Menschen, vor allem von vielen Kindern, und die Gegend Einfluß auf
die Arbeit des Hundes; besonders wird der Hund bei heißem, trockenem Wetter
leicht schlapp und verliert bei Regenwetter, Schnee oder Frost leicht die Spur.
3. Die "Witterung" des Menschen ist nächst der des Fasanen am stärksten
und für den Hund selbst durch Parfüm hindurch wahrnehmbar. Das Verdecken des
Eigengeruches des Menschen durch starke Geruchsmittel, wie z. B. Petroleum,
Öl, Baldrian, nennt man "Verwittern". Der Fremdgeruch erschwert aber
die Spurarbeit nicht, sondern erleichtert sie sogar; nach kurzer Zeit dringt
auch der Eigengeruch mehr und mehr durch. Einige Beispiele
mögen diejenigen Fälle zeigen, in denen der Polizeihund dienstlich besonders
gut zu verwenden ist: Wertvoll ist die Wasserarbeit. Springt z. B, der Verbrecher
auf der Flucht, nach Ablegung der Kleider, in das Wasser, um an das jenseitige
Ufer zu gelangen, so springt der Polizeihund sofort nach, schwimmt schnell vor
den Verbrecher, schneidet ihm den Weg ab und bellt ihn fortgesetzt so an, daß
der Verbrecher zurück an die Eingangsstelle muß, an der inzwischen der Polizeibeamte
angelangt sein wird. Bei Transporten gefährlicher Verbrecher ist die Mitnahme
eines Pohizeihundes oft geradezu notwendig, um die Flucht zu verei-teln, denn
der Hund läßt den Verbrecher nicht aus den Augen, setzt sich beim Eisenbahntransporte
von selbst dem Verbrecher gegenüber und folgt ihm auf den Fuß, bis die Ablieferung
in der Strafanstalt erfolgt ist. V. Zuverlässiger sind in der Regel die Hündinnen;
doch haben auch schon viele Rüden, d. i. die männlichen Hunde, hervorragende
Arbeiten geleistet; nur lassen sich die Rüden beim Spüren, wenn sie eine läufige
Hündin wittern, von der richtigen Fährte leicht ablenken. VI. Am besten eignen
sich als Polizeihunde: Der deutsche Schäferhund, der Dobermannpinscher, d. i.
eine Kreuzung zwischen dem deutschen Schäferhunde und dem großen Pinscher, und
ferner der Airedale-Terrier, d. i. eine englische Kreuzung verschiedener Rassen.
Welcher Hund zu wählen ist, hängt von der Liebhaberei ab, denn jede Rasse hat
kluge und dumme Hunde. Bei der Zucht würde nach den bisherigen
Erfahrungen vor allem der deutsche Schäferhund in Frage kommen, denn er ist
sehr klug und läßt sich von der Arbeit nicht so leicht ablenken, wie beispielsweise
der Dachshund oder der sehr mutige Foxterrier. Die Kosten der Züchtung würden
sich bei deutschen Schäferhunden auch am niedrigsten stellen; denn die Hündinnen
dieser Gattung sind sehr fruchtbar. Erfahrungsgemäß wird man hauptsächlich Hündinnen
zum Spürdienst verwenden, weil sie anhänglicher und treuer sind; dazu kommt,
daß Hündinnen auch wesentlich billiger sind. Erst wenn ein vierfüßiger Polizeianwärter
die Probe besteht, daß er aus etwa hundert an die Erde geworfenen Streichhölzern
das in seiner Abwesenheit von seinem Herrn mit dem Finger berührte Hölzchen
sofort herausfindet, hat er die Prüfung bestanden. Schäferhunde lernen dies
in der Regel am schnellsten. VII. Der Hund ist im Dienste kurz zu führen und
erst, wenn er arbeiten soll, loszulassen. In Krankheitsfällen ist der Hund vom
Tierarzte zu behandeln. VIII. Der Führer des Polizeihundes ist für den Schaden
verantwortlich, den sein Hund anrichtet. IX. Die größeren Polizeibehörden versenden
auch Polizeihunde nach auswärts. Bei der Bahnfahrt darf der Hund nicht in das
Hundeabteil gesteckt werden, da seine Nase sonst unbrauchbar
werden kann; vielmehr hat der Führer von der Bahnbehörde um ein besonderes Nichtraucher-Abteil
zu bitten. Bei der Ankunft am Bestimmungsorte ist dem Hund sofort etwas Milch
und Semmel zu geben, damit der Hund nicht hungrig an die Arbeit gehen muß. Um
einen Erfolg nach Möglichkeit zu sichern, werden folgende Hinweise gegeben,
deren Befolgung für die Arbeit des Hundes ausschlaggebend sein kann: 1.Der Tatort
muß abgesperrt werden und darf so wenig wie möglich begangen werden. Jede Person,
die ihn betritt, ist auf zuschreiben. Dies ist wichtig für die Beurteilung der
Arbeit des Hundes. 2. Die Anforderung eines Hundes muß geheimgehalten werden,
damit einerseits der Täter nicht die vielleicht vorhandenen Spuren im Hinblick
auf die bevorstehende Ankunft des Hundes verwischt, und damit andererseits Menschenansammlungen
vermieden werden. — XIII. Die Aufzucht und Pflege des Polizeihundes. 1. Vor
allem ist darauf zu achten, daß nur reinrassige Hunde von bekannter und guter
Abstammung aufgezogen werden. Bei der Auswahl der Zuchthunde ist darauf zu achten,
daß sich die Hunde durch hervorragende dienstliche Leistungen bewährt haben,
denn Eigenschaften vererben sich. 2. Niemals dürfen Hunde übermäßig ernährt
werden, da muskulöse, kräftige Tiere den fettleibigen unbedingt vorzuziehen
sind, denn fette Hunde werden leicht träge. 3. So früh wie möglich muß auf Zimmerreinheit
des Hundes geachtet werden. — § 65. Die Dressur. 1. Die Hauptregeln
der Dressur sind folgende: 1. Die Dressur darf nur von EinerPerson erfolgen.
Am besten ist es, wenn der Führer des Hundes die Dressur selbst übernimmt, da
sich Herr und Hund so besser kennen lernen. 2. Bei der Dressur muß Spielerei,
aber auch zu große Strenge vermieden werden. Wird mit dem Hunde gespielt, so
verkennt er den Ernst der Sache; ist die Dressur zu
streng und die Strafe zu hart und häufig, so wird der Hund scheu und lernt nicht,
selbständig zu arbeiten. 3. Es ist zu unterscheiden zwischen der Erziehung und
der Dressur. Die Erziehung hat das Ziel: dem Hunde Unarten abzugewöhnen und
Gehorsam anzugewöhnen; die Dressur bezweckt: beim Hunde bestimmte Leistungen
zu erreichen. Die Erziehung beginnt schon nach einigen Monaten; die eigentliche
Dressur soll nicht vor Vollendung des ersten Lebensjahres beginnen, denn vor
dieser Zeit ist die Entwickelung von Körper und Geist noch nicht abgeschlossen.
Besondere Unarten sind: das Liegen auf Bett und Sofa, das Nagen an Möbeln und
Kleidungsstücken, das Naschen, das Hetzen von Geflügel, Wild und Katzen,
das Anbellen von Kindern, Radfahrern, Wagen. Durch den strengen Zuruf "Pfui"
und einen leichten Rutenschlag lassen sich die Unarten nach und nach abgewöhnen.
4. Der Dresseur muß die Veranlagung und die Eigenart seines Tieres genau kennen.
5.
Er muß von den leichteren Übungen zu den schwereren übergehen und die Übungen
fortgesetzt wiederholen, damit der Hund "diensttauglich" bleibt. Eine
neue Übung darf erst begonnen werden, wenn die vorhergehende gut geht. Es ist
stets vor dem Füttern zu dressieren, da auch der Hund mit vollem Magen nicht
gut arbeitet. Die Belohnung für die gute Arbeit soll außer dem Lobe immer das
vom Führer selbst verabreichte Futter sein. 6. Der Führer muß sich auch zum
Dressieren eignen, denn der beste Hund kann durch falsche Behandlung vollständig
verdorben werden. 7. Das Augenmerk des Dresseurs ist vor allem darauf zu richten,
daß der Hund den Sinn der auszuführenden Leistung begreifen lernt, denn auch
der Hund, und zwar besonders der Schäferhund, hat eine gute Auffassungsgabe,
gutes Denkvermögen und guten Verstand und handelt daher mit Überlegung. 8. Der
Führer muß bei der Dressur kühl und ruhig bleiben. a) Hat der Hund Lob verdient,
so lobe man ihn auch, aber nicht bei jeder Leistung, da sonst das Lob keinen
Eindruck mehr macht, sondern nur bei besonders guten Leistungen. Man lobe den
Hund mit den Worten: "So ist‘s recht, so ist‘s brav, mein Hund", da
sich der Hund diese Worte schnell einprägt. b) Hat der Hund Strafe verdient,
so strafe man ihn, bleibe aber auch hierbei kühl und ruhig und unterlasse zu
heftige Prügel, da der Hund sonst leicht störrisch wird. Ein ernstes Wort, z.
B. "Pfui", ein strenger Ruf und die öftere Wiederholung einer Übung
wirken viel besser bei einem klugen Hunde als eine Tracht Prügel, da der Hund,
und besonders die Hündin, ein ausgeprägtes Ehrgefühl hat. Die Strafe muß sofort
auf die Tat folgen und darf nur mit dem Stocke oder der Peitsche, nicht mit
der Hand oder der Leine geschehen. Kommt der Hund, wenn er bestraft werden soll,
auf den Ruf nicht heran, so gehe man ihm auf keinen Fall entgegen oder laufe
gar hinter ihm her; vielmehr trete man unter ruhigem Anrufen des Hundes einige
Schritte zurück. Falsch ist es auch, den Stock verborgen zu halten und den Hund
zur Bestrafung heranzulocken; denn dann wird der Hund "handscheu".
9. Der Führer darf den Hund, so lange er mit ihm zusammen ist, nie aus den Augen
verlieren, damit der Hund stets die Nähe seines Herrn fühlt. 10. Die Befehle
seien kurz und klar und müssen bei derselben Gelegenheit stets mit denselben
Worten gegeben werden, damit sich der Hund diese Worte einprägt. 11. Der Kernpunkt
aller Dressur liegt darin, daß die natürlichen Neigungen und Leidenschaften
des Hundes in Schranken gehalten und zum Polizeidienste ausgenützt werden, daß
vorhandene geistige und körperliche Eigenschaften geweckt und weiter entwickelt
werden, und daß dem Hunde dabei fast zwanglos Gehorsam beigebracht wird, so
daß er freudig, nicht widerwillig, dem Befehle seines Führers folgt und an diesem
mit Liebe hängt. II. Als Dressurmittel sind nötig: eine kurze Lederleine, eine
10 m lange Dressurhanfleine, ein gewöhnliches Halsband, ein Stachel-, sogenanntes
Dressur- oder Korallenhalsband, eine Gerte oder Hundepeitsche, eine Hundepfeife,
ein Apportierholz‘ ein Apportierbeutel, eine Strohpuppe zum Wasser-Apportieren
und Anis oder Anisöl, um das Tier an den Geruch der Sachen seines Führers zu
gewöhnen. III. Die Anforderungen, die außer dem "guten Appell" an
einen gut dressierten Polizeihund gestellt werden müssen, sind folgende: er
muß 1. "leinenführig" sein, d. h. er muß an der linken Seite des Führers
an der Leine ruhig gehen, ohne an dieser zu ziehen, so daß der Kopf am Knie
des Führers ist; 2. "folgen frei bei Fuß", also ohne Leine; 3. sich
auf Befehl setzen und legen; 4. "ablegen", d. h. sich auf den Befehl
"Leg dich" sprungfertig lang hinlegen, und zwar frei oder bei Gegenständen,
auch längere Zeit; 5. "Daun machen", d. h. den Kopf zwischen die Vorderläufe
auf den Fußboden legen - "Daun" ist das englische Wort "down",
sprich dann, und bedeutet: "nieder"; 6. "apportieren", d.
h. weggeworfene oder verlorene Sachen herbringen; 7. springen, mindestens 1,50
m hoch, durchkriechen durch Dornenhecken, eine mindestens zwei Meter hohe Wand
überklettern und Leitern hinaufklettern; 8. auf Befehl "Laut geben",
also bellen; 9. "Standlaut geben", d. h. bei der Annäherung fremder
Personen knurren; 10. auf Kommando "Pst" "verhalten",
d. h. völlig ruhig sein, um den Führer nicht zu verraten; 11. seinen Führer
bei Angriffen und Überfällen verteidigen, indem er auf das Kommando "Hilf"
den Verbrecher anspringt; 12. "schußfest" sein, d. h. er darf keine
Furcht vor dem Schießen oder der Schußwaffe haben; 13. ferner "revieren",
d. h. das Gebiet, besonders Buschwerk absuchen; ferner 14. "verbellen",
d. h. etwas Verdächtiges durch Bellen anzeigen; 15. auf Befehl den Flüchtling
verfolgen, ihn "stellen", also zum Stehen bringen, von selbst Laut
geben und den Flüchtling auf den Befehl "Halt auf" festhalten; 16.
Meldungen überbringen und zu seinem Führer zurückkehren; 17. zur Rettung Ertrinkender
oder zur Verfolgung von Personen oder zum Apportieren von Gegenständen ins Wasser
springen und 18. sich auch durch einen anderen Polizeibeamten führen lassen.
— Streng muß der Hund daran gewöhnt werden, von einer fremden Person keine Nahrung
anzunehmen, nicht einmal hingeworfenes Fleisch, da vom Verbrecher dieses mit
Gift versehen sein kann. Der Hund darf auch die Berührung seines Führers durch
einen Fremden nicht dulden; ebensowenig darf er sich durch Bedrohungen eines
Fremden, z. B. durch Treten und Schlagen, in die Flucht schlagen lassen, vielmehr
muß er den Bedrohenden sofort stellen. Um den Polizeihund immer diensttüchtig
und auf der Höhe der Dressur zu erhalten, muß er täglich dressiert werden, und
es müssen alle Übungen, von der ersten bis zur letzten, bei jeder möglichen
Gelegenheit wiederholt werden.
Die Polizeihunde-Bewegung nimmt von Jahr zu Jahr zu; fast tagtäglich liest
man in den Tageszeitungen von vortrefflichen Leistungen und "großartigen
Erfolgen", aber auch von Mißerfolgen der Polizeihunde. Alle diese Nachrichten
beweisen, daß die natürlichen, gerade dem Hunde eigentümlichen Fähigkeiten durch
planmäßige Dressur und fortgesetzte Übung zu einer Entfaltung gebracht worden
sind, die man früher nicht geahnt hat. Die ausführlichen Berichte in den für
das große Publikum bestimmten Zeitungen haben jedoch ihre Schattenseiten und
sind oft sehr bedenklich, denn die gewerbsmäßigen Verbrecher werden dadurch
erst darauf aufmerksam gemacht, wie den Hunden die Arbeit erschwert werden kann.
Ausführliche Berichte über die Arbeit der Polizeihunde sind daher nur für Fachzeitschriften
nicht für die übrigen öffentlichen Zeitungen geeignet. - (
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