olitik
Sich gegen seine Feinde so verhalten,
als wenn sie einmal unsere Freunde sein sollten,
und gegen die Freunde, als ob sie unsere Feinde werden könnten, widerspricht
der Natur des Hasses und den Gesetzen der Freundschaft:
das ist kein sittlicher, sondern ein politischer Grundsatz.
Man darf sich die nicht zu Feinden machen, die bei näherer Bekanntschaft
unsere Freunde werden könnten. Man muß sich so sichere und redliche Freunde
wählen, daß sie auch dann unser Vertrauen nicht mißbrauchen und uns als
Feinde gefährlich werden, wenn sie einmal aufhören, unsere Freunde zu sein.
- (
bru
)
Politik (2) Nun setzte sich die Zunge des edlen Hans Dampf in Lauf. Eine halbe Viertelstunde füllte er mit Titulaturen in der Anrede, anderthalb Viertelstunden in Entschuldigungen seiner Unfähigkeit zu reden aus; dann sprach er sehr geläufig von den Tugenden des Seligverstorbenen, dessen Stelle wieder besetzt werden sollte; dann von den Eigenschaften, welche an einer ersten Magistratsperson der Republik nicht fehlen dürfen.
»Herrschen«, sagte er, »ist eine große Kunst. Das aber ist die Kunst, daß man nichts verderbe! Denn besser kann man es nicht machen, als der liebe Gott schon alles gemacht hat. Die Uhr geht von selbst, wenn sie aufgezogen ist, darum greift nur nicht in die Räder. Hat der Bauer den Acker einmal besät, so wird die Saat von selbst aufgehen; wühle er nur nicht vorwitzig wieder im Boden herum. Die Neuerungssucht hat die ältesten Staaten zugrunde gerichtet. Wer immer fortläuft, muß endlich einmal ans Ende kommen. Wer nie zu Ende kommen will, bleibe nur stehen. So machten es unsere glorwürdigen Voreltern, o Lalenburger, und so müssen auch wir tun.
Aller Firlefanz unserer heutigen Staatsklugen und Metaphysiker hilft nichts. Stehen die Throne darum fester? Nein, sie wackeln nur desto ärger. Haltet fest am lieben alten. Neue Ordnung ist wie neuer Wein, der will Gärung. Alte Ordnung ist wie alter Wein, kräftig, lieblich, klar. Darum ist das Dümmste vom Alten besser als das Klügste der Neuerer. Wir Menschen bleiben Menschen und werden trotz aller Mühe nichts anderes, gleichwie die Tiere auch. Die Leute sterben ebensogut, wo studierte Doktoren und große Apotheker sind, als da, wo man weder Doktor noch Apotheker hat. Umgekehrt, dort sterben oft noch mehr, weil Doktor und Apotheker an der natürlichen Ordnung im Menschen bessern und flicken wollen, des Geldes willen. Hütet euch vor den Gelehrten. Selig sind die Armen im Geiste. Die sehen in ihrer Einfalt mehr als die von Weisheit Verblendeten.
So dachten unsere Vorfahren. Rom und Griechenland gingen unter, Lalenburg
steht noch heutigen Tages. Es geht mit den Staaten wie mit einzelnen Menschen.
Kluge Kinder sterben früh. Ein großer Staatsmann läßt es gehen. Alles kommt
und macht sich zuletzt doch. Man eile der Natur nicht zuvor. Sie will keine
Sprünge. Was heute nicht geschieht, kann morgen geschehen. Ist der Apfel
reif, fällt er vom Baum und verlangt nicht, daß ihr zu ihm hinaufklettert.
Darum ist es bei uns eine der trefflichsten Staatsmaximen, große Geschäfte
an Kommissionen zu weisen, welche die Akten wieder in Zirkulation unter
sich setzen, damit sie halb vergessen werden. Halbvergessene Dinge sind
wieder neu, und das Neue ergreift man immer mit größerem Eifer, zumal wenn
das Neue schon ein alter Freund ist. Zum Schnellsein hilft nicht Laufen.
Wer am wenigsten tut, hat gewiß am meisten getan. Nur nie zuviel regiert!
Wem Gott wohl will, dem gibt er's im Schlaf. -
Nach: Heinrich Zschokke, Hans Dampf in allen Gassen. Humoristische Erzählungen,
Novellen und Fabeln. Frankfurt am Main 1980 (it 443, zuerst ca. 1830)
Politik (3) «Nun, in diesem Fall kann ich Ihnen mal eine Lektion erteilen, Rabbi. Ihr Juden seid skeptisch, kritisch und logisch.»
«Ich war stets der Ansicht, daß wir als überaus gefühlsbetont gelten», erwiderte der Rabbi.
«Das seid ihr auch, aber eben nur in Gefühlsdingen. Ihr Juden habt überhaupt
keine Ader für Politik, und wir Iren besitzen ein
Naturtalent dafür. Wenn ihr kandidiert, steigt ihr in all euren Reden und
eurer Propaganda sofort in die Kernfragen ein. Und wenn ihr verliert, tröstet
ihr euch mit dem Gedanken, daß ihr für die Kernfragen gekämpft und vernünftig
und logisch argumentiert habt. Es muß ein Jude gewesen sein, der mal gesagt
hat, er sei lieber im Recht - als Präsident der Vereinigten Staaten ...
Ein Ire ist nicht so dumm; er weiß genau, daß man gar nichts tun kann,
wenn man nicht gewählt wird. Deshalb heißt sein oberster Grundsatz in der
Politik, daß man gewählt werden muß. Und der zweite lautet: ein Kandidat
wird nicht auf Grund von logischen Argumenten gewählt, sondern wegen seines
Haarschnitts, seines Hutes oder seines Akzentes». - Harry Kemelman,
Am Freitag schlief der Rabbi lang. Reinbek bei Hamburg 1966 (rororo thriller
1090, zuerst 1964)
Politik (4) Eine ernste Beschäftigung mit
der Landespolitik erfordert mehr Zeit und tiefere Einsicht in schwierige
Verhältnisse als Euch zu Gebote stehen. Das Politisieren in der Kneipe
ist nebenbei sehr teuer, dafür kann man im Hause besseres haben. Nach gethaner
Arbeit verbleibt im Hause bei den Eurigen, bei den Eltern, bei der Frau
und den Kindern. Da sucht Eure Erholung, sinnt über den Haushalt und die
Erziehung. Das und Eure Arbeit sei zunächst und vor allem Eure Politik.
- Alfred Krupp, ca. 1890
Politik (5) Das leidige Gebiet der Politik
wollen wir hier nur ganz flüchtig streifen, da die unerfreulichen Zustände
des modernen Staatslebens allbekannt und Jedermann täglich fühlbar sind.
Zum großen Theile erklären sich deren Mängel daraus, daß die meisten Staatsbeamten
eben Juristen sind, Männer von ausgezeichneter formaler Bildung, aber ohne
jene gründliche Kenntniß der Menschen-Natur, die nur durch vergleichende
Anthropologie und monistische Psychologie erworben werden kann, - ohne
jene Kenntniß der socialen Verhältnisse, deren organische Vorbilder uns
die vergleichende Zoologie und Entwickelungsgeschichte, die Zellen-Theorie
und die Protistenkunde liefert. "Bau und Leben des socialen Körpers,"
d. h. des Staates, lernen wir nur dann richtig verstehen, wenn wir
naturwissenschaftliche Kenntniß von "Bau und Leben" der Personenfunda
besitzen, welche den Staat zusammensetzen, und der Zellen, welche
jene Personen zusammensetzen. Wenn diese unschätzbaren biologischen
und anthropologischen Vorkenntnisse unsere "Staatslenker"
besäßen, und unsere "Volksvertreter", die mit ihnen zusammenwirken,
so würde unmöglich in den Zeitungen täglich jene entsetzliche Fülle von
sociologischen Irrthümern und von politischer Kannengießerei zu lesen sein,
welche unsere Parlaments-Berichte und auch viele Regierungs-Erlasse nicht
gerade erfreulich auszeichnen. - Ernst Haeckel, Die Welträthsel.
1899
Politik (6) ist die Kunst, die Leute
daran zu hindern, sich um daszu kümmern, was sie angeht. (
pval
)
Politik (7) Mit
Politik beschäftige ich mich so wenig wie möglich. Während der Diktatur habe
ich mich damit befaßt, doch das war nicht Politik, sondern Ethik. In der letzten
Zeit habe ich mich mit Politik beschäftigt. Zum Beispiel bin ich der Konservativen
Partei beigetreten. Aber kaum hatte ich mich den Konservativen angeschlossen,
habe ich mich über den Sieg der Radikalen gefreut. -
J. L. Borges, nach (scia)
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