Poet / Poeterey Der Poet ist sinnreich in seinen Gedanken / wortreich in seiner Verfassung / Verstandreich in seinen Erfindungen Kunstreich in seinen Ausbildungen / Geistreich in innerlichen Anregungen / Gunstreich bei den verständigen / und doch meisten Theils arm an den Gütern deß Glückes / Er schwinget sich in den Himmel und bleibet doch auf der Erden / / Er erreget die Gemüter und rühret die Hertzen / entzücket die Geister / redet mit den Entferneten / belustiget mit Nutzen / und nutzet mit Belustigung. Besieget die Traurigkeit. Er schreibt was Geist und Feuer hat / beflügelt mit fast göttlicher Vernunft / durchwandrend Himmel und Erden / seine Feder mit Wunderzierlicher Seltzsamkeit anzufüllen. Seine Rede erhebet sich über die alltagsSprache / seine Nachsinnung ist von des Pövels Eitelkeit besondert / und klebet nicht an der niedren Erden sondern schwebet in den hochfreyen Lüfften. Keine Kunnst ist / er hat sie durchsuchet / keine Wissenschaft ist er hat sie erforschet / und mit hochgestirntem Geist / glücklich und schicklich zu Nutzen gebracht. Die Natur ist sein großes Buch / daraus er die Gleichheit und Ungleichheit aller Sachen suchet und findet / reimet und bindet. Seine Feder ist die Quelle / daraus leichte Reimen Flüßen / sie kann das Papier begießen mit der Wörter Krafft und Safft / der den Herzen Freude schafft. Der Musen liebe Söhne / die mit dem Künstgetöne / beklingen ihren Berg, Die schöngelehrten Geister / der guldnen Seiten Meister / sind auch der Sieger Lorbeer wehrt / sie durchsüßen ihren Ton / würdig vieler Gnaden Lohn ... . - (hrs)

Poet (2)  Orpheus, Sohn des thrakischen Königs Oiagros und der Muse Kalliope, ist der berühmteste Poet und Musiker der griechischen Sage. Apollon schenkte ihm eine Leier, und die Musen lehrten ihn, darauf zu spielen. Sein Gesang zähmte nicht nur die wilden Tiere, sondern entzückte auch die Bäume und Felsen, die ihre Plätze verließen, um seiner Stimme zu folgen. In Zone in Thrakien stehen noch immer alte Bergeichen in der Stellung von Tänzern, so, wie er sie verließ. - (myth)

Poet (3) Es ist gar nicht rätselhaft, warum das flüssige Erdinnere sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit dreht wie der feste Erdmantel und die äußere Erdkruste. Es ist ganz im Gegenteil sogar unmittelbar einleuchtend und beweisbar, daß dieser Kern die Erdrotation nicht mit der gleichen Geschwindigkeit mitmachen kann. Denn die Drehung der Erde wird eben durch den Mond, mit Hilfe des Mechanismus der Gezeiten-Reibung, laufend, und zwar sehr langsam, aber über alle Zeiten hinweg konstant, abgebremst — ein Umstand, der das Zustandekommen einer »differentiellen Rotation« zwischen dem bei dieser Bremsung immer etwas zurückbleibenden flüssigen Kern und dem festen Mantel der Erde ganz unvermeidbar macht. Der Motor des Dynamos, der das irdische Magnetfeld und mit diesem den magnetischen Abwehrschirm erzeugt, der uns vor dem »harten« Anteil der Strahlung der Sonne, dem Sonnenwind, schützt, ist also gar nicht in der Erde selbst zu suchen, sondern in 380 000 Kilometern Entfernung: es ist der Mond. Besonders einleuchtend erscheint im Licht dieser neuen Auffassung der Zusammenhang zwischen der Rotationsachse der Erde und der Achse ihres Magnetfelds. Infolge der Bremswirkung des Mondes ist es eben die Verzögerung der Erdrotation und damit letztlich diese selbst, die das Magnetfeld entstehen läßt.

Hölderlin noch hat unseren Trabanten als den »blassen Gesellen« besungen, der unberührt von unserem Ergehen hoch über unseren Köpfen dahinziehe. Hölderlin irrte. Ohne Mond wäre unsere Erde unbewohnbar. - Hoimar von Ditfurth, Kinder des Weltalls. Der Roman unserer Existenz. München 1982 (dtv 10039, zuerst 1970)

Poet (4) Tom ist jetzt wieder ganz gesund und trägt seine Kugel an einer Uhrkette um den Hals wie eine Uhr und sieht immerzu nach, wie spät es ist; und so gibt es weiter nichts mehr zu schreiben, und ich bin verdammt froh darüber, denn wenn ich vorher gewußt hätte, was für eine Mühe es macht, ein Buch zu schreiben, dann hätte ich gar nicht erst damit angefangen, und noch mal tue ich‘s bestimmt nicht. Aber ich glaube, ich muß doch noch ins Indianerterritorium durchbrennen; denn Tante Sally will mich adoptieren und gesittet machen, und das halt‘ ich nicht aus. Ich hab‘ das schon einmal durchgemacht.

SCHLUSS
EUER ERGEBNER HUCK FINN

- Mark Twain, Huckleberry Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)

Poet (5) Schriftstellerkollegen habe ich niemals anregend gefunden. Das gleiche habe ich andere Schriftsteller sagen hören, und ich glaube nicht, daß Eifersucht oder Mißtrauen der Grund ist. Französischen Autoren soll es, wie ich höre, im allgemeinen nicht so gehen, sie treffen sich gern und reden über ihre Arbeiten. Ich kann mir nichts Schlimmeres oder Riskanteres vorstellen, als über meine Arbeit mit einem anderen Schriftsteller zu sprechen; ich käme mir geradezu nackt vor. Vermutlich ist es eine angelsächsische und amerikanische Eigenheit, daß ein Schriftsteller seine Arbeit für sich behalten soll, und ich bin offensichtlich damit geschlagen. Ich glaube, das wechselseitige Unbehagen unter Schriftstellern kommt daher, daß sie sich alle irgendwie auf der gleichen Ebene befinden, wenn sie Romane schreiben. Ihre unsichtbaren Antennen tasten die Luft nach den gleichen Schwingungen ab; oder, um eine grobschlächtigere Metapher zu benutzen, sie schwimmen alle in derselben Tiefe, die Zähne gefletscht auf der Suche nach der gleichen Art treibenden Planktons.  - Patricia Highsmith, Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt. Zürich 1990 (zuerst 1966)

Poet (6)

Rimbaud und Verlaine in London

1. ERKLÄRUNG RIMBAUDS VOR DEM POLIZEIKOMMISSAR 10. Juli 1873 (um 8 Uhr abends)

Seit einem Jahr wohne ich mit dem Herrn Verlaine in London. Wir machten Berichte für Zeitungen und gaben französischen Unterricht. Das Zusammensein mit ihm war unmöglich geworden, und ich hatte den Wunsch ausgesprochen, nach Paris zurückzukehren.

Vor vier Tagen verließ er mich, um nach Brüssel zu gehen, und schickte mir ein Telegramm, daß ich nachkommen und ihn wiedertreffen sollte. Vor zwei Tagen bin ich angekommen und habe mich bei ihm und seiner Mutter, rue des Brasseurs No. 1, einquartiert. Ich habe ständig den Wunsch ausgesprochen, nach Paris zurückzukehren. Er antwortete mir: «Jawohl, geh nur, und Du wirst sehen!» Heute morgen ging er in die Passage des Kaufhauses Saint-Hubert, um einen Revolver zu kaufen, den er mir bei seiner Rückkehr mittags gezeigt hat. Dann sind wir zur Maison des Brasseurs, Grand‘ Place, gegangen, wo wir fortfuhren, über meine Abreise zu sprechen. Als wir um zwei Uhr wieder in unseren Zimmern waren, schloß er die Tür mit dem Schlüssel ab und setzte sich davor. Dann spannte er seinen Revolver und gab zwei Schüsse damit ab, wobei er sagte: «So! Ich werde Dir beibringen, weggehen zu wollen!» Die Schüsse wurden auf drei Meter Entfernung abgegeben; der erste verwundete mich am linken Handgelenk, der zweite traf mich nicht. Seine Mutter war anwesend und hat mir die erste Hilfe geleistet. Danach habe ich mich zum St. Johannes-Krankenhaus begeben, wo man mich verbunden hat. Verlaine und seine Mutter begleiteten mich. Als der Verband fertig war, gingen wir alle drei nach Haus zurück. Verlaine redete mir unaufhörlich zu, ihn nicht zu verlassen und bei ihm zu bleiben, aber ich wollte nicht einwilligen und brach um sieben Uhr abends auf, von Verlaine und seiner Mutter begleitet. In der Gegend der Place Rouppe angelangt, lief Verlaine mir einige Schritte voraus, dann kam er wieder auf mich zu: ich sah ihn die Hand in die Tasche stecken, um den Revolver zu ergreifen, da machte ich kehrt und ging zurück, wo ich hergekommen war. Ich begegnete dem Polizisten, dem ich mitteilte, was mir zugestoßen war, und der Verlaine aufforderte, ihm auf das Polizeibüro zu folgen.

Wenn der Letztgenannte mich ungehindert hätte abreisen lassen, würde ich wegen der Verletzung, die er mir beigebracht hat, keine Klage gegen ihn erhoben haben. A. Rimbaud

2. ERKLÄRUNG MME VERLAINE‘S VOR DEM POLIZEIKOMMISSAR

Seit ungefähr zwei Jahren lebt der Herr Rimbaud auf Kosten meines Sohnes, der sich über seinen reizbaren und boshaften Charakter zu beklagen hat: er hat das in Paris und dann in London erfahren. Mein Sohn ist vor vier Tagen nach Brüssel gekommen. Kaum angelangt, erhielt er einen Brief von Rimbaud, damit er kommen und ihn hier wieder treffen könnte. Er hat mit einem Telegramm bejahend darauf geantwortet, und Rimbaud ist gekommen und wohnt seit zwei Tagen mit uns zusammen. Heute morgen hat mein Sohn, der zu reisen beabsichtigt, den Kauf eines Revolvers vorgenommen. Nach einem Ausgang sind sie um zwei Uhr nach Haus gekommen. Es erhob sich eine Auseinandersetzung zwischen ihnen. Mein Sohn ergriff seinen Revolver und gab damit zwei Schüsse auf seinen Freund Rimbaud ab. Der erste hat ihn am linken Arm verwundet, der zweite wurde nicht auf ihn abgegeben. Die Kugeln haben wir jedoch nicht gefunden. Da Rimbaud, nachdem er im St. Johannes-Krankenhaus verbunden worden war, den Wunsch erkennen ließ, nach Paris zurückzukehren, gab ich ihm zwanzig Franken, denn er hatte kein Geld. Dann gingen wir aus, um ihn an den Südbahnhof zu begleiten, als er sich an den Polizeibeamten wandte, um meinen Sohn festnehmen zu lassen, der keinen Groll gegen ihn hegte und in einem Augenblick der Verwirrung gehandelt hat.

 3. ERKLÄRUNG VERLAINE‘S VOR DEM POLIZEIKOMMISSAR     10. Juli 1873

Ich bin seit vier Tagen in Brüssel, unglücklich und verzweifelt. Rimbaud kenne ich seit über einem Jahr. Ich lebte mit ihm in London, das ich vor vier Tagen verlassen habe, um in Brüssel Wohnung zu nehmen, damit ich meinen Angelegenheiten näher wäre, denn ich habe einen Scheidungsprozeß mit meiner in Paris lebenden Frau, die behauptet, daß ich unmoralische Beziehungen zu Rimbaud hätte.

Ich habe meiner Frau geschrieben, daß, wenn sie nicht in drei Tagen käme, um sich mit mir wieder zu vereinigen, ich mir eine Kugel vor den Kopf schießen würde, und in dieser Absicht habe ich heute morgen in der Passage des Kaufhauses Saint-Hubert den Revolver gekauft, mit Futteral und einer Schachtel Patronen zum Betrag von 23 Franken.

Nach meiner Ankunft in Brüssel erhielt ich einen Brief von Rimbaud, der mich bat, daß er wieder mit mir zusammentreffen dürfte. Ich habe ihm ein Telegramm geschickt, daß ich ihn erwartete, und er ist vor zwei Tagen angekommen. Heute, als er mich so unglücklich sah, wollte er mich verlassen. Ich habe einer Anwandlung von Wahnsinn nachgegeben und auf ihn geschossen. In diesem Augenblick hat er keine Klage erhoben. Ich begab mich mit ihm und meiner Mutter ins St. Johannes-Krankenhaus, um ihn verbinden zu lassen, und wir sind zusammen zurückgegangen. Rimbaud wollte mit aller Gewalt wegfahren. Meine Mutter hat ihm zwanzig Franken für seine Reise gegeben, und als wir ihn zum Bahnhof brachten, hat er auf einmal behauptet, ich wollte ihn töten. P. Verlaine - Aus: Arthur Rimbaud, Briefe Dokumente. Hg. Curd Ochwadt. Reinbek b. Hamburg 1964 (Rowohlts Klassiker 155/156)

Poet (7) Der Charakter von Young Soult Dieser wahrhaft bedeutende Dichter ist dreiundzwanzig Jahre alt. Er ist etwa mittelgroß und offenbar bei guter Gesundheit. Seine Gesichtszüge sind ebenmäßig, und seine Augen sind groß und ausdrucksvoll. Sein Haar ist dunkel, doch er trägt eine solche Kräuselfrisur, als wolle er den Anschein erwecken, er käme geradewegs aus einem Ginsterbusch gekrochen. Seine Kleider sind gewöhnlich zerrissen, und sie umschlottern ihn auf eine sehr nachlässige und unordentliche Weise. Seine Schuhe sind oft ausgetreten und die Strümpfe voller Löcher. Der Gesichtsausdruck ist wild und abgehärmt, und fortgesetzt verzieht er seinen Mund nach der einen oder anderen Seite. Im Wesen hat er etwas Diabolisches, doch ist er menschlich und gutmütig. Er scheint ständig in einem Zustand starker Erregung zu arbeiten, hervorgerufen durch übermäßiges Trinken und Spielen, dem er unglücklicherweise in starkem Maße verfallen ist. Seine Gedichte zeugen von glänzender Einfallskraft, doch ist sein Versbau mangelhaft. Die Themen und die Sprache sind schön, aber ihre Gestaltung hat keine Harmonie, und darum meine ich, daß er sein Bestes im Blankvers leisten könnte. Tatsächlich habe ich gehört, daß er ein solches Gedicht zur Veröffentlichung vorbereitet, von dem man erwartet, daß es sein bestes werden wird. Er verfügt über echte schöpferische Begabung, die er unter großen Mühen veredelt hat. Seine Anfänge waren weniger bedeutend, doch glaube ich, daß er am Ende großartige Werke schaffen und sein Name, zusammen mit denen der bedeutendsten Männer seines Geburtslandes, in die Annalen eingehen wird. C. B. Captain Tree 17. Dezember 1829  - Aus: Charlotte Branwell Emily Anne Brontë: Angria & Gondal. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1829 ff.)

Poet (8) Im oktober 1959 war ich einige zeit in London. Erich Fried wohnte damals noch in seinem herrlichen haus in der Fleet Road und schrieb hinter der auslagenscheibe seines arbeitszimmers gedichte. Eben um diese zeit war er mit einem gedicht fertig geworden, das wohl noch kaum veröffentlicht ist, was mir aber leid tut, denn ich halte es für eines seiner stärksten. Darin kommt ein mensch vor, der anfängt einen baum samt den dazugehörigen wurzeln zu kacken und damit nicht vor seinem tode fertig wird. - (hca)

Poet (9) Lord Byron  wird mit neun Jahren von seinem Kindermädchen in die Liebe eingeweiht. In den folgenden Jahren verbindet er gelegentliche Studien in Cambridge mit einem ausschweifenden Leben in London. Er nimmt Laudanum, eine Opiumtinktur, und unterhält zwei Mätressen, von denen er eine in Knabenkleidung steckt und als seinen Cousin ausgibt. Die Täuschung wird entdeckt als »der junge Gentleman« zum Entsetzen der Zimmermädchen in einem Hotel eine Fehlgeburt hat. Durch die Veröffentlichung von »Junker Harold« im März 1812 lernt Byron Lady Caroline Lamb, die siebenundzwanzigjährige Frau von William Lamb, dem späteren Lord Melbourne, Premierminister von England, kennen.

Caroline schreibt in ihr Tagebuch, Byron sei »wahnsinnig, schlecht und gefährlicher Umgang«. Der Dichter bekommt viele Briefe von ihr, in einem findet er einen Büschel ihrer Schamhaare: »Ich habe beim Abschneiden nicht aufgepaßt«, schreibt Caroline, »und es hat geblutet. Mach du es nicht so.« - Aus: Dirk H. Veldhuis, Träumen mit offenen Augen. Phantastische Bilderwelten. Nördlingen 1986

Poet (10) AVß oberzehlten Sachen ist zue sehen / wie gar vnverstendig die jenigen handeln / welche aus der Poeterey nicht weiß ich was für ein geringes wesen machen / vnd wo nicht gar verwerffen / doch nicht sonderlich achten; auch wol vorgeben / man wisse einen Poeten in öffentlichen ämptern wenig oder nichts zue gebrauchen; weil er sich in dieser angenemen thorheit vnd ruhigen wollust so verteuffe / das er die andern künste vnd wissenschafften / von welchen man rechten nutz vnd ehren schöpften kan / gemeiniglich hindan setze. Ja wenn sie einen gar verächtlich halten wollen / so nennen sie jhn einen Poeten: wie dann Erasmo Roterodamo von groben leuten geschahe. Welcher aber zur antwort gab: Er schätzte sich dessen lobes viel zue vnwürdig; denn auch nur ein mittelmässiger Poete höher zue halten sey als zehen Philosophastri. Sie wissen ferner viel von jhren lügen / ärgerlichen schrifften vnd leben zue sagen / vnd vermeinen / es sey keiner ein gutter Poete / er müsse dann zu gleich ein böser Mensch sein. Welches allerseits vngegründetes vrtheil ich kaum einer antwort würdig achte; vnnd jhnen alleine für das erste zue bedencken gebe / wer Solon / Pythagoras / Socrates / Cicero vnd andere gewesen / die sich doch des Poetennamens nie geschämet haben. Ich köndte auch sonsten viel vortreffliche leute erzehlen / die auff diese kunst (wo ich sie eine kunst nennen soll) jhren höchsten fleiß gewendet haben / vnd dennoch dem gemeinen nutze mit vnsterblichem lobe vorgegangen sind. So ist auch ferner nichts närrischer / als wann sie meinen / die Poeterey bestehe bloß in jhr selber; die doch alle andere künste vnd wissenschafften in sich helt. Apuleius nennet den Homerus einen viel wissenden vnnd aller dinge erfahrenen Menschen; Tertullianus von der Seele: einen Vater der freyen künste.

Plato / welcher im Tragedien schreiben so weit kommen/ das er auch andern kampff anbitten dörffen / hat vermischet / wie Procius von jhm saget / die Pythagorische vnnd Socratische eigenschafft / hat die Geometrie vom Theodorus Cyreneus / die Wissenschaft des Gestirnes von den Egyptischen Priestern erlernet / vnd ist aller dinge kündig gewesen. So hat man vnsere Musen zue mahlen pflegen / als sie mitt zuesammen gehenckten bänden in einem reyen tantzten / das gemeine bandt vnd verwandschafft aller künste hierdurch an zue deuten. Wann auch die verse nur blosse worte sindt / (wiewol das so wenig möglich ist / als das der Cörper ohne die Seele bestehen könne) was ist es denn das Eratosthenes ein getichte von beschreibung der Welt / so Hermus geheissen / das Parmenides vnnd Empedocles von natur der dinge / das Seruilius vnd Heliodorus / derer Galenus erwehnet / von der ärtzney geschrieben haben? Oder / wer kan leugnen / das nicht Virgilius ein gutter Ackersman / Lucretius ein vornemer naturkündiger / Manilius ein Astronomus / Lucanus ein Historienschreiber / Oppianus ein Jägermeister / vnd einer vnd der andere der Philosophie obristen sein / da sie doch nichts als Poeten sein. Es sey denn das wir glauben wollen / Theocritus habe Schaffe getrieben / vnd Hesiodus sey hinter dem Pfluge gegangen. Doch muß ich gleichwol bekennen / das auch an Verachtung der Poeterey die jenigen nicht wenig schuldt tragen / welche ohn allen danck Poeten sein wollen / vnd noch eines theils zum vberfluß / ebener massen wie Julius Cesar seine kahle glitze / sie jhre vnwissenheit vnter dem Lorbeerkrantze verdecken. Gewißlich wenn ich nachdencke / was von der zeit an / seit die Griechische vnd Römische sprachen wieder sind hervor gesucht worden / vor hauffen Poeten sind herauß kommen / muß ich mich verwundern / wie sonderlich wir Deutschen so lange gedult können tragen / vnd das edele Papir mit jhren vngereimten reimen beflecken. Die worte vnd Syllaben in gewisse gesetze zue dringen / vnd verse zue schreiben / ist das allerwenigste was in einem Poeten zue suchen ist. Er muß von sinnreichen einfällen vnd erfindungen sein / muß ein grosses vnverzagtes gemüte haben / muß hohe Sachen bey sich erdencken können / soll anders seine rede eine art kriegen / vnd Von der erden empor steigen.

Ferner so schaden auch dem gueten nahmen der Poeten nicht wenig die jenigen / welche mit jhrem vngestümen ersuchen auff alles was sie thun vnd vorhaben verse fodern. Es wird kein buch / keine hochzeit / kein begräbnüß ohn vns gemacht; vnd gleichsam als niemand köndte allein sterben / gehen vnsere gedichte zuegleich mit jhnen vnter. Mann will vns auff allen Schüsseln vnd kannen haben / wir stehen an wänden vnd steinen / vnd wann einer ein Hauß ich weiß nicht wie an sich gebracht hat / so sollen wir es mit vnsern Versen wieder redlich machen. Dieser begehret ein Lied auff eines andern Weib / jenem hat von des nachbaren Magdt getrewmet / einen andern hat die vermeinte Bulschafft ein mal freundtlich angelacht / oder / wie dieser Leute gebrauch ist / viel mehr außgelacht ; ja deß närrischen ansuchens ist kein ende. Müssen wir also entweder durch abschlagen jhre feindschafft erwarten / oder durch willfahren den würden der Poesie einen mercklichen abbruch thun. Denn ein Poete kan nicht schreiben wenn er wil / sondern wenn er kan / vnd jhn die regung des Geistes welchen Ovidius vnnd andere vom Himmel her zue kommen vermeinen / treibet. - Martin Opitz, Buch von der Deutschen Poeterey. 1624

Poet (11)

1921 am 12. Juni geboren in Wien.
1935 bis 1939 verfaßt Detektivgeschichten, die er mit dem Pseudonym John Hamilton zeichnet und in der Schule verteilt. Beschäftigt sich sehr früh mit entlegenen Sprachen wie dem Assyrischen, Malaiischen, Walisischen (da ein Detektiv möglichst alle Sprachen beherrschen muß). Er liest u. a. auch Edith Södergran und andere finnoschwedische expressionistische Lyrik und beginnt sich mit der schwedischen Sprache zu beschäftigen.
1940 wird zur deutschen Wehrmacht eingezogen.
1941 Kriegsverletzung. Schreibt im Lazarett in Olmütz Gedichte und Prosa.
1943 in Rußland: er schreibt weiter Gedichte, die von Poe und japanischen Haikus beeinflußt sind.
1945 gerät bei Regensburg in Kriegsgefangenschaft und wird Dolmetscher im Durchgangslager der Amerikaner. Aufenthalt bei einem Freund in Ingolstadt und Benutzung der dortigen Bibliothek, die Werke der Vorexpressionisten, Expressionisten und Dadaisten enthält. Im Oktober Rückkehr nach Wien.
1947 erste Veröffentlichung von Gedichten in Radio Wien.
1949 Bekanntschaft mit jungen Autoren um die Zeitschrift Neue Wege.
1950 Bekanntschaft mit Wieland Schmied und dem »Mödlinger Kreis«.
1951 Eintritt in den ART-CLUB.
1952 Reise nach Bern und erfolgreiche Lesung dort. Bekanntschaft mit Gerhard Rühm.
Weitere Aktivitäten im ART-CLUB. Eröffnet in einem Keller in der Wiener Ballgasse die »kleine Schaubühne«. Enge Zusammenarbeit mit Konrad Bayer und Gerhard Rühm. Oswald Wiener tritt als Jazzmusiker auf.
1954 Schließung der »kleinen Schaubühne« durch die Feuerpolizei.
1957 Im Atelier von Stefan Pral wird die Herausgabe des Bandes med ana schwoazzn dintn vorbereitet.
1961 Übersiedlung nach Stockholm.
1962 von Mai bis Oktober in Berlin, trifft dort Konrad Bayer.
1963 Übersiedlung nach Lund, dann nach Malmö.
1965 im Januar Übersiedlung nach Berlin.
1966 am 12. Juni wird in Konrad Jule Hammers »Theater und Galerie im Europa-Center« Dracula, Dracula, Ein transsylvanisches Abenteuer aufgeführt. Im Sommer Übersiedlung nach Graz.
1968 von Frühjahr bis Herbst wieder in Berlin. Seither ohne festen Wohnsitz. 

- Verlagsangaben, in: H.C. Artmann, Unter der Bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen. Frankfurt am Main 1976 (st 337, zuerst 1974)

Poet (12)

Poet

 -  Betrugs=Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Ständen, nebst denen darwider guthen Theils dienenden Mitteln entdecket von Georg Paul Hönn. München 1977 (zuerst 1721)

Poet (13)  Euchar gehörte als Knabe zu den sogenannten artigen Kindern, die also genannt werden, weil sie in der Gesellschaft stundenlang auf einem Fleck stillsitzen, nichts fragen, begehren u. s. w. und dann sich herrlich ausbilden zu hölzernen Dummköpfen. Mit Euchar hatte es eine andere Bewandtnis. Wurde er, wenn er, ein artiges Kind mit niedergeschlagenen Augen, gebeugtem Haupt dasaß, angesprochen, so fuhr er erschrocken auf, stotterte, weinte manchmal gar, er schien aus tiefen Träumen zii erwachen. War er allein, so schien er ein ganz anderes Wesen. Man hatte ihn belauscht, als er heftig sprach, wie mit mehreren Personen, die zugegen, ja als er ganze Geschichten, die er gehört oder gelesen, wie ein Schauspiel aufführte, da mußten Tische, Schränke, Stühle, alles was sich eben im Zimmer vorfände Städte, Wälder, Dörfer, Personen vorstellen. Eine besondere Begeisterung ergriff aber den Knaben, wenn es ihm vergönnt wurde, allein im Freien umherzustreifen. Dann sprang, jauchzte er durch den Wald, umarmte die Bäume, warf sich ins Gras, küßte die Blumen, u. s. w. In irgendein Spiel mit Knaben seines Alters ließ er sich ungern ein, und galt deshalb für furchtsam und träge, weil er irgendein gefährliches Unternehmen, einen gewaltigen Sprung, eine kühne Kletterei niemals mitmachen wollte. Aber auch hier war es besonders, daß, wenn es am Ende Jedem an Mut gefehlt hatte, das Unternehmen wirklich zu wagen, Euchar still zurückblieb, und einsam mit Geschicklichkeit das vollbrachte, was die andern nur gewollt. Galt es z. B. einen hohen schlanken Baum zu erklettern, und hatte keiner hinauf gemocht, so saß Euchar gewiß im nächsten Augenblick, sowie er sich allein befand, oben auf der Spitze. Äußerlich kalt, teilnahmlos erscheinend, ergriff der Knabe alles mit ganzem Gemüt, mit einer Beharrlichkeit, wie sie nur starken Seelen eigen, und brach in manchen Momenten das im Inneren Empfundene hervor, so geschah es mit unwiderstehlich hinreißender Gewalt, so daß jeder Kundige über die Tiefe des Gefühls, das der Knabe in der verschlossenen Brust trug, erstaunen mußte. Mehrere grundgescheite Hofmeister konnten aus ihrem Zöglinge gar nicht klug werden, und nur ein einziger (der letzte) versicherte, der Knabe sei eine poetische Natur, worüber Euchars Papa gar sehr erschrak, indem er befürchten zu müssen glaubte, daß der Knabe am Ende das Naturell der Mutter haben werde, die bei den glänzendsten Couren Kopfschmerz und Ekel empfunden. Des Papas Intimus, ein hübscher glatter Kammerherr, versicherte jedoch, besagter Hofmeister täte ein Esel sein, in dem jungen Baron Euchar flösse echt adeliges Blut, mithin sei seine Natur freiherrlich, und nicht poetisch. Das beruhigte den Alten merklich.  - E.T.A. Hoffmann, Die Serapionsbrüder. München  1976 (zuerst 1819)

Poeten (14)  Die letzten vier Verse der „Die Dichter“ genannten Sure 26 setzen sie mit Wahrsagern und Irrenden (bzw. ziellos Umherirrenden) gleich, die von Dschinn oder gar dem Satan selbst besessen seien und ihren Einfluss auf das Stammesleben falsch nützten. Der Prophet Mohammed grenzt sich zwar von ihnen ab, bescheinigt aber (in den letzten beiden später offenbarten bzw. hinzugefügten Versen) zumindest einigen unter ihnen Rechtgläubigkeit. - Wikipedia

Poeten (15) Der Poet.

Er Ist ein Poet. Er ist ein Poet, wie er im Buche steht. Er darf ein Poet sein, denn er ist frei und alle Menschen sind frei. Er kann ein Poet sein, wenn er es will und wenn die Geschichte will, daß er ein Poet ist. Er muß ein Poet sein, denn er ist ein Poet. Er muß ein Poet sein dürfen, weil wir in einem freien Lande leben. Er muß ein Poet sein können, weil er sonst nichts kann. Er kann können, weil Kunst von Können kommt. Er muß ein Poet sein müssen, denn er wird berufen. Der Poet folgt seiner inneren Stimme, die von oben kommt. Er muß ein Poet sein müssen, denn der Poet ist der freieste Mensch, den es gibt. Er ist zumindest freier als andere Menschen. Er muß ein Poet sein können, denn auch wer kein Poet ist, ist ein Poet, wenn er ein Poet ist. Er muß kein Poet sein dürfen, denn der Mensch muß nicht alles dürfen, was er dürfen will. Er muß kein Poet sein. Es gibt auch Poeten, die keine Poeten sind. Er kann kein Poet sein. Er hat bisher stets versagt, also kann er kein Poet sein, denn ein Poet versagt nicht. Er ist die oberste historische Instanz seines Volkes, wenn nicht sogar seiner Zeit. Er darf kein Poet sein, denn was ist flüssiger als flüssig? Der Poet. Er ist bis zum Überfluß überflüssig. Er ist kein Poet. Die Zukunft gehört den Poeten, die keine mehr sind. - (baer)

Poeten (16) Nie erschien die Kraft des Genius deutlicher als in Racan; denn jenseits seiner Verse schien er keinen gemeinen Menschenverstand zu besitzen. Er hat die Züge eines Landmannes; er stottert und konnte nie seinen Namen aussprechen, denn das R und das C sind die beiden Buchstaben, die er am schlechtesten ausspricht. Mehrmals mußte er seinen Namen schreiben, um ihn verständlich zu machen. Im übrigen ein guter Kerl ohne Ränke.   - (tal)

Poeten (17)  Sie tapezieren mit sich selbst, und nichts kann sie erlösen. - Gottfried Benn

Poeten (18)  Der berühmte Dichter Fracastoro gesteht freimütig zu, daß alle Poeten verrückt sind, ebenso Scaliger- und wo würde Widerspruch laut? Jemand gefällt sich darin, wahnsinnig zu sein, d. h. Verse zu schmieden, so interpretiert Servius; alle Dichter sind nicht bei Sinnen, eine Gesellschaft bitterer Satiriker und Verleumder oder aber schmarotzender Claqueure. Und was ist die Poesie selbst, wenn nicht, so Augustinus, der von trunkenen Lehrern gereichte Wein des Irrtums. Auf alle paßt der Tadel, mit dem Thomas Morus einst nur die Gedichte des Germanus Brixius bedachte:

Im Narrenschiff treiben sie hin
und wohnen im Walde des Wahns. - (bur)

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Unterbegriffe

Hans Arp Gottfried Benn

Rilke Kafka ? ? ? ?

VB

Synonyme