Poesiealbum

oesiealbum Das junge Mädchen führte ein Poesiealbum; da klebte es immer Todesanzeigen und Unglücksfälle und Beispiele von geduldigem Leiden aus dem ›Presbyterianischen Beobachter‹ rein und verfaßte danach eigene Gedichte. Es waren sehr schöne Verse. Das folgende schrieb sie über einen Jungen namens Stephen Dowling Bots, der in einen Brunnen gefallen und ertrunken war:

Ode auf den verstorbenen
Stephen Dowling Bots

Jung-Stephen, litt er Schmerzen,
Rafft Krankheit ihn dahin?
Herrscht Gram in aller Herzen,
Ist trüb der Seinen Sinn?

Nein, andres war beschieden
Jung-Stephen Dowling Bots;
Hin ist der Seinen Frieden,
Doch nicht durch Krankheits Trotz.

Keuchhusten brach nicht seine Kraft,
Nicht haben fleckig-wild
Die Masern ihn dahingerafft,
Zerstört dies holde Bild.

Nicht fällte dieses Lockenhaupt
Ein Pfeil des Liebesgotts,
Kein Magenleiden hat geraubt
Uns Stephen Dowling Bots.

Dies alles nicht. Die Träne fällt
Bei meiner Saiten Spiel.
Die Seele floh die kalte Welt,
Der Leib ins Brunnloch fiel.

Man zog ihn raus, man leert' ihn aus;
Doch seine Zeit war um;
Sein Geist weilt nun im Vaterhaus,
Dort im Elysium.

Wenn Emmeline Grangerford solche Gedichte machen konnte, ehe sie vierzehn war, wer weiß, was sie da mit der Zeit noch alles fertiggekriegt hätte. - Mark Twain, Huckleberry Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)