Platztausch    Um aber ein Beispiel anzuführen, mit welcher Wucht eine Erscheinung des Traumes sich Anerkennung erzwingt, muß man sich den Eindruck vergegenwärtigen, den man empfängt, wenn plötzlich ein Gegenstand, den man für tot hielt, sich zu beleben beginnt oder, umgekehrt, wenn ein anscheinend Lebendiges sich als tot erweist. Der dämonische Eindruck eines Wachsfigurenkabinetts, dem sich so leicht niemand entzieht, gehört hierher; ebenso die mannigfaltige Welt, die sich um den Begriff der Maske gruppiert. In Gedichten Baudelaires wandelt die Seele lautlos durch eine zu Metall und schwarzem Marmor erstarrte Natur, während bei Hoffmann die Kristalle und Erze in den Schächten der Bergwerke sich magisch beleben oder umgekehrt hinter den Bewegungen des Lebens sich plötzlich die künstliche Mechanik, das spielende Uhrwerk einer Marionette offenbart. In der Maske betten sich Leben und Tod auf wundersame Weise ineinander ein; so kann man eine Sammlung von Masken, wie sie der Japaner zum Nô-Feste verwendet, nur mit Herzklopfen beobachten, und ich stehe nicht an, die dämonische Welt, die sich hier zum Ausdruck bringt, an Wucht jeder anderen für ebenbürtig zu halten.

Der Augenblick, in dem Leben und Tod die Plätze wechseln, besitzt etwas sehr Erschreckendes, und der Mensch schlägt, wenn er seinen Bann überwunden hat, nicht ohne Grund oft ein Gelächter an. Ich erinnere mich hier eines Verkäufers in einem Warenhause, der plötzlich inmitten einer Gruppe von Modepuppen Leben zu gewinnen schien, ich erinnere mich der ersten Toten im Kriege, die ich für schlafende Soldaten hielt. Das Leben ist reich an solchen Andeutungen; die Erscheinungen der Mimikry, jene Schmetterlinge, die welken Blättern gleichen und plötzlich zwei bunte Augen aufklappen, die Heuschrecken, die sich als dürre Zweige maskieren, während ihre gefährlichen Fangarme weit ausgebreitet sind, geben Zeugnis davon. Selbst Steine, von deren magischen Eigenschaften Albertus Magnus in seinem Buche über die Geheimnisse der Steine spricht, können erschrek-ken; und die weitverbreitete Auffassung des Opals als eines Trägers besonders bösartiger Kräfte erscheint recht einleuchtend, denn kein anderer Stein wacht unter dem Spiele des Lichtes zu einem so katzenhaft beweglichen Leben auf wie er.

Als solchen Augenblick einer stärksten Verwandlung habe ich es auch empfunden, wenn man im Kriege, vielleicht aus einer Rauchwolke heraustretend, in einer scheinbar toten Landschaft den Gegner zum Leben erwachen sah. Und ich hatte das Gefühl, daß eigentlich weniger der Mensch mit seinen feindlichen Absichten das Schreckliche war als die Überraschung, ihn so plötzlich leibhaftig zu sehen. Nichts war so geeignet, die mechanisch taktische Welt des Soldaten mit einem Schlage in die dämonische des Kriegers zu verwandeln wie dies. Nur so, nur durch einen plötzlichen Einsturz des Bewußtseins, kann ich mir auch die furchtbare Angriffslust erklären, die sich selbst von Grund auf vorsichtiger Naturen bemächtigte.   - (ej)

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