Platz (Straße)    (Diese Place Dauphine ist wohl einer der zutiefst zurückgezogenen Orte, die ich kenne, eines der schlimmsten terrains vagues, die es in Paris gibt. Jedesmal, wenn ich mich dort befand, fühlte ich mich alle Lust verlieren, anderswo hinzugehen, mußte ich mit mir selbst kämpfen, um mich aus einer sehr geschmeidigen, allzu angenehm zudringlichen und alles in allem erschöpfenden Umarmung zu befreien. Noch mehr, ich habe einige Zeit in einem Hotel neben diesem Platz gewohnt, dem »City Hotel«, wo das Kommen und Gehen zu jeder Stunde für den, der sich nicht mit allzu einfachen Lösungen begnügt, verdächtig ist.) Der Tag neigt sich. Um allein zu sein, lassen wir uns den Wein im Freien servieren. Während der Mahlzeit zeigt sich Nadja zum erstenmal sehr leichtfertig. Ein Betrunkener streicht ununterbrochen um unseren Tisch. Er stoßt laute, unzusammenhängende Worte hervor, im Ton des Protestes. Unter diesen Worten kehren immer wieder eines oder zwei obszöne wieder, die er besonders betont. Seine Frau, die unter den Bäumen steht und ihn beobachtet, beschränkt sich darauf, ihm von Zeit zu Zeit zuzurufen: »Gehen wir, kommst du?« Zu wiederholten Malen versuche ich ihn zu entfernen, aber umsonst. Als das Dessert kommt, beginnt Nadja um sich zu blicken. Sie ist sicher, daß sich unter unseren Füßen ein unterirdischer Gang hinzieht, der vom Justiz-Palast kommt (sie zeigt von welcher Stelle des Palastes, ein wenig rechts von der weißen Freitreppe) und um das Hotel Henri IV herumgeht. Sie beunruhigt sich bei dem Gedanken an das, was auf diesem Platz schon geschehen ist und was hier noch geschehen wird. Wo in diesem Augenblick im Schatten zwei oder drei Paare verschwinden, sieht sie eine ganze Menge. »Und die Toten, die Toten!« Der Betrunkene fährt mit seinen kläglichen Spaßen fort. Der Blick Nadjas schweift jetzt um die Häuser. »Siehst du das Fenster dort unten? Es ist schwarz, wie alle anderen. In einer Minute wird es hell werden. Es wird rot sein.« Die Minute vergeht. Das Fenster leuchtet auf. Es hat tatsächlich rote Vorhänge, fleh hedaure, aber ich kann nichts dafür, daß das vielleicht über die Grenzen des Glaubhaften geht. Doch in solchem Falle würde ich mir Vorwürfe machen, Partei zu nehmen: ich beschränke mich darauf, zuzugeben, daß dieses Fenster schwarz war und nun rot geworden ist, das ist alles.) Ich gestehe, daß mich jetzt die Angst packt, auch Nadja beginnt sie zu ergreifen. »Welch Entsetzen! Siehst du, was in den Räumen geschieht? Das Blau und der Wind, der blaue Wind. Ein einziges Mal nur habe ich über dieselben Bäume hier den blauen Wind gehen sehen. Das war dort, von einem Fenster des Hotel Henri IV aus, und mein Freund, der zweite von dem ich dir sprach, war im Begriff abzureisen. Da war auch eine Stimme, die sagte: Du wirst sterben, du wirst sterben. Ich wollte nicht sterben, aber ich empfand einen solchen Schwindel... Ich wäre sicher hinuntergefallen, wenn man mich nicht zurückgehalten hätte.« Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß wir weggehen.     - (nad)

Platz (Straße) (2) des Himmlischen Friedens

- N. N. (4. Juni 1989)


Platz (Straße) (3)

- Honoré Daumier

Straße


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