Plagegöttin  Von unsrer Wiege an verfolgen uns Vorurtheile, Schwachheiten, und Mängel, die uns das Drückende des Lebens in seiner ganzen Schwere fühlen lassen. Alle unsre Wünsche bleiben unerfüllt, unsre Pläne scheitern, unsre schönsten Hoffnungen, unsre blühendsten Aussichten verschwinden. Oft schein ich mir allein in der Welt zu seyn und um mich herum und in mir selbst scheinen mir nur Plaggöttinnen zu hausen, die mir das Vergnügen, das mir oft so herrlich, so wonnevoll meine Fantasie bildet, verscheuchen. Die traurigste Lage ist es gewiß, und ich weiß es aus einer leider jugendlichen Erfahrung: sich unterdrückt, mißhandelt und von Eigensinn und Laune gefesselt zu sehn, ohne Freund in dem Labyrinth trauriger Ideen und Gegenstände herum zu irren, seine Wisbegierde, das Drängen und Streben nach Ruhm und Belohnung gehemmt und gehindert und in elende, drückende menschliche, bürgerliche Verhältnisse sich gespannt zu sehn - Scepticismus an Allen, trauriger Menschenhaß muß unmittelbar daraus entstehen. --- Die schönsten Jahre der Menschheit, die herrliche Jugend, wo nur Grazien und Blumen sich an unsre Fantasie drängen, wo ein gewisses, unaussprechbares Gefühl von Unsterblichkeit, ewiger Dauer uns vergöttert, können sie in dieser Lage genossen und gefühlt werden. Unglücklicher, dem dies Schicksal zu Theil ward - bin ich der Unglückliche? - Höhere Jugend, höhere Freuden - Himlische Luft, Freyheit, Freiheit - die Welt hienieden ist ein Gefängniß.  - Novalis, Tagebuchblatt von 1790
 
 

Plage Göttin

 

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