Philosoph, natürlicher   CORINNUS Und wie gefällt Euch dies Schäferleben, Meister Probstein?
PROBSTEIN Wahrhaftig, Schäfer, an und für sich betrachtet ist es ein gutes Leben; aber in Betracht, daß es ein Schäferleben, ist, taugt es nichts. In Betracht, daß es einsam ist, mag ich es wohl leiden; aber in Betracht, daß es stille ist, ist es ein sehr erbärmliches Leben, Ferner in Betracht, daß es auf dem Lande ist, steht es mir an; aber in Betracht, daß es nicht am Hofe ist, wird es langweilig. Insofern es ein mäßiges Leben ist, seht Ihr, ist es nach meinem Sinn; aber insofern es nicht reichlicher dabei zugeht, streitet es sehr gegen meine Neigung. Verstehst Philosophie, Schäfer?  
CORINNUS Mehr nicht, als daß ich weiß, daß einer sich desto schlimmer befindet, je kränker er ist; und wems an Geld, Gut und Genügen gebricht, daß dem drei gute Freunde fehlen; daß des Regens Eigenschaft ist, zu nässen, und des Feuers, zu brennen; daß gute Weide fette Schafe macht und die Nacht hauptsächlich vom Mangel an Sonne kommt; daß einer, der weder durch Natur noch Kunst zu Verstand gekommen wäre, sich über die Erziehung zu beklagen hätte oder aus einer sehr dummen Sippschaft sein müßte.
PROBSTEIN So einer ist ein natürlicher Philosoph. Warst je am Hofe, Schäfer?
CORINNUS Nein, wahrhaftig nicht.
PROBSTEIN So wirst du in der Hoile gebraten.
CORINNUS Nein, hoff ich.
PROBSTEIN Wahrhaftig, du wirst gebraten wie ein schlecht geröstet Ei, nur an einer Seite.
CORINNUS Weil ich nicht am Hofe gewesen bin? Euren Grund!
PROBSTEIN Nun: wenn du nicht am Hofe gewesen bist, so hast du niemals gute Sitten gesehn. Wenn du niemals gute Sitten gesehn hast, so müssen deine schlecht sein, und alles Schlechte ist Sünde, und Sünde führt in die Hölle. Du bist in einem verfänglichen Zustande, Schäfer.
CORINNUS Ganz und gar nicht, Probstein. Was bei Hofe gute Sitten sind, die sind so lächerlich auf dem Lande, als ländliche Weise bei Hofe zum Spott dient. Ihr sagtet mir, bei Hofe verbeugt Ihr Euch nicht, sondern küßt Eure Hand. Das wäre eine sehr unreinliche Höflichkeit, wenn Hofleute Schäfer wären.
PROBSTEIN Den Beweis, kürzlich, den Beweis?
CORINNUS Nun, wir müssen unsre Schafe immer angreifen, und ihre Felle sind fettig, wie Ihr wißt.
PROBSTEIN   Schwitzen  die Hände unserer Hofleute  etwa nicht, und ist das Fett von einem Schafe nicht so gesund wie der Schweiß von einem Menschen? Einfältig! einfältig! Einen besseren Beweis! her damit!
CORINNUS Auch sind unsre Hände hart.
PROBSTEIN Eure   Lippen  werden   sie   desto   eher  fühlen. Wiederum einfältig! Einen tüchtigeren Beweis!
CORINNUS   Und   sind  oft  ganz  beteert  vom  Bepflastern unsrer  Schafe.  Wollt Ihr,  daß  wir Teer  küssen sollen? Die Hände der Hofleute riechen nach Bisam.
PROBSTEIN Höchst einfältiger Mensch! Du wahre Würmer-spcise gegen ein gutes Stück Fleisch! Lerne von den Weisen und erwäge! Bisam ist von schlechterer Abkunft als Teer: der unsaubre Abgang einer Katze. Einen bessern Beweis, Schäfer!
CORINNUS Ihr habt einen zu höfischen Witz für mich; ich lasse es dabei bewenden.
PROBSTEIN Was? bei der Hölle? Gott helfe dir, einfältiger Mensch! Gott eröffne dir das Verständnis! Du bist ein Strohkopf.
CORINNUS Herr, ich bin ein. ehrlicher Tagelöhner; ich verdiene, was ich esse, erwerbe, was ich trage, hasse keinen Menschen, beneide niemandes Glück, freue mich über andrer Leute Wohlergehn, bin zufrieden mit meinem Ungemach, und mein größter Stolz ist, meine Schafe weiden und meine Lämmer saugen zu sehn.
PROBSTEIN  Das ist wieder eine einfältige Sünde von Euch, daß Ihr die Schafe und Böcke zusammenbringt und Euch nicht schämt, von der Begattung des Viehes Euren Unterhalt zu ziehn; daß Ihr den Kuppler für einen Leithammel macht und so einjähriges Lamm einem schiefbeinigen alten Hahnrei von Widder überantwortet gegen alle Regeln des Ehestandes. Wenn du dafür nicht in die Hölle kommst so will der Teufel selbst keine Schäfer; sonst sehe ich nicht wie du entwischen könntest.  - Shakespeare, Wie es euch gefällt
 
 

 

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