Gedicht über Phantasie |
Öl Schweiß Gerüche Schweißkolben Treppengeruch Bettgeruch da muß man die Hand die anfaßt umfaßt um Hartes um Weiches Metall Zebedäi reinschicken sich hin und her gerollt Kastanien Kopf ganz wie sagt man voll von schmutzigen schmutzige Phantasie ge- steigert zu dem Bedürfnis zu sagen von mannigfaltig Verwicklung in der sich konkret durch die Umstände auseinandergebogener Schenkel verrenkt Geschmack der Pulpa Klitorides Anastatica Hierochuntica Dös- chen zu bürsten es tun Nummer schieben Stoßgeschäft verkrampfte Vagina aus Angst Kinder zu kriegen die Sacknaht zu lecken die immer die gleiche Figur kopf- über verzerrt kürzer sich außer von unten geschraubter Hintern stumm sich verschiebende Phase verbraucht unverbraucht schlapp ausgehöhlt ausgearbeitet schwach besetzt und kräftig ausgebildet schwach aus- gebildet und kräftig besetzt sperrbeinig sperrfleischig Spalt spalten glatt kalt weich heiß Rückbezug Rücken- zug besonders ermüdend Ausschweifungen vor dem Spiegel Damenbesuch nur an Nachmittagen Schlüpfer- jagd als Ventil and the question as to how many times a night a man can do it is a favorite topic of grau still des Juli morgens Wand lila sperrbeinig auseinan- dergebogen talsohlenflach naß erschöpft was ist der des Sexuellen Tropfenglanz Zauber warum so gro- ßen ersten Blicks dans des cas pareils sperrbeinig sperrbildrig fenstersturzläuternd c‘est toujours un- bedacht blindlings die gleiche Sache |
- Helmut Heißenbüttel, nach: Dein Leib ist mein Gedicht.
Deutsche erotische Lyrik aus fünf Jahrhunderten. Hg. Heinz Ludwig
Arnold, Frankfurt am Main u.a. 1973
Phantasie (2) Die Polizei ist
nicht unbedingt dazu da, die Bürger vor ihren Fantasien zu schützen. Die
Beamten können auch nicht vorab entscheiden, ob jemand ernsthaft jemanden töten
und verzehren will oder ob es sich um kranke
Fantasien handelt. So steht die Polizei vor einem gewaltigen Berg, der nicht
zu überschauen ist. - Burkhard Schröder, Tagesspiegel 17.12.2002
Phantasie (3) »Die
Phantasie ist kein Schaffen. Die Phantasie ist ein Erwärmen dessen, was schon
da ist. Es gibt kein Schaffen« - (
bleist
)
Phantasie (4)
Etwas Höheres als die Einbildungskraft
ist die Phantasie oder Bildungkraft, sie ist die Welt-Seele der Seele und der
Elementargeist der übrigen Kräfte; darum kann eine große Phantasie zwar in die
Richtungen einzelner Kräfte, z. B. des Witzes, des Scharfsinns u. s.w., abgegraben
und abgeleitet werden, aber keine dieser Kräfte lasset sich zur Phantasie erweitern.
Wenn der Witz das spielende Anagramm
der Natur ist: so ist die Phantasie das Hieroglyphen-Alphabet derselben,
wovon sie mit wenigen Bildern ausgesprochen wird. Die Phantasie macht alle Teile
zu Ganzen - statt daß die übrigen Kräfte und die Erfahrung aus dem Naturbuche
nur Blätter reißen - und alle Weltteile zu Welten, sie totalisieret alles, auch
das unendliche All. - Jean Paul, Vorschule der Ästhetik. München 1974 (zuerst
1804 ff.)
Phantasie (5)
Ich weiß, daß die Phantasie das Unsittliche, das geistig Tierischste
am liebsten mag. Indes weiß ich auch, wie sehr alle Phantasie wie ein Traum
ist, der die Nacht, die Sinnlosigkeit und die Einsamkeit liebt. Der Traum und
die Phantasie sind das eigenste Eigentum, sie sind höchstens für zwei, aber
nicht für mehrere Menschen. Man darf sich nicht dabei aufhalten, am wenigsten
sie verewigen. - Novalis an Caroline Schlegel,
nach Hugo
Ball: Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992 (zuerst 1927)
Phantasie (6) DER MENSCH Was hältst du, Intelligenz, eigentlich von der Phantasie?
DIE INTELLIGENZ: Ich mag Ungewißheit nicht.
In diesem Augenblick erscheint PHANTASIE, so wie die Intelligenz ihn beschrieben hat: ein großer und hagerer Alter mit einem Bart wie ein Habsburger, in langem Gehpelz und mit einer Bärenfellmütze auf dem Kopf; sein Gesicht ist von nervösen Ticks befallen; wenn er spricht, greift er nach dem imaginären Rockaufschlag eines unsichtbaren Gesprächspartners; unter den Arm hat er sich Boulevard Saint Germain Nr. 125 von Benjamin Péret geklemmt. Nur eins scheint wirklich seltsam an ihm: nämlich daß er mit einem Rollschuh am linken Fuß einhergeht, während er den rechten direkt auf die Erde setzt.
REDE DER PHANTASIE
Krieg ist Krieg: Ihr alle, die ihr stets gute Miene zum bösen Spiel macht, habt eure Rechnung ohne mich gemacht. Von einer Illusion zur anderen erliegt ihr immer wieder der Illusion Realität. Dabei habe ich euch alles gegeben: das Blau des Himmels, die Pyramiden, die Automobile. Warum verzweifelt ihr an meiner Laterna magica; Ich halte für euch eine Unzahl grenzenloser Überraschungen bereit. Von der Macht des Geistes, das habe ich 1819 den deutschen Studenten gesagt, ist alles zu erhoffen. Seht nur, wie bereits reine chimärische Schöpfungen euch zu Herren eurer selbst gemacht haben. Ich habe das Gedächtnis, die Schrift, die Infinitesimalrechnung erfunden. Es gibt noch weitere große Entdeckungen, die man nicht ahnte und die den Menschen seinem Bilde entfremden werden, da das Wort mit seiner großen Trunkenheit ihn von den stummen Geschöpfen, die ihn umgeben, unterscheidet. Was murmelt ihr da? Nein, es handelt sich nicht um Fortschritt: Ich bin nur ein Kokshändler und in meinem Schnee, euerem Manna der Erinnerung und selbst der experimentellen Methode findet ihr den leichten Rausch des Wahns. Alles ist bedingt durch Phantasie und Phantasie offenbart alles. Das Telefon scheint nützlich zu sein: glaubt das bloß nicht, seht euch lieber an, wie der Mensch sich am Hörer verkrampft und Hallo! ruft. Was ist er anderes als ein Süchtiger des Lauts, volltrunken vom besiegten Raum und von der übermittelten Stimme? Meine Gifte sind die euren: hier sind die Liebe, die Kraft, die Geschwindigkeit. Wollt ihr Leiden, den Tod oder Gesänge?
Heute bringe ich euch ein Rauschgift, das von den Grenzen des Bewußtseins,
dem Rande des Abgrunds kommt. Was habt ihr in den Drogen bisher anderes gesucht
als ein Gefühl von Macht, schöne Selbstherrlichkeit und die freie Entfaltung
euerer Fähigkeiten im Leeren. Das Mittel, das euch zu bieten ich die Ehre habe,
verhilft euch zu alledem, verschafft euch auch ungeahnte, immense Vorteile,
es übertrifft eure Wünsche, erweckt sie und läßt
euch neue verrückte Wünsche haben; aber seid euch darüber im klaren: die diesen
Zaubertrank des Absoluten in Umlauf bringen, sind Gegner der Ordnung. -
(ara)
Phantasie (7)
Wenn das Linksstehen mit keinerlei äußeren
Schwierigkeiten - objektiven Schwierigkeiten - verbunden ist, dann müssen wir
es von innen her angreifen, denn sonst ist die Linke nicht länger die Linke,
und das heißt Symbol des Neuen, der Kreativität, der Phantasie (das große, das
wahrste und richtigste Wort der 68er Bewegung in Frankreich), der Kraft.
-
(scia)
Phantasie (8)
Phantasie (9)
Der Hang zum Wunderbaren und Außerordentlichen liegt so tief in
unserer Seele, daß ersieh niemals auswurzeln läßt; die Phantasie, ob sie gleich
nur zu den untern Seelenfähigkeiten gehöret, herrscht wie eine hübsche Magd
gar oft über den Herrn im Hause über den Verstand. Der menschliche Geist ist
also geartet, daß ihm nicht immer an Realitäten genügt; seine grenzenlose Tätigkeit
wirkt in das Reich hypothetischer Möglichkeiten hinüber, schifft in der Luft
und pflügt im Meere. Was wäre das enthusiastische Volk unserer Denker, Dichter,
Schweber, Seher ohne die glücklichen Einflüsse der Phantasie? Aber auch selbst
der kalte Vernünftler gestattet ihr zuweilen ein vertrauliches tête-à-tête,
wirft Möglichkeit und Wirklichkeit
durcheinander und bildet sich unterhaltende Träume oder nutzt die Erfindungen
einer fremden Zauberlaterne, um seinen philosophischen Forschungsgeist damit
zu nähren . - Johann Karl August Musäus
Phantasie (10)
In den Salzminen von Hallein bei Salzburg
werfen die Bergleute in die Tiefe der verfallenen Schächte einen vom Winter
entlaubten Zweig. Zwei oder drei Monate später finden sie ihn, durch die Einwirkung
des salzgesättigten Wassers, das diesen Zweig benetzt und nach der Verdunstung
Rückstände hinterläßt, über und über mit glitzernden Kristallen
bedeckt. Auch die kleinsten Zweiglein, nicht größer als das Füßchen einer Meise,
sind mit einer Unzahl von winzigen lockeren und glitzernden Kristallen überzogen.
Den eigentlichen Zweig kann man nicht mehr erkennen; er ist zum hübschen Kinderspielzeug
geworden. - (stend)
Phantasie (11)
Die menschliche Phantasie ist trotz aller scheinbaren Ungebundenheit so beschaffen,
daß wir uns etwas, was es nie gegeben hat, auch nicht vorstellen
können. (Auch die schauerlichsten Fabelwesen eines Hieronymus Bosch
entpuppen sich bei näherer Betrachtung als willkürlich zusammengesetzt
aus den Körperteilen real vorkommender Tiere.) - Hoimar von Ditfurth,
Im Anfang war der Wasserstoff. München 1985 (zuerst 1972)
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