flanzenleben Eine Pflanzendecke in irgendeinem Teil der Erde zu irgendeiner sehr fern zurückliegenden Zeit können wir uns denken. Da wir nicht über Urgeschichte des Lebens nachdenken wollen, sondern nur über Entwicklung, genügt es, auf einen solchen fernen Zeitpunkt zurückzugehen.
Bei dieser Pflanzendecke gibt es verschiedene Ereignisse: Die gedachten Pflanzen wachsen ein erstes Jahr. Sie vermehren sich etwa durch Teilung oder Sporen. Teile von ihnen sind gewelkt, verwest.
Wenn die ersten Pflanzen an diesem Ort sehr mühsam auf erodiertem Gestein aufgebaut haben, so findet die zweite Jahresschicht bereits die Vorarbeit der ersten Generation vor. Ganz gewiß ist es für eine Pflanze leichter, auf der bereits verwesten Vorarbeit ihrer vorigen Generation aufzubauen. Diese Tatsache hat sich endlose Zeiten hindurch in der ganzen Pflanzenwelt bestätigt. Das erste also, was wir als Tatsache im Pflanzenleben annehmen dürfen, ist, daß geleistete Arbeit nicht verlorengeht. In der gedachten Pflanzenschicht kann in immer folgenden Generationen die eigne Lebensarbeit also nur immer weiter erleichtert werden. Wenn die der gedachten Pflanze eigne Lebensenergie nicht abnimmt, so wird sie, verglichen mit der ersten Generation, eine steigende Entwicklung durchmachen, die auf Erleichterungen beruht.
Eine zweite Tatsache auf einem solchen Pflanzenareal aber können wir für
die allerfernste Zeit anerkennen: Die gewachsenen Pflanzen wurden von Tieren
gefressen. Es ist gleichgültig, ob die Pflanzen geradezu abgeweidet wurden,
ob bestimmte Teile der Pflanzen gefressen wurden, ob etwa auch nur die verwesenden
Teile, die zur Erde gefallen waren, Nahrung von Tieren wurden. Durchaus gewiß
bleibt aus unsrer gesamten Erfahrung, daß Pflanzen überhaupt gefressen
werden. - Ernst Fuhrmann, Was die
Erde will. Eine Biosophie. Münchnen 1986 (zuerst 1930)
Pflanzenleben (2) Der Existentielle
will nicht den Satz übernehmen, den er kürzlich las: Ein Weißer versteht in
der Tat nichts vom Wesen der Dinge. Aber ihm scheint, daß zum Beispiel das Basrelief
des Khmertempels in Angkor Vat, auf dem der Mensch aus den geometrisch gearbeiteten
Reihen der Elefanten, der Possenreißer, der Schlangen, der Götter, der Diebe
und der Gurken überhaupt nicht hervortritt, wo alles von Verwandlung wimmelt,
der Milchozean gebuttert wird, die asiatischen Michelangelos und kambodjanischen
Berninis das Leben ohne Tod in einem Kanon der Verschlingung, in einer Architektur
von geordneten Wucherungen, höchstens als pflanzliche Katastrophe zum Ausdruck
bringen, daß dies ebenso aus dem Keim der Seele stammt, ebenso adamitisch existentiell
ist wie die Empfindung" einer dialektischen Bewegung der Welt- „Jedermann
ist an seinem Platz" - die Fledermäuse und die Flammentulpen und die Bajaderen,
die Vermählten der Musik. Hier ist völlige Freiheit von Ananke; Unkenntnis oder
Verachtung von Gesetzen, Ordnungen, individuellen Kategorien, von Normen, dabei
ist Sicherheit und Vergessen; Geburt und Auflösung ist die der Pflanze. Die
Großartigkeit und Gültigkeit dieser hinterindischen Seele ist ganz evident.
- Gottfried Benn, Roman
des Phänotyp. Landsberger Fragment 1944. In: G. B.,
Prosa und Szenen. Ges. Werke Bd. 2. Wiesbaden 1962
|
||
|
|