»Ein Pferd?«
»Ein Pferd, und zwar in allem außer den äußerlichen Externalitäten, denn er hatte Jahre seines Lebens - viel zu viele, bei allen Pfeifern, als sicher und bekömmlich ist - im Sattel verbracht. Meist war er faul und verhielt sich ruhig, aber hin und wieder brach er in einen schnittigen Galopp aus und setzte in vollendeter Haltung über die Hecken. Haben Sie je einen Mann auf zwei Beinen galoppieren sehen?«
»Nein.«
»Nun, es heißt, das sei ein großartiger Anblick. Er sagte immer, er habe das Grand National gewonnen, als er noch bedeutend jünger gewesen sei, und er pflegte seine Familie mit Erzählungen über seine schwierigen Sprünge und deren unüberwindliche Höhe zu Tode zu ärgern.«
»Und der Großvater hat sich diesen Zustand durch zuviel Reiten zugezogen?«
»Sie haben es erfaßt. Mit seinem alten Hengst Dan war es genau umgekehrt. Er machte ständig Ärger, kam nachts ins Haus, nahm sich tagsüber Freiheiten mit jungen Mädchen heraus und beging so viele beklagenswerte Ordnungswidrigkeiten, daß man ihn schließlich erschießen mußte. Die polis zeigte damals nicht das spärlichste Verständnis. Sie sagte, sie werde das Pferd festnehmen und anklagen und dem Magistrat vorführen müssen, wenn es nicht umgebracht würde. Also hat die Familie das Pferd erschossen, aber wenn Sie mich fragen, war es mein Großvater, der erschossen, und das Pferd, das auf dem Friedhof von Cloncoonia beigesetzt wurde.«
Der Sergeant begann, über seine komplizierten Ahnen nachzusinnen, besaß aber die Geistesgegenwart, der Kellnerin mit seiner Pfeife zu winken und eine weitere Dosis der beruhigenden Arznei zu bestellen.
»Gewissermaßen«, überlegte Mick, »hatte Ihr Großvater es gar nicht so übel
getroffen. Ich meine, ein Pferd ist wenigstens ein Geschöpf, ein Lebewesen,
der Genosse des Mensehen auf Erden, und es gilt überall als edles Tier. Wenn
es sich dagegen um ein Schwein gehandelt hätte
. . .« - Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte
vom harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen
ins Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche
übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)
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