ferdegesicht   Vor ihrer Ehe war Mrs. Bickleigh eine Crewstanton gewesen. Sie war in allem, außer ihrem Namen, noch heute eine Crewstanton. Das zeigte sie ihrem Mann täglich mehrmals. Während ihrer kurzen Verlobungszeit hatte sie ihrem Bräutigam nicht etwa einmal, sondern wiederholt mitgeteilt, daß es ihrer Großmutter ebensowenig eingefallen wäre, sich mit ihrem Arzt an einen Tisch zu setzen wie mit ihrem Hausdiener. Dabei hatte sie ein Gesicht gemacht, als würde sie ihm damit eine interessante Neuigkeit mitteilen. Und hier wäre nun sie, Julia, und dächte wirklich daran, einen Arzt zu heiraten. Das genügte wahrhaftig, betonte Julia dann mit kurzem Auflachen, daß ihre Großmutter sich im Grabe umdrehte. Und Dr. Bickleigh gab zu, daß dies genügte. Recht häufig hatte ihn seine Frau seitdem an diese seltsame Schicksalsfügung erinnert. Ebensooft sah Dr. Bickleigh ein, welches Glück es war, daß die Großmutter dies nicht mehr erleben mußte.

Denn die Crewstantons, einst eine der bedeutendsten Familien von Devonshire, waren erschreckend heruntergekommen. Sir Charles, der zwölfte Baronet, hatte die erdrückenden Steuern bezahlt, indem er Stücke und Streifen der ausgedehnten Ländereien der Crewstantons verkaufte, anstatt seine Lebensweise zu ändern. Jetzt wohnte er mit seiner zweiten Tochter in einer kleinen Villa am Rande von Torquay, wo er zornig ins Grab sank, so schnell unbegrenzter Whisky-Genuß ihm dazu verhelfen konnte.

Die Ländereien der Crewstantons waren weg. Drei Crewstanton-Söhne, jeder mit einem Diener und unbegrenztem Taschengeld aufgezogen, vegetierten nun elend dahin. Der eine tat, als verwalte er eine Bananenpflanzung in Jamaika, ein anderer gab vor, er mache sich in einer Fabrik für Verbandstoffe in Derby nützlich, und der dritte machte sich als einziger seine teure Erziehung zunutze, indem er durch seine Gewandtheit in Bridge, Billard und Poker ein verhältnismäßig behagliches Leben führte. Nur der vierte, der jüngste, hatte wirklichen Erfolg im Leben gehabt: Er war mit einer bekannten Schauspielerin verheiratet, die ihn mehr oder weniger in dem Stil aushalten konnte, an den man ihn gewöhnt hatte.

Julia, die wählen mußte zwischen einer Heirat mit einem Mann, den ihre Großmutter nie zu Tisch gebeten hätte, und einer unvermeidlichen Übersiedlung mit der jüngeren Schwester in einen Haushalt in Torquay, hatte nicht einen Augenblick gezögert.

Nicht, daß sie Edmund jemals dankbar gewesen wäre. Fünfunddreißig Jahre alt, seit Jahren ohne alle Hoffnung auf eine Heirat, mit einem Gesicht, das dem ihres Lieblingspferdes glich - das alles wog nichts gegen die Tatsache, daß sie eine Crewstanton war. Für Julia gab es nur ein Maß, und das war die Abstammung. Dankbar mußte nur Edmund sein. - Francis Iles, Vorsätzlich. München o. J. (Goldmann 3059, zuerst 1931)

 

Gesicht, weibliches Pferd Pferdephysiognomik

 

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