Pfauenschrei    Sie sagte, sie gärtnere gerade. Ein Bursche stak hinten im Park Erde um. Pfiff dabei. Die Pfauen müßten sie abschaffen. Die Nachbarn reklamierten. Sie hätten ein halbes Jahrhundert reklamiert. Aber ihr Vater liebe Pfauen. Sie glaube, nur um die Nachbarn zu ärgern. Er habe die Pfauen einfach schreien lassen. Trotz der Polizei, die von Zeit zu Zeit vorgesprochen habe. Der Pfauenschrei sei das Gräßlichste, was man hören könne. Die Häuser um sie herum hätten der Pfauen wegen an Wert verloren. Der Bodenpreis sei gesunken. Ihr Vater hätte alles aufgekauft. Die Nachbarn hätten nicht mehr zu reklamieren gewagt. Dann schenkte sie mir Tee ein. Ihr Vater sei ein Ungeheuer, sagte ich. Das könne sein, sagte sie. Ob sie das Manuskript gelesen habe? Überflogen, antwortete sie. Spät habe sie geliebt, meinte ich, darüber hatte er Hemmungen zu schreiben, und auch sie habe ihn einmal geliebt. Der gute Spät, sagte sie, die einzige, die er je geliebt habe, sei Daphne gewesen, über die schreibe er auch am lebendigsten. Die Liebe zu ihr, Helene, bilde er sich nur ein. Habe er sich eingebildet, stellte ich richtig, der gute Spät sei vor vierzehn Tagen gestorben, im Stüssital. »Der Tee ist kalt geworden«, sagte sie und goß den Inhalt ihrer Tasse über die Terrasse auf den mit gelbem Laub bedeckten Rasen, vor die Füße des Gärtner jungen, der frech pfeifend vorbeilief.

Dann schrien die Pfauen. Das täten sie um diese Zeit sonst nicht, erklärte sie, sie würden gleich aufhören. Aber die Pfauen hörten nicht auf. Wir sollten am besten hineingehen, sagte sie, und wir gingen hinein, schlössen die Flügeltüre, setzten uns in zwei Fauteuils, zwischen uns ein kleiner Spieltisch. Cognac? Bitte. Sie schenkte ein. Die Pfauen schrien draußen weiter, stur, unheimlich.  - Friedrich Dürrenmatt, Justiz. Zürich 1987

Pfau Schrei


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