eyote Nach zehn Minuten wurde mir von dem Peyote schlecht. Alle redeten mir gut zu: »Behalt das Zeug unten, Mann.« Ich hielt noch einmal zehn Minuten durch, dann stürzte ich ins Klo und wollte das Handtuch werfen. Es ging nicht. Mein ganzer Körper wurde vom Brechreiz geschüttelt, doch das Peyote kam nicht hoch. Unten bleiben wollte es allerdings auch nicht.
Schließlich kam es mir hoch, hart wie ein Ball aus Roßhaar. Es blieb einen Augenblick im Hals stecken, dann würgte ich es vollends heraus. Ich hatte selten so etwas Widerwärtiges erlebt.
Nach einer Weile wurde ich langsam high. Das High von Peyote hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von Benz-edrin. Die Pupillen sind geweitet, und man bleibt hellwach. Alles sieht wie ein Peyote-Kaktus aus.
Anschließend fuhren Cash, Pete und ich mit den Whites hinaus nach Lomas, wo Cash eine Bude hatte. Johnny sagte: »Seht euch mal die Bank da drüben an. Sieht aus wie 'n Peyote-Kaktus.«
Ich wandte den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen, und dachte: ›Wie kann man sich bloß sowas Albernes einbilden...‹ Doch das Ding sah tatsächlich wie ein Peyote-Kaktus aus. Wo ich auch hinsah - ich sah nur noch Peyote.
Unsere Gesichter schwollen unter den Augen an, und unsere Lippen wurden dick.
Anscheinend wirkte die Droge auf bestimmte Drüsen. Wir sahen alle wie Indianer
aus. - (
jun
)
Peyote (2) Jede der Peyote-Pflanzen auf dem Feld leuchtete in einem blauen funkelnden Licht. Eine Pflanze hatte ein sehr helles Licht. Ich setzte mich vor sie und sang ihr meine Lieder. Während ich sang, kam Mescalito aus der Pflanze - dieselbe menschenähnliche Gestalt, die ich zuvor gesehen hatte. Er sah mich an. Mit großem Mut, gemessen an meinem Temperament, sang ich zu ihm. Ich hörte Klänge von Flöten oder von Wind, es war eine vertraute Klangvibration. Er schien wie vor zwei Jahren gesagt zu haben: »Was willst du?«
Ich sprach sehr laut. Ich sagte, daß ich wüßte, daß etwas in meinem Leben und meinen Handlungen nicht in Ordnung sei, aber ich könne nicht herausfinden, was es sei. Ich flehte ihn an, mir zu sagen, was mit mir nicht stimmte, und ich bat ihn, mir seinen Namen zu sagen, so daß ich ihn rufen könne, wenn ich ihn brauchte. Er sah mich an, dehnte seinen Mund wie eine Trompete bis an mein Ohr und sagte mir dann seinen Namen. Plötzlich sah ich meinen eigenen Vater in der Mitte des Peyote-Feldes stehen, aber das Feld war verschwunden, und das Bild war mein altes Zuhause, das Zuhause meiner Kindheit. Mein Vater und ich standen an einem Feigenbaum. Ich umarmte meinen Vater und begann, ihm hastig Dinge zu erzählen, die ich nie zuvor hatte sagen können. Jeder meiner Gedanken war prägnant und genau. Es war, als hätten wir wirklich keine Zeit und ich müßte alles auf einmal sagen. Ich sagte phantastische Dinge über meine Gefühle zu ihm, Dinge die ich unter gewöhnlichen Umständen niemals hätte aussprechen können.
Mein Vater sprach nicht. Er hörte nur zu und wurde dann gezogen oder fortgesogen. Ich war wieder allein. Ich weinte vor Reue und Traurigkeit.
Ich ging durch das Peyote-Feld und rief den Namen, den Mescalito mich gelehrt hatte. Etwas tauchte aus einem seltsamen, sternförmigen Licht einer Peyote-Pflanze auf. Es war ein langes, glänzendes Objekt - ein leuchtender Lichtstab in der Größe eines Mannes. Einen Augenblick lang erleuchtete er das ganze Feld in einem starken gelblichen oder bernsteinfarbenen Licht, dann erleuchtete er den ganzen Himmel darüber zu einem gewaltigen, herrlichen Anblick. Ich dachte, ich würde erblinden, wenn ich es weiter ansah. Ich bedeckte meine Augen und vergrub meinen Kopf in meinen Armen.
Ich hatte eine klare Vorstellung, daß Mescalito mich aufgefordert hatte, noch einen Peyote-kwrfttfi zu nehmen. Ich dachte: »Ich kann es nicht tun, denn ich habe kein Messer, um ihn zu schneiden.« »Iß einen vom Boden«, sagte er auf die gleiche, merkwürdige Art zu mir.
Ich lag auf dem Bauch und kaute die Spitze einer Pflanze. Sie entbrannte in mir. Sie erfüllte jeden Winkel meines Körpers mit Wärme und Offenheit. Alles lebte. Alles hatte herrliche und verwirrende Augenblicke und doch war alles so einfach. Ich war überall, ich konnte hinauf, hinunter und um mich sehen, alles zur gleichen Zeit.
Dieses Gefühl dauerte so lange, daß ich es bewußt erlebte. Dann verwandelte
es sich in grausame Furcht, Furcht, die mich nicht plötzlich, sondern irgendwie
flüchtig überfiel. Zuerst wurde meine herrliche Welt des Schweigens durch scharfe
Geräusche erschüttert, aber ich machte mir keine Gedanken. Dann wurden die Geräusche
lauter und blieben ununterbrochen, so als wollten sie mich einschließen. Langsam
verlor ich das Gefühl, in einer Welt zu treiben, die geschlossen, unempfindlich
und herrlich war. Die Geräusche wurden zu riesigen Schritten. Etwas Gewaltiges
atmete und bewegte sich neben mir. Ich glaubte, es war hinter mir her. Ich rannte
und versteckte mich hinter einem Felsen und versuchte, von dort festzustellen,
was mir folgte. Für einen Augenblick kroch ich aus meinern Versteck, um zu sehen.
Aber wer immer mein Verfolger war, er überwältigte mich. Er war wie Seetang.
Er warf sich auf mich. Ich glaubte, sein Gewicht würde mich zerschmettern, aber
ich fand mich in einem Rohr oder einer Mulde wieder. Ich sah deutlich, daß der
Tang nicht die ganzes Fläche um mich bedeckt hatte. Unter dem Felsen war ein
Stück des Bodens freigeblieben. Ich begann unter ihn zu kriechen. Ich sah große
Tropfen Flüssigkeit von dem Tang fallen. Ich »wußte«, daß er Verdauungssäfte
ausschied, die mich auflösen sollten. Ein Tropfen fiel auf meinen Arm, ich versuchte
die Säure mit Erde und Speichel abzureiben, während ich weitergrub. Einmal war
ich beinahe körperlos. Ich wurde zu einem Licht in die Höhe gestoßen. Ich glaubte,
der Tang hätte mich aufgelöst. Ich erkannte verschwommen ein Licht, das heller
wurde. Es schob sich unter der Erde hervor, bis es schließlich ausbrach und
ich die Sonne erkannte, die hinter den Bergen aufstieg. -
Carlos Castaneda, Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens. Frankfurt
am Main 1980
Peyote (3) Kauymáli wollte eine Art
finden, sich vor den schlechten Folgen der schwarzen Magie des Daturamannes,
aus dessen Körper Wölfe, Silberlöwen, Unzen, Schlangen und andere Tiere, die
noch heute die Huichol bedrohen, herausgekommen sind, zu schützen. Da diese
Tiere der Sonne gehören, sollte Kauymáli ihren Befehlen folgen. Um sie zu bekommen,
ist er mit seinem Boot zu der Sonne gefahren und hat mit ihr gesprochen. Eine
Feier ist vorbereitet worden, und die Sonne hat zehn ›peyotes‹ auf den Altar
gelegt, um dem Volk zu zeigen, daß die Feier erfolgreich sein würde. Das hat
alle Huichol, die ›peyote‹ und Bier gemischt haben, glücklich gemacht. Sie haben
aber dieses Getränk zu sich genommen, bevor die Feier zu Ende war, und sie waren
alle betrunken. Sie sind derart um den Verstand gebracht worden, daß Kauymáli
sich davor fürchtete, daß sie bald sterben würden. Kauymáli hat sie retten können,
indem er auf den übriggebliebenen ›peyote‹ spuckte und den Leuten ein Blatt
davon gab. Darauf ist das Volk sofort ruhig geworden. So konnte Kauymáli den
Mythos weitersingen. Während Kauymáli sang, hat er geträumt, daß die Wut der
Sonne, welche von den falschen Gesängen des Daturamannes verursacht worden war,
erst dann besänftigt werden würde, wenn das Volk zeremonielle Gegenstände zu
den Feldern von San Luis Potosi gebracht haben würde. Dort wächst die Peyotewurzel
reichlich. Nachdem der Gesang des Kauymäli beendet worden war, fing der Tanz
des >peyote< beim Klang des Hirschhorns an. In Befolgung der Befehle der
Sonne ist der Tanz in den vier Himmelsrichtungen aufgeführt worden, damit alle
Gäste zuschauen konnten. Der Tanz hat fünf Tage ohne Unterbrechung gedauert,
und während dieses Zeitraums haben die Huichol auf Essen und Trinken verzichtet.
- Märchen aus Mexiko. Hg. Felix Karlinger und Maria Antonia Espadinha.
Düsseldorf u. Köln 1991 (Diederichs, Die Märchen der Weltliteratur)
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