Fersonal   Die eine hieß Frenchy. Sie war eine Italienerin, scharfzüngig und geschwätzig, temperamentvoll, mit Haar so schwarz wie Teer und einer dunklen, rosinenbraunen Haut, die immer gut roch und sehr warm war. Sie hatte große Titten, eine schmale Taille und die beweglichsten Hüften, die ich jemals gesehen habe - als ob sie auf einem Drehstuhl saß. Sie konnte sie in alle Richtungen drehen. Sie war quirlig und lief auf kleinen Füßen durch die Gegend. Frenchy zeigte gesunde Zähne zwischen vollen Lippen und lachte, sang und fluchte ständig. Sie sprach ziemlich ordinär, kannte aber sehr lange Wörter und las Bücher, die sie zum Weinen brachten. Sie sagte, daß sie ihr gefielen. Sie schickte Geld nach Italien zur Unterstützung Garibaldis und später für Sozialisten, die im Gefängnis saßen. Sie sagte, sie würde gern große Bomben werfen. Sie war sehr kräftig und haßte jede Art von Obrigkeit, Könige, Päpste, politische Führer, jeden, den sie nicht mochte. Wir verstanden uns bald sehr gut. Frenchy war für Sonderwünsche da, die sie outré nannte. Das war für mich ein neues Wort. Sie konnte mit ihrer Fotze Münzen aufnehmen, die Gäste auf eine Tischdecke gelegt hatten.

Belle war eine große, trage Blondine. Ihr Haar war fast weiß und kringelte sich um ihre Ohren und im Nacken. Sie war schön, groß, mit schweren Knochen und einem leicht unsteten Blick in ihren grünen Augen. Sie bewegte sich langsam und hatte eine sanfte Stimme. Zig sagte: „Man könnte meinen, daß ihr die Butter nicht Im Mund zergeht." Doch wenn sie sich mit Bourbon aufgetankt hatte, war sie ein richtiger Teufel. Sie hatte mehrmals den Salon zertrümmert und versucht, das Haus anzuzünden. Die Flegels behielten sie trotzdem, weil sie eine sehr gute Hure war und außerdem der Liebling einiger Stadtbeamten und zweier sehr reicher Fabrikanten. Diese beiden Freier übernahmen das ganze Haus und hielten es frei, wenn sie in der Stadt waren. Sie schenkten Belle Ringe und Pelze, die sie wieder weiterschenkte, verlor oder die ihr gestohlen wurden. Geld oder Wertgegenstände konnte sie nie lange halten, und sogar ihre Unterwäsche war zerrissen und zerfetzt, wenn Emma Flegel sie nicht in Froufrous, Spitzenhöschen und bebänderte Nachthemden steckte. In nüchternem Zustand war Belle in einem fort damit beschäftigt, sich zu waschen, zu baden, zu parfümieren und sich die Zehennägel zu schneiden. Die drei anderen Mädchen, die zur selben Zeit dort waren, sind mir nur als stumpfe Deutsche in Erinnerung, farblos, willig und brauchbar. Sie machten dem Haus keine Schwierigkeiten. In ihrer Freizeit stickten sie. Man sollte meinen, daß sie die Respektabilität und das Ansehen eines Bordells heben würden, aber in Wirklichkeit wurden die Gäste dieser An deutscher Mädchen bald überdrüssig. Zig wechselte die Huren ständig und war immer auf der Suche nach Talenten, auf die Frenchy und Belle die Stammkunden neugierig gemacht hatten. Damals wußte ich noch nicht, daß ich selbst eine Spezialität des Hauses werden und für lange Zeit bleiben sollte. Ich wurde Goldie Brown genannt. Ein betrunkener Reporter von Mister Pulitzers Lokalzeitung prägte einmal den Ausspruch, Frenchy, Belle und Goldie wären die drei Grazien von St. Louie.  - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser. Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin 1982 (entst. ca. 1917-1932)

 

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