einlichkeit   Der Soziologe Peter Fuchs findet eine Theorie des stilvollen Verarmens, wie sie der Autor Alexander von Schoenburg in einem Bestseller propagiert, angesichts real grassierender Armut mehr als deplatziert: "Der Klamauk der Kapitalismusdebatte (die bisher ohne jeden Blick auf moderne gesellschaftstheoretische Moeglichkeiten ablief) wird seinerseits gespiegelt in der Zumutung, man koenne das banal Arme vom stilvoll Armen unterscheiden. Ich gebe zu, ich habe das alles nicht lesen koennen ohne das Empfinden einer extremen Peinlichkeit. In diesen Tagen trat der Herr, dem dies nicht peinlich war, in einer norddeutschen Talkshow auf. Wir haben, was selten ist, einmuetig nach den ersten Worten umgeschaltet." - Perlentaucher  Fr, 20.05.2005, 09:58

Peinlichkeit (2) Wenn sie nicht so muskulös und knochig wie ein Mann gewesen wäre, hätte man sie fast hübsch finden können. Im ersten Augenblick wirkte sie wie ein Jüngling in Frauenkleidern. Es hatte etwas Peinliches. Selbst ihre Stimme war tief und ein wenig rauh. »Soll ich mich an Ihren Tisch setzen?« »Ich bitte Sie darum. Möchten Sie etwas trinken?« »Nein, im Augenblick lieber nicht. Desiré wird mir ein Glas hinstellen, das genügt.« Sie machte einen müden und bedrückten Eindruck. Man konnte sich schwer vorstellen, daß es hier ihre Aufgabe war, die Männer zu erregen, und sie schien sich darüber selber nicht viel Illusionen zu machen.

»Sind Sie Belgierin?« fragte er sie, weil ihr Akzent so klang.

»Ich bin aus Anderlecht bei Brüssel. Bevor ich herkam, gehörte ich zu einer Akrobatentruppe. Ich habe ganz jung angefangen. Mein Vater arbeitete in einem Zirkus

»Wie alt sind Sie?«

»Achtundzwanzig. Ich bin nicht mehr geschmeidig genug für meinen eigentlichen Beruf, und deshalb habe ich mich aufs Tanzen verlegt.«

»Verheiratet?«

»Ich war mit einem Jongleur verheiratet, aber er hat mich sitzenlassen.« - Georges Simenon, Maigret und die Tänzerin Arlette. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 4, zuerst 1950)

Peinlichkeit (3)  Diese entsteht zunächst aus solchen Gesprächen, in denen kein Teil seine Meinung recht heraussagt. In diesen schädlichen Zustand pflegen zu verfallen: Eheleute, Tisch- und andere Freunde, die gegeneinander ein Mißtrauen, eine Fremdigkeit, eine Verstimmung gefaßt haben, welche zum Ausbruche noch nicht reif ist. In diesem Falle wird man wohltun, einige Zeit vor dem Mahle sich rücksichtslos auszusprechen, und wenn die Mißverständnisse gar nicht zu beseitigen sind, lieber nicht miteinander zu speisen. - Karl Friedrich von Rumohr, Geist der Kochkunst. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1822)

Peinlichkeit (4)  Eines Tages kündigte man an, es würden acht arme Teufel gehenkt. Wenn in England ein Dieb oder ein Mörder gehenkt wird, so bringt meiner Ansicht nach die Aristokratie ihrer eignen Sicherheit ein Menschenopfer dar; denn sie hat ihn gezwungen, ein Verbrecher zu werden . . . Diese Wahrheit klingt heute paradox, wird aber längst ein Gemeinplatz sein, wenn man dereinst dieses Gefasel liest.

Die ganze Nacht hindurch sagte ich mir, es sei die Pflicht eines Reisenden, sich solche Schaustellungen und ihre Wirkung auf ein Volk anzusehen, das bodenständig geblieben ist (who has raciness). Als man mich am nächsten Morgen um acht Uhr weckte, regnete es in Strömen. Die Sache, zu der ich mich zwingen wollte, war so peinlich, daß ich mich noch gut erinnere, was für einen Kampf es mich kostete. Ich habe dann diesem entsetzlichen Schauspiel nicht beigewohnt.  - (ele)

Peinlichkeit (5)   »Eines Tages entfernte er ein Frauenhaar von meinem Rockkragen. Es war ein Haar seiner Frau.

Er spielte übrigens nicht die Rolle des Rächers ... er gefiel sich vielmehr in der Rolle des Gedemütigten, und das ist schlimmer. Gegen Drohungen kann man sich verteidigen. Aber was fängt man mit einem Mann an, der vor Kummer weint? Wie er es getan hat?

Und welche Redensarten! Ich, ja ich sei jung, schön, stark, reich, was weiß ich alles. Und so könne man wohl Liebe finden. Aber er ...

Es ekelte mich an. Die Gewißheit aber, daß er es wußte, hatte ich nicht.

An jenem Sonntag hatte er mir die Summe von fünfzigtausend Francs genannt, die er unbedingt haben müsse.«   - Georges Simenon, Maigret und die Groschenschenke. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 9, zuerst 1931)

 

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