astorentochter Fräulein
Aichelin, eine Pfarrerstochter von der Alb, hatte karg gelebt. Sie schrieb ein
Referat über ägyptische Kunst und lieh sich dafür eines der hellblau gebundenen
kunsthistorischen Werke aus, deren Goldaufdruck heute noch im Bücherschrank
glänzte. Ihr erschien »Hatschepsut«, der Name einer ägyptischen Königin, belustigend,
und sie lachte über ihn mit hüpfender Brust, wahrscheinlich weil sie dachte,
der Name habe mit Schnupfen und Niesen zu tun. Nächtliche Gewitter aber waren
für Fräulein Aichelin tief erschreckend, und sie sagte, verstörten Angesichts,
es sei doch sehr gefährlich, wenn sie droben unterm Dach in einer eisernen Bettstatt
schlafen müsse, die den Blitz anziehe. Die Mutter aber meinte, als Pfarrerstochter
hätte Fräulein Aichelin so etwas eigentlich nicht sagen dürfen, sondern sich
daran erinnern müssen, daß wir alle in Gottes Hand gegeben sind, gewissermaßen.
- Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main
1988 (zuerst 1986)
Pastorentöchter (2)
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