astor
PASTOR GEIER : -- Und schauet um euch: Glänzende Leistungen des deutschen
Tatengeistes reihten sich wie die Perlen einer schimmernden Schmuckkette aneinander.
Er schuf sich das Wunderwerk des U-Bootes. Er stellte jenes märchenhafte
Geschütz her, dessen Geschoß bis in die Ätherregionen des Luftmeeres aufsteigt
und Verderben über mehr als hundert Kilometer in die Reihen des Feindes trägt!
Aber nicht nur daß der deutsche Geist uns mit Waffen versorgt, er wird nicht
müde, auch an der Schutz- und Trutzwehr des Gedankens zu schaffen. Wie ich euch
heute mitteilen kann, arbeitet Schulze in Hamburg im Auftrage unseres Auswärtigen
Amtes an einer grundlegenden wissenschaftlichen Arbeit über »Leichen- und Grabschändungen
durch Engländer und Franzosen«, eine Arbeit, die zu internationalen Propagandazwecken
verbreitet werden, die uns die Sympathien des neutralen Auslandes erobern soll
und der wir nur vom Herzen einen Widerhall bei den noch zweifelsüchtigen Nachbarn
wünschen müssen. Allüberall in deutschen Gauen erwachen die Geister, bereit,
für unsere gerechte Sache zu werben, die Trägen zu ermuntern, die Abtrünnigen
zu bekehren und uns neue Freunde zu gewinnen. Unsere Regierung hat in weiser
Voraussicht erkannt, daß die Schweiz nicht nur als Durchgangsstation für unsere
Bombentransporte in Betracht kommt, sondern auch dankbar dafür sein mag, in
Wort und Bild der Erkenntnis der Methoden unserer Kriegführung teilhaft zu werden.
Die Versenkung ungezählter Tonnen von Lebensmitteln durch unsere U-Boote, in
Filmdarstellungen vorgeführt, ist von einer derart packenden Wirkung, daß das
neutrale Publikum, zumal die Frauen, die ja für den Verlust solcher Schätze
besonders empfänglich sind, ohnmächtig werden, und allmählich bricht sich die
Einsicht Bahn, daß der Schaden, den wir unsern Feinden zufügen, nachgerade unermeßlich
ist! Das deutsche Wort bleibt dabei keineswegs im Hintertreffen. »Champagneschlacht«
ist der Titel einer vom Sekretariat sozialer Studentenarbeit in Stuttgart herausgegebenen
Broschüre, die vornehmlich den Schweizer Intellektuellen zugedacht ist. Nehmet
euch die Worte zu Herzen in dem herrlichen Gedicht, dem Soldatengebet, das ich
in dieser trefflichen Propagandaschrift gefunden habe, welche unsre Regierung
bereits nach dem neutralen Auslande versandt hat, um dort Aufklärung über deutsche
Eigenart zu verbreiten, Verständnis für deutsches Wesen zu erwecken und so allmählich
zum Abbau des Hasses, mit dem man uns verfolgt, beizutragen:
Hört ihr die Soldaten beten? Kameraden, laßt Schrapnelle- Hängt die Kugel-Handgranaten- |
Und so schauet denn um euch und betet im Angesicht der Wunder des Herrn:
Bring uns, Herr, ins Paradies! - Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit.
München 1964 (zuerst 1926)
Pastor (2) Die Frau Pastorin erzählt: Die andere Erscheinung hatte ich 1800 am 15 Jun. Samstags Vormittags unter der Kirche, indem ich mich wusch: Es klopfte jemand an meine Stubenthür, und so gleich öfnete sich die Thür, und es trat eine schwarze Figur, eine Mannsperson herein, wie ein Pfarrer gekleidet, einen Hut unter dem Arm, sein eigenes Haar tragend, einen Kragen um den Hals, nach alter Art mit vielen Falten, gieng auf mein schlafendes Kind zu, und betrachtete dieses. Ich lief erschrocken zur Stube heraus, und jener gieng zu einer andern Thür zurück, und warf diese dermassen zu, daß die Klinke weit wegflog.
Nach 5 Jahren, nähmlich 1805, auch im Juni Sonnabends Nachmittags in der dritten Stunde, spielte jemand mit der Stubenthür, und machte sie immer auf und zu. Ich denke es ist mein Mann, da ich etwas vom schwarzen Kleid bemerkte, und rufe, ,komme doch herein!' und siehe, der schwarze Pfarrer trat herein, ich sprang erschrocken davon; jener warf einen Stuhl mir nach, daß meine Ferse verwundet wurde. Ich rief meinen Mann, gieng mit ihm in die Stube, fand den Stuhl noch liegen, aber sonst niemand.
Was den bedauernswürdigen schwarzen Geist betrift, so ist er vermuthlich einer von den Vorfahren des jezigen Predigers, der noch etwas da zu suchen hat, und ärgerlich darüber ist, daß ihn die Frau Pastorin sehen kann. Oder, welches noch wahrscheinlicher ist: Er bedient sich dieser Gelegenheit um seinen Unwillen zu erkennen zu geben, daß nicht mehr Er sondern ein Anderer auf der Stelle ist.
O wie unglücklich und bedauernswürdig ist dieses arme Wesen! Ists möglich
Herr! so erbarme dich seier. Hier muß ich aber eine sehr wichtige Warnung einrücken:
man hüte sich doch ja, diese Erscheinung auf einen
der vorigen Prediger deuten zu wollen. -
(
still
)
Pastor (3) Was das aber auch für Pastöre sind! Kaum kann man, ich weiß nicht, ob ich sagen soll, des Weinens oder des Lachens sich enthalten, wenn man so einen pfälzischen lutherischen Gottesmann einhertreten sieht, mit einem alten verschabten Rock, der ehedem schwarz war, nun aber wegen des marasmus senilis, wie D. Bahrdt von seinem Hut sagte, ins Rote fällt, mit einer Perücke, die in zehn Jahren nicht in die Hände des Friseurs gekommen ist, mit Hosen, die denen eines Schusters in allem gleichkommen, sogar in Absicht des Glanzes, und mit Wäsche, wie sie die Bootsknechte tragen. – Aber freilich, der Mann kann sich nichts Besseres anschaffen; es ist der Anzug, welcher bei seiner Ordination neu war und ihm sein ganzes Leben hindurch dienen muß.
Das Innere dieser Herren stimmt vollkommen mit ihrem Aeußeren überein, und wenn je das Sprichwort wahr ist: »Man sieht's einem an den Federn an, was er für ein Vogel ist«, so ist's gewiß von den lutherischen Herren Pfarrern in der Pfalz wahr. Darunter findet man die allerkrassesten Ignoranten, welche kaum ihren Namen schreiben und lateinisch lesen können. Sie sind zwar auf Universitäten gewesen, da sie aber schlecht unterrichtet dahin kamen, so lernten sie auch da nichts; und der gänzliche Mangel an Büchern – einige alte Schunken und Postillen, die vom Vater auf den Sohn forterben, ausgenommen – verbietet ihnen, weiter zu studieren. Aber wenn man ihnen auch Bücher geben wollte, so würde ihre krasse Orthodoxie, welche allemal bei Ignoranten und Dummköpfen krasser ist als bei Gelehrten, nebst ihrer natürlichen Trägheit, sie hindern, irgendeinen Gebrauch von einem guten Buche zu machen.
Die Lebensart dieser Leutchen ist – abscheulich. Saufen, das charakteristische Laster der Pfalz, ist auch ihre Sache; da sitzen sie in den Dorfschenken, lassen sich von den Bauern traktieren, saufen sich voll und prügeln sich mitunter sehr erbaulich. So bekam der Pfarrer Weppner zu Alsheim einst so viele Prügel in der Schenke, daß er in drei Wochen nicht predigen konnte. In einem anderen Lande würden derartige Skandale verdrießliche Konsequenzen ziehen; aber in der Pfalz nimmt man's so genau nicht. Ich rede aber, was sich von selbst versteht, nicht von allen und jedem, sondern vom größten Haufen.
Die reformierten und katholischen Herren sind nicht viel
besser, was nämlich ihre Sitten und Kenntnisse betrifft, ob sie gleich
besser gekleidet gehen, besseren Wein trinken, und, der guten Atzung
wegen, auch dickere Bäuche haben als die lutherischen. - F. C. Laukhards, vorzeiten
Magister
der Philosophie und jetzt Musketiers
unter dem Thaddenschen Regiment zu Halle, Leben und Schicksale, von ihm selbst
beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben.
Fünf Teile, 1792–1802
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