Passionsspiel    Die Madonna, bis auf ihre himmelblaue Robe ganz in trübes Blutrot gekleidet, umschlang jetzt den Fuß des Kreuzes, während sich in ihrer Nähe die römischen Soldaten, in starren Kreisen lagernd, mit Würfeln und Karten auf dem grünen Gras vergnügten. Momus, der auf den Stufen des leeren Richterthrons kauerte, stieß träge einen Spielzeugballon in die Luft und fing ihn beim Herabsinkcn wieder auf; und um der Szene ihren wahren Charakter zu geben, wie sie ein alter flämischer Maler dargestellt hätte- nämlich als eine Tragödie, die ihre Einprägsamkeit aus dem Durcheinander des Menschenlebens zog, dem dessen übermenschliche Pein gleichgültig war-, hatten es entweder die Dubliner oder Athling so eingerichtet, daß Pilatus und Kaiphas an einem kleinen runden Tisch vor dem westlichen Pavillon, hinter den sich Judas zum Erhängen verzogen hatte, miteinander Schach spielen sollten.

Persephones Kummer am Fuß des Kreuzes, das Mr. Evans trug, war der schauspielerisch schönste Teil des ganzen Festspiels. Der Gefühlsausdruck war so aufrichtig, daß er das ganze Bild einte, wie es sonst nichts vermocht hätte. Die überaus eindrucksvollen Gesten des Mädchens glichen denen einer klassischen Darstellung ihrer Namenspatronin, der großen Totcngöttin. Ihr hehres Leiden verlieh all den kleineren Gruppen und Personen, ihren Geschäften, Beschäftigungen und Geschäftigkeiten eine merkwürdige Einheit. Sie schien die täglichen Sorgen und Nöte der ganzen Gattung zu sammeln und sie mit leidenschaftlicher Beflissenheit wie einen Becher Weihwasser den Lippen des Sterbenden darzubieten. Die anderen Marias, Maria, Schwester des Lazarus, und Maria Magdalena traten nun jedoch neben Unsere Liebe Frau, und mit deren Auftritt kam ein unglücklicher Schwachpunkt der Inszenierung zum Vorschein.

Ned Athling, bestrebt, alle möglichen neuen Experimente auszuprobieren, wollte an diesem Punkt einen tragischen Tanz der beiden Marias (Lazarus' Schwester und Maria Magdalena) um die hingesunkene Gestalt von Christi Mutter einführen. Dies war für die Dubliner in Anbetracht ihrer katholischen Erziehung in Irland zuviel. Sie weigerten sich, es zuzulassen. Athling jedoch - und das war in anderen Fällen ebenso gelaufen - bestand darauf, es beizubehalten, mit dem Ergebnis, daß die beiden Mädchen, die die zwei Marias spielten, Bessie und Lizzie Marsh aus Bove Town, völlig verwirrt waren. Als sie sich über die hingestreckte Gestalt der Jungfrau beugten, machten sie einige Wellenbewegungen mit ihren schmiegsamen Hüften und schwenkten ein wenig ihre nackten Arme, während sie zugleich ihre Stimmen erhoben und den balladenartigcn Kehrreim sangen, den Athling für sie geschrieben hatte.

Die nervöse Stümperei dieser jungen und hübschen Mädchen war für den größten Teil der Ausländer nicht im geringsten abstoßend; einigen von ihnen erschien sie als der letzte Schliff moderner Kunst, anderen als naives Beispiel englischer Barbarei.   - (cowp)

Theater, chrisliches Passion

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