Parfüm (syrisches)  Aus der Phiole entwich das schwere syrische Parfüm und sprang in die Handlung ein. Gotteslästerlich, ungeheuer, unwiderstehlich, wie ein fettes Lachen, das im stillen Schiff einer gotischen Kathedrale widerhallt, so sprang es ein, fegte mein Dasein weg (meinen Daseinsstil), und ich ließ es in mich hineingehen, über mich hinausgehen, ich umgab mich damit, ich klebte daran fest, ich ließ mich davon auf Abwege führen. Ruchlose Fleischwerdung.

Wie ein Echo auf dieses Parfüm, eines jener kreuzweise zurückgeworfenen Echos, die von der Droge so eigenwillig realisiert werden, höre ich plötzlich aus einer gewissen Entfernung eine dunkle Frauenstimme. Mein Gott, hoffentlich bleibt sie in dieser Entfernung, aber natürlich ist es damit schon vorbei. Sie kommt auf mich zugestürmt wie eine Wilde im höchsten Grade der Geilheit, und das Schnalzen ihrer Zunge, ihr vertrauliches Flüstern, der traumverlorene Hauch ihres Mundes, untergräbt meinen Widerstand. Man muß aber, man muß, man muß widerstehen. Es kann zwischen uns nichts geben. Während ich meine Haltung wiederfinde oder es wenigstens versuche, zieht sie sich aus, als ob sich das von selbst verstünde, sie zieht nicht nur ihr Kleid aus, sondern auch die Erziehung, den Anstand, die Zurückhaltung, die gesellschaftlichen Konventionen, all unsere auf Distanz gegründete Freundschaft, im Handumdrehen hat sie das alles abgeworfen wie ein einziges Hemd. Und das Lachen! Dieses Lachen! Hat sie je vorher so zu lachen gewagt, ein solches Lachen zu zeigen, auszustoßen gewagt.

Profanisierung! Das hab ich nicht gewollt.

Wir stehen einander gegenüber, nicht wie die Frau vor dem Mann und der Mann vor der Frau, sondern wie irgendetwas Unvereinfachtes, etwas Ähnliches wie mit entgegengesetzter Elektrizität geladene Massen, wie Flüssigkeiten, die sich kraft einer physikalischen Gesetzmäßigkeit verbinden und vermengen müssen. Die Schamlosigkeit des Dämons in ihr, der Sturmstoß, der in einem einzigen Augenblick alles, was sie vorher war, hinweggerissen hat, den alten Glauben, dem sie verbunden war, und alles übrige, das ist ganz unerhört, und obwohl ich keine Bewegung mache, bin ich entschieden mitschuldig. Der Nihilismus dieser Schamlosigkeit, die höllische Ansteckung, der sie zum Opfer fiel und die sie in einem Augenblick zersetzt zu haben scheint, müßte sie allen denen unkenntlich machen, die sie am besten kennen, und scheint gewissermaßen rückläufig sogar noch ihre Kindheit zu beflecken, sogar noch die Erstkommunikantin, die sie einmal gewesen ist, an jenem Tage der Verwandlung ihres Lebens.  - Henri Michaux, Turbulenz im Unendlichen. Die Wirkungen des Meskalins. Frankfurt am Main 1971

Parfüm (2)
 

Duft

 

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