arallele Übrigens bemühte sich auch Bolyais Vater Farkas (oder Wolfgang) Bolyai, ein enger Freund des großen Gauß, intensiv um den Beweis von Euklids fünftem Postulat. In einem Brief an seinen Sohn Janos versuchte er, ihn vom Brüten über solche Dinge abzubringen:
Du darfst die Parallelen auf jenem Wege nicht versuchen; ich kenne diesen Weg bis an sein Ende - auch ich habe diese bodenlose Nacht durchmessen, jedes Licht, jede Freude meines Lebens sind in mir ausgelöscht worden - ich beschwöre Dich bei Gott, laß die Lehre von den Parallelen in Frieden ... Ich hatte mir vorgenommen, mich für die Wahrheit aufzuopfern; ich wäre bereit gewesen, zum Märtyrer zu werden, damit ich nur die Geometrie von diesem Makel gereinigt dem menschlichen Geschlecht übergeben könnte. Schauderhafte, riesige Arbeiten habe ich vollbracht, habe bei weitem besseres geleistet als bisher geleistet wurde, aber keine vollkommene Befriedigung habe ich je gefunden; hier aber galt es: si paullum a summo discessit, vergit ad imum. Ich bin zurückgekehrt, weil ich durchschaut habe, daß man den Boden dieser Nacht von der Erde aus nicht erreichen kann, ohne Trost, mich selbst und das ganze menschliche Geschlecht bedauernd ... Es kommt mir vor, ich habe auch diese Gegenden betreten, ich sei an allen Klippen dieses höllischen Toten Meers vorbeigefahren und von überall kehrte ich mit zerschelltem Mastbaum und zerfetzten Segeln zurück, und von da an datiere ich die Verderbnis meines Humors und meinen Fall. Unbesonnen setzte ich mein Leben und mein Glück hierauf - aut Caesar aut nihil).
- (
hof
)
Parallele (2) Vor 20 Jahren wohnte ich einem
freien Platze gegenüber, der zwischen 2 parallelen Straßen lag, und nur an der
Seite gepflastert war. Ereignete sich nun der Fall, daß jemand - doch hier wird
es gut sein erst eine Figur zu entwerfen und zwar der Kürze wegen bloß im Kopfe.
Man denke sich ein Quadrat, dessen 4 Winkel ich mit ABC D bezeichnen will, und
zwar sollen A und B die beiden obern, C und D aber die beiden unteren andeuten,
und A soll D, und B dem C gegenüber stehn. Ereignete sich, sage ich, der Fall,
daß jemand von D nach A oder von C nach B wollte oder umgekehrt, welches wohl
an jedem Tag leicht 100 mal geschehen mochte, so wurde es so gehalten. War es
schönes Wetter, so ging man so gut man konnte nach der Diagonale. Bei schlechtem
Wetter oder wenn der ungepflasterte Teil sehr morastig war wählte man statt
der Diagonale die zwei Seiten, wobei gemeiniglich, ehe die Reise angetreten
wurde, erst nach dem gegenüberstehenden Winkel hingesehen, und der Schritt etwas
beschleunigt wurde. Sowie der ungepflasterte Boden mehr abtrocknete fanden sich
entweder Kühnere oder solche die ihre Schuhe weniger schonten, und gingen nicht
mehr um den ganzen Winkel, sondern kreuzten in Linien über die mit der Diagonale
parallel liefen, diese Linien näherten sich nach und nach immer mehr der Diagonale
und so ging es mehrenteils. Zuweilen kürzte aber auch [ein] kraftvoller Wanderer,
der vor der Stadt schon einen schlechten Weg bestanden hatte, den ganzen Prozeß
etwas ab, oder Menschen an deren Schuhen und Strümpfen wenig zu verderben war,
oder die weder die einen noch die andern hatten. Die merkwürdigste Erscheinung
ereignete sich aber am Morgen wenn des Nachts ein tiefer Schnee gefallen war.
Sobald es Tag wurde fand ich mehr oder weniger einzelne Punkte die in der Richtung
der Diagonale liegen sollten, aber weder darin, noch in irgendeiner einfachen
Richtung von-der ganzen Welt lagen. Sie gehörten öfter einer krummen Linie zu,
von der sich 2 gegen eins hätte verwetten lassen, daß sie nicht um 1/8 kleiner
als die beiden Seiten des Parallelogramms, aber die ganze Welt gegen einen Groschen
verwetten ließ, daß sie nicht um 1/1000 bequemer war (falsch).
Um 8 Uhr waren die Punkte schon zu einer Linie verbunden und ehe es elfe schlug
sah man schon sehr gesetzte und weise Männer, die gewiß wußten, daß der kürzeste
Weg von einem Winkel eines Parallelogramms nach dem gegenüberstehenden die Diagonale
sei, mit stetem und ernstem Tritt durch eine krumme Linie gehen, die vielleicht
ein schläfriger Nachtwächter für die Diagonale gehalten hatte. Noch war er schmal,
nun begegneten sich aber viele Menschen die gewöhnlich den Pfad so ehrlich teilten
daß keiner etwas davon bekam, dadurch wurde er breiter. Damals dachte ich schon
etwas über Gleise zu schreiben. - (
licht
)
Parallele (3) Ich
wußte es genau: zwischen uns waren keinerlei Begegnungen möglich, denn unser
Fall verlief parallel, und der Abstand zwischen uns blieb sich immer gleich.
Aber es ging mir schon auf die Nerven, daß sich Oberleutnant Fenimore derlei
Dinge in den Kopf gesetzt hatte und sie auch Ursula H'x in den Kopf zu setzen
versuchte; und das, obwohl sie nicht darauf einging und sogar ein wenig verächtlich
die Lippen schürzte, wobei sie sich - daran war meiner Meinung nach nicht zu
zweifeln - keinem andern als ihm zuwandte. (Ursula H'x drehte sich im Fallen
mit lässigen Bewegungen, als kuschele sie sich in ihrem Bett zusammen, und es
war schwer festzustellen, ob eine ihrer Bewegungen dem einen oder dem andern
zugewandt war oder ob sie sich, wie gewöhnlich, nur mit sich selbst die Zeit
vertrieb.) - Italo Calvino, Kosmokomische Geschichten.
Frankfurt am Main 1969 (zuerst 1965)
Parallele (4) Alles geschah
wie vorbestimmt. der Verurteilte bestieg das Schafott, das Glied des Präsidenten
versteifte sich, und die Steigerungen seiner Wollust gingen parallel mit den
Phasen der Tragödie, die er mit ansah; je mehr der Delinquent
sich dem Tode näherte, desto wütender wurde der Schweif des geilen Menschen
in meiner Hand. Endlich fiel das Schwert und dies war auch der Augenblick
seiner Entladung. „Ah, Gott verdamm' mich,''
rief er dann, „wie gerne wäre ich selber sein Henker gewesen, und um wieviel
besser hätte ich zugeschlagen als der da!" Die Äußerungen seiner
Wollust richteten sich übrigens nach der Art der Exekution; ein Gehängter brachte
nur eine mäßige Ergießung bei ihm hervor; ein aufs Rad Geflochtener
versetzte ihn in Entzücken, aber wenn einer verbrannt, oder gevicrteill wurde,
vergingen ihm vor Wonne die Sinne. Mann oder Weib, das galt ihm ganz gleich.
„Es gäbe nur eins," sagte er mir, „was mir mehr Genuß gewähren .würde,
und das wäre ein schwangeres Weib hinrichten zu sehen, aber leider ist das unmöglich."
- (
sad
)
Parallele (5) Hier ist
der Ort, die enge Parallele zwischen Alexander
dem Großen und meiner Person zu entwickeln. Alexander der Große war für
das Aroma von Ländern empfindlich. Seine Nüstern
spürten unerhörte Möglichkeiten voraus. Er war einer von de-nen, deren
Gesicht Gott mit seiner Hand im Schlaf gestreichelt hat, so daß sie sehen,
was sie nicht sehen, sich mit Einfällen und Vermutungen füllen und an ihren
geschlossenen Lidern die Reflexe ferner Welten vorbeiziehen. Dennoch nahm
er die göttlichen Anspielungen zu wörtlich. Als Mann der Tat oder des seichten
Geistes deutete er sich seine Mission als Botschaft zur Eroberung der Welt
aus. Seine Brust füllte dieselbe Unersättlichkeit wie die meine, dieselben
Seufzer weiteten sie, während Horizont um Horizont,
Landschaft um Landschaft seine Seele betrat. Er hatte niemanden, der seine
Irrtümer berichtigt hätte. Nicht einmal Aristoteles
verstand ihn. So starb er — trotz der Eroberung der ganzen Welt — enttäuscht,
an Gott verzweifelnd, der sich ständig vor ihm zurückzog, und an dessen
Wundern. Sein Porträt zierte die Münzen und Marken aller Länder. Zur Strafe
wurde er der Franz Josef seiner Zeiten. -
Bruno Schulz, Der Frühling. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen.
München 1966
Parallele (6)
Die Parallelen zwischen Mensch und Affe
beschränken sich keineswegs auf positiv besetzte Eigenschaften wie Fürsorge,
Liebe oder Mitgefühl. Auch Verhaltensweisen wie
Lüge, Täuschung und Verrat
sind nicht allein dem Menschen vorbehalten. Im weltweit größten Schimpansenfreigehege
im Zoo von Arnheim beobachtete Frans de Waal mehrmals, wie Schimpansenweibchen
auf eine Niederlage in einem Streit reagierten: Mit freundlichem Gesicht und
versöhnlich ausgestreckter Hand ging die Unterlegene auf ihre Rivalin zu, scheinbar
bereit zur Versöhnung. Doch wenn daraufhin die Gegnerin vertrauensvoll näherkam,
wurde sie plötzlich ohne jede Vorwarnung angegriffen. Noch raffinierter war
die Strategie eines Pavian Weibchens gegenüber einem Männchen, das von seinem
Futter nichts abgeben wollte. Das Weibchen näherte sich - scheinbar ohne jegliches
Interesse am Futter - und begann, das Männchen zu kraulen und zu streicheln.
Als der vermeintliche Pascha sich entspannt zurücklehnte, schnappte sich die
Verführerin sein Futter und rannte mit ihrer Beute davon. -
(kopf)
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