Paradiesjungfrauen  Der Emir Mûsa sprach zu seinem Wesir Tâlib ihn Sahl und zu seinen Vertrauten, die bei ihm waren: ,Was für ein Mittel gibt es denn, um in die Stadt hineinzugelangen und ihre Wunder zu schauen? Vielleicht können wir in ihr etwas finden, durch das wir die Gunst des Beherrschers der Gläubigen gewinnen!' Da hub Tâlib ibn Sahl an: ,Allah gebe dem Emir dauerndes Glück! Wir wollen eine Leiter machen und auf ihr hinaufsteigen; so werden wir vielleicht von innen zum Tore gelangen.' ,Das ist auch mir gerade in den Sinn gekommen,' erwiderte der Emir, ,das ist der beste Plan.' Dann berief er die Zimmerleute und die Schmiede und befahl, sie sollten Hölzer zurechtschneiden und daraus eine Leiter bauen und sie mit Eisenplatten beschlagen. Die Leute machten sich, sofort ans Werk und schufen eine feste Leiter; einen vollen Monat arbeiteten sie daran, und es waren ihrer viele. Als man sie dann aufrichtete und an die Mauer lehnte, reichte sie genau bis zur Höhe, als ob sie schon längst dafür gebaut wäre. Da rief der Emir Mûsa erstaunt aus: ,Allah gesegne es euch! Es ist, als hättet ihr das Maß der Mauer genommen, so vortrefflich ist euer Werk! Dann fragte er seine Leute: ,Wer von euch will diese Leiter erklimmen und auf die Mauer steigen und dann auf ihr entlang gehen und es fertig bringen, in die Stadt hinunterzuklettern, um zu schauen, wie es in ihr aussieht? Danach möge er uns auch-kundtun, wie das Tor geöfFnet werden kann!' Da hub einer von ihnen an: ,Ich will hinaufsteigen, o Emir, und dann hinunterklettern und das Tor öffnen.',Steig hinauf,' erwiderte der Emir, ,und Allahs Segen sei mit dir!' Nun erklomm der Mann die Leiter, bis er ganz oben war; dann richtete er sich auf, blickte starr auf die Stadt, klatschte indie Hände und rief, so laut er rufen konnte: ,Du bist schön!' Und er warf sich in die Stadt hinein; da ward er mit Haut und Knocheri völlig zermalmt. Der Emir Mûsa aber sprach: ,Wenn ein Vernünftiger so handelt, was wird dann erst ein Irrer tun? Wenn alle unsere Gefährten das gleiche tun, so bleibt keiner von ihnen übrig; und dann können wir unsere Absicht und den Auftrag des Beherrschers der Gläubigen nicht ausführen. Rüstet euch zum Aufbruch! Wir haben mit dieser Stadt nichts mehr zu scharfen.'Doch einer von den Leuten sagte: .Vielleicht steht ein anderer fester als jener.' Daraufstieg ein zweiter hinauf, sodann ein dritter, ein vierter und ein fünfter, und immer mehr Männer erklommen die Mauer auf jener Leiter, einer nach dem andern, bis zwölf von ihnen umgekommen waren; denn alle taten ebenso, wie der erste getan hatte. Da rief der Scheich 'Abd es-Samad: ,Nur ich allein kann dies vollbringen; denn der Erfahrene ist nicht wie der Unerfahrene!' Aber der Emir entgegnete ihm: ,Tu das nicht! Ich lasse dich nicht auf diese Mauer hinaufklettern! Denn wenn du umkommst, so sind wir alle des Todes. Dann bleibt keiner von uns am Leben; du bist ja des Volkes Führer.' Dennoch fuhr der Alte fort: .Vielleicht wird es mit dem Willen Allahs des Erhabenen durch meine Hand vollbracht.' Und alle waren einverstanden, daß er hinaufsteigen solle. Da richtete der Scheich 'Abd es-Samad sich auf, faßte sich ein Herz und sprach: ,Im Namen Allahs, des barmherzigen Erbarmers!' Dann erklomm er die Leiter, indem er unablässig den Namen Allahs des Erhabenen anrief und die Verse der Rettung1 betete, bis daß er oben auf der Mauer ankam. Dort klatschte er in die Hände und blickte starr vor sicli hin. Aber alles Volk rief laut: ,O Scheich 'Abd es-Samad, tu es nicht! Wirf dich nicht hinab!' Und sie fügten hinzu : .Wahrlich, wir sind Allahs Geschöpfe, und zu Ihm kehren wir zurück. Wenn der Scheich 'Abd es-Samad fällt, so sind wir alle des Todes!' Er aber begann zu lachen und lachte immer lauter, und er saß eine lange Weile da, indem er den Namen Allahs des Erhabenen anrief und die Verse der Rettung sprach. Danach erhob er sich wieder und rief, so laut er vermochte: ,O Emir Mûsa, euch wird kein Leid widerfahren. Allall, der Allgewaltige und Glorreiche, hat die List und die Tücke Satans von mir abgewandt durch den Segen der Worte: Im Namen Allahs, des barmherzigen Erbarmers!' Da fragte der Emir: ,Was hast du denn gesehen, o Scheich?' Und jener antwortete: ,Als ich auf der Mauer stand, sah ich zehn Jungfrauen, wie Monde anzuschauen, und die riefen mir zu!' - -«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die Fünfhundertundvierundsiebenzigste Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Scheich 'Abd es-Samad antwortete: ,Als ich oben auf der Mauer stand, sah ich zehn Jungfrauen, wie Monde anzuschauen, die winkten mir mit den Händen zu, ich solle zu ihnen herabkommen, und es kam mir so vor, als ob unter mir ein See voll Wasser wäre. Schon wollte ich mich hinabwerfen, wie unsere Gefährten es getan haben, aber da sah ich sie tot am Boden liegen. So hielt ich mich denn zurück und sprach etwas aus dem Buche Allahs des Erhabenen; und Er wandte ihren Trug von mir ab, so daß sie vor meinen Augen verschwanden. So kam es, daß ich mich nicht hinunterwarf, da Allah ihren Trug und Zauber von mir abgewandt hatte. Sicherlich ist das ein tückischer Zauber, den die Leute der Stadt ersonnen haben, um jeden, der sie anschauen will oder in sie einzudringen wünscht, von ihr fernzuhalten. Darum liegen dort auch unsere Gefährten tot am Boden.'   - Die Geschichte von der Messingstadt, nach (1001)

 

Paradies Jungfrau

 

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