apst  Der Papst von Pissville saß aufgestützt im Bett, als sein Sekretär - ein schlanker, scharfäugiger Leisetreter von vierzig - mich ins Schlafzimmer führte.

Der Kopf des Alten war klein und fast vollkommen rund unter der kurzgeschnittenen weißen Haarbürste. Seine Ohren waren zu klein und klebten ihm zu flach am Kopf, als daß sie den Kugel-Effekt hätten verwischen können. Seine Nase, ebenfalls klein, setzte den Bogen seiner knochigen Stirn nach unten fort. Mund und Kinn waren gerade Linien, die die Kugel durchschnitten. Darunter ging ein kurzer, dicker Hals zwischen eckigen, fleischigen Schultern in einen weißen Pyjama. Einer seiner Arme lag auf der Decke, ein kurzer, kräftiger Arm, der in einer groben Hand mit dicken Fingern endete. Seine Augen waren rund, blau, klein und wäßrig. Sie wirkten, als hielten sie sich hinter dem wäßrigen Schleier und unter den buschigen weißen Brauen nur so lange versteckt, bis sie zur rechten Zeit hervorspringen und zuschnappen konnten. Wenn man dem was aus der Tasche holen wollte, mußte man sich schon fest auf seine Finger verlassen können.

Er wies mir mit einem knappen Ruck seines runden Kopfes einen Sessel am Bett an, jagte den Sekretär mit einem zweiten Zucken hinaus und fragte:

»Was ist mit meinem Sohn?«

Seine Stimme war rauh. Seine Brust hatte zuviel und sein Mund zu wenig Anteil an seinen Worten, als daß sie sehr deutlich ausgefallen wären.

»Ich bin von der Continental Detective Agency, Büro San Francisco«, erklärte ich ihm. »Wir haben vor ein paar Tagen von Ihrem Sohn einen Scheck und einen Brief erhalten, in dem er einen Mann anforderte, der hier etwas für ihn erledigen sollte. Ich bin dieser Mann. Er hat mich gestern abend zu sich nach Hause bestellt. Ich war dort, aber er hat sich nicht blicken lassen. Als ich in die Stadt zurückkam, stellte sich raus, daß man ihn umgebracht hatte.«

Elihu Willsson linste mich mißtrauisch an und fragte:

»Na und?«   - Dashiell Hammett, Rote Ernte. Zürich 1976 (detebe 69/II, zuerst 1928)

Papst (2)  

Zeichnung der Mikrominiaturskulptur von Hagop Sandaldijan,
die Papst Johannes Paul II. zeigt

- (wesch)

Papst (3)   »Oh«, rief Malin, »nichts in der Welt geht über eine schöne Knabenstimme. Als ich in Rom war, gab es im Chor Jesu einen Knaben namens Mario, der hatte eine Stimme wie ein Engel. Der Heilige Vater in eigener Person wollte von mir haben, daß ich hinginge und ihn singen hörte, ich wußte wohl, warum. Er hoffte, ich würde in Rom übertreten, und dachte wohl, dieser goldene Engelsgesang werde meinen Widerstand vollends brechen. Von meinem Kirchenstuhl aus sah ich, wie dem Papst die Tränen herunterliefen, als der kleine Mario wie ein flügelschlagender Schwan seine Stimme erhob in Carissimis unvergänglichem Rezitativ: ›Weiche hinter mich, Satan!‹ Der gute Pius der Achte! Zwei Tage nachher wurde er mit drei spanischen Pillen elend vergiftet. Ich halte es nicht mit den Päpstlichen, aber er war ein Papst, wie er im Buch steht, und er starb wie ein Mann.«  - (blix)

Papst (4)  Der Papst sei der Prototyp eines Menschen, der schon zu Lebzeiten zum Bild geworden sei und seit Jahrzehnten den Moment verkörpere, in welchem der Heilige und Märtyrer von den Löwen zerrissen werde. Der Papst sei ein gefrorener Augenblick. Dieser Papst sei ein wandelnder Leichnam, schon seit Jahrzehnten. Er werde herumgefahren wie eine Reliquie, er hänge auf seinem Stuhl wie eine Marionette, der die Fäden abgeschnitten worden seien, und wenn man auch von außen über diese Marionette den Kopf schütteln könne, so verkörpere diese Marionette für viele ein derart mächtiges Bild, daß sie an diesem Bild ihre gesamte Existenz ausrichteten.

Der Papst gleiche das Bild einer ganzen Ideologie ab, das Bild des Sterbens in Christo. Der Papst zeige, daß man jahrzehntelang sterben könne und doch nicht tot sei. Deshalb gebe der Papst all den unterentwickelten Völkern Hoffnung. Er habe diesen Begriff absichtlich gewählt, unterentwickelt, denn schon dieser Begriff deute wieder auf das Bild hin. Dieser Begriff sage aus, daß wir uns ein Bild von den Völkern machten, und daß dieses Bild unterentwickelt sei, also unterbelichtet und unscharf, und daß wir in einer Umkehrung nun dächten, daß diese Völker unterentwickelt seien. Dieses Bild sei eine Wahnvorstellung, da wir eine Potenz in der Existenz dieser Völker vermuteten, die diese Völker zu dem machen könne, was wir selbst seien. Dies aber sei der wirkliche Wahn, in anderen Dingen, Menschen und Völkern eine Potenz zu vermuten, die diese Dinge, Menschen und Völker in genau das verwandele, was wir uns unter diesen Dingen, Menschen und Völkern vorstellten. Wenn das kein Wahn sei, dann wisse er auch nicht, was Wahn sei.   - (rev)

 

Hierarchie Sekte

 

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme