alingenesie Diesen Prozeß teile hier aus einem geheimen Manuscripto treulich mit, um, weilen noch zur Zeit von denen Naturforschern über der Möglich~ und Würklichkeit dieser Sache gestritten wird und gleichwohlen wenig Gründliches von deren Praxi durch den Druck bekanntgemacht ist, einen beliebigen Versuch hiervon nehmen zu können. Selbsten habe solchen Prozeß niemalen versucht und gestehe diesfalls meinen Zweifel und Mißtrauen.
Nimm von einer Pflanze die Wurzel im Herbst, als
im November, wenn der Same abgefallen ist, deren Blume, wenn solche gar heraus
ist, und das Kraut, wenn es zu blühen beginnet. Dessen allen einen guten Teil
genommen und im Schatten, wo keine Sonne hinscheinet, dürre werden lassen. Hernach
kalziniers zwischen zween Töpfen oder Schmelztiegeln. Alsdann ziehe aus solcher
Asche mit lauem Wasser das Salz heraus. Ferner nimm von ebendiesem Kraut, Wurzel
und Samen einen halben Topf voll Safts und solviere hierinnen das Salz. Dann
nimm eine Jungfrau-Erde, so niemals gearbeitet worden, wie man solche auf den
Bergen findet und rotlecht ist, rein von allem Unrat, solche durch ein Sieb
gereitert, so zart, als möglich ist, in ein erdenes Gefäß getan und mit bemeldtem
Safte allgemach besprenget, bis die Pflanze herfürzusprossen beginnet und die
Erde allen Saft und Salz in sich gesogen hat. Alsdann mit einem Glase bedeckt,
welches so hoch muß sein, als die Pflanze wachsen solle, solches an das Gefäß
wohl verlutiert, daß die freie Luft nicht beikommen möge, unten aber soll zu
deren Eintritt ein kleines Löchel sein. Wenn nun die Pflanze solle vorstellig
gemacht werden, so stells an die Sonne oder auf warme Asche, so nicht sehr heiß
seie, so wird selbige, aufs längste in Zeit einer halben Stunde, in ihrer Größe
mit Blättern und Blumen erscheinen; darüber sich zu verwundern. - (
zauber
)
Palingenesie (2) Eine Mutter
stand in Gefahr, eine zweijährige geliebte Tochter zu verlieren. Sie versprach
Cagliostro 5000 Louisd'or, wenn er sie gesund
machen würde. Er verlangte acht Tage Zeit dazu. Den zweiten stieg die Krankheit,
er bat, ihn das Kind nach Hause nehmen zu lassen. Den fünften kündigte er eine
glückliche Veränderung an, den achten versicherte er, das Kind sei genesen,
und nach drei Wochen brachte er der Mutter ein Kind. Es lief aber ein gewisses
Gerücht in Petersburg um, und man sprach von einem gekauften Kinde. Man dringt
auf Erläuterungen. Cagliostro gesteht, daß das zurückgegebene Kind untergeschoben
sei, daß das Wahre nicht mehr lebe, und daß er es für Pflicht gehalten habe,
den Schmerzen der Mutter auf eine Zeit lang zu täuschen. Die Justiz will wissen,
was aus der Leiche von diesem geworden sei. Cagliostro bekennt, er habe sie,
um einen Versuch der Palingenesie zu machen, verbrannt. - Echte
Nachrichten von dem Grafen Cagliostro. Aus der Handschrift seines entflohenen
Kammerdieners. Nach: Cagliostro. Dokumente zu Aufklärung
und Okkultismus. Hg. Klaus H. Kiefer. München, Leipzig und Weimar 1991 (Bibliothek
des 18.Jahrhunderts)
Palingenesie (3) Es ist,
daß wir, in irgend einem Sinne, den Tod überleben sollten,
immer noch kein größeres Wunder, als das der Zeugung,
welches wir täglich vor Augen haben. Was stirbt geht dahin, wo alles Leben herkommt
und auch das seine. In diesem Sinne haben die Aegypter den Orkus Amenthes
genannt, welches, nach Plutarch, bedeutet »der Nehmende und Gebende«, um auszudrücken,
daß es der selbe Quell ist, in den Alles zurück und aus dem Alles hervorgeht.
Von diesem Gesichtspunkt aus wäre unser Leben anzusehn als ein vom Tode erhaltenes
Darlehn: der Schlaf wäre dann der tägliche Zins dieses
Darlehns. Der Tod giebt sich unverhohlen kund als das Ende des Individuums,
aber in diesem Individuum liegt der Keim zu einem neuen Wesen. Demnach nun also
stirbt nichts von Allem, was da stirbt, für immer; aber auch Keines, das geboren
wird, empfängt ein von Grund aus neues Daseyn. Das Sterbende geht unter: aber
ein Keim bleibt übrig, aus welchem ein neues Wesen hervorgeht, welches jetzt
ins Daseyn tritt, ohne zu wissen woher es kommt und weshalb es gerade ein solches
ist, wie es ist. Dies ist das Mysterium der Palingenesie. Danach leuchtet
uns ein, daß alle in diesem Augenblicke lebenden Wesen den eigentlichen Kern
aller künftig leben werdenden enthalten, diese also gewissermaaßen schon jetzt
dasind. Imgleichen scheint jedes in voller Blüthe dastehende Thier uns zuzurufen:
»Was klagst du über die Vergänglichkeit der Lebendigen? wie könnte ich daseyn,
wenn nicht alle Die meiner Gattung, welche vor mir waren, gestorben wären?«
- So sehr auch, demzufolge, auf der Bühne der Welt die Stücke und die Masken
wechseln, so bleiben doch in allen die Schauspieler die selben. Wir sitzen zusammen
und reden und regen einander auf, und die Augen leuchten und die Stimmen werden
schallender: ganz eben so haben Andere gesessen, vor tausend Jahren: es war
das Selbe, und es waren die Selben: eben so wird es seyn über tausend Jahre.
Die Vorrichtung, wodurch wir dessen nicht inne werden, ist die Zeit.
- (schop)
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