Pagode   Im Westen der alten Hauptstadt Lo Yang lag ein verfallenes Kloster. Dort stand eine ungeheure Pagode, mehrere hundert Stockwerke hoch. Auf ihrer Spitze konnten noch immer drei bis vier Menschen stehen.

In der Nähe wohnte ein schönes Mädchen; die saß eines Tages, als der Sommer heiß war, im Hofe, um sich zu kühlen. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, der das Mädchen entführte. Als sie die Augen öffnete, da war sie auf der Spitze der Pagode. Neben ihr stand ein junger Mann in der Tracht eines Scholaren.

Der war gar hübsch und höflich und sprach zu ihr: „Wir sind vom Himmel füreinander bestimmt."

Darauf nahm er Brot und Wein und feierte mit ihr die Hochzeit. Seitdem war er tagsüber weg und kam abends zurück. Beim Weggehen schloß er mit Steinen die Öffnungen der Pagode. Auch hatte er einige Stufen der Treppe entfernt, so daß sie ihre Behausung nicht verlassen konnte. Wenn er heimkam, brachte er immer Wein und Speisen mit, die er mit dem Mädchen teilte. Auch Schminke und Puder, Kleider und Röcke und allerhand Schmucksachen schenkte er ihr. Er habe sie auf dem Markt gekauft, sagte er.  Auch hängte er einen Karfunkelstein auf, so daß es auch bei Nacht ganz hell in der Pagode war. Das Mädchen hatte alles, was ihr Herz begehrte, und dennoch fühlte sie sich nicht wohl.

Im Laufe der Monate war er vertraut mit ihr geworden, und als er eines Tages wegging, vergaß er, das Fenster zu schließen. Das Mädchen spähte ihm heimlich nach, da sah sie, wie ihr Jüngling sich in einen Oger verwandelte, die Haare rot wie Krapp, das Gesicht schwarz wie Kohle. Die Augäpfel quollen aus ihren Höhlen hervor, und der Mund glich einer Blutschüssel. Aus den Lippen drangen krumme Stoßzähne heraus, an den Schultern schossen zwei Flügel hervor. Damit flog er zur Erde und verwandelte sich dann wieder in einen Menschen. - (chm)

 

Tempel China

  

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