Päpstin

 

- N. N.

Päpstin (2)    Sie war auf meine Ehre eine recht gute Frau, aber nur nicht allemal, z. B. beim Abreisen am wenigsten: sie wollte erstlich dableiben und keifte in alle hörende Wesen hinein, zweitens wollte sie fort. Niemals, wenn ihr Mann am Morgen sich und seinem Hunde den Halsschmuck umlegte, um Besuche zu machen, begehrte sie mit (sie müßte denn die völlige Unmöglichkeit mitzukommen vorausgesehen haben): sondern wenn er am zweiten Tage nur ein Wort von einer Dame, die mit dagewesen, schießen ließ: so klagte sie ihm ihre Not: »Unsereine riecht nun den ganzen Sommer nicht aus dem Hause hinaus.« Wollt' er sie das nächste Mal mitzwingen: so war entsetzlich zu tun, es war zu bleichen, zu jäten, Fleischfässer und Serviettenpressen zuzuschrauben, Wäschzettel und alles zu machen, oder das vorzuschützen: »Ich bin am liebsten bei meinem Kleinen.« Allein ihre Absicht, die wenige errieten, war bloß, an zwei Orten auf einmal zu sein, in und außer dem Hause - und es ist für unsre Weiber schlimm, wenn unsre Philosophen und Männer nicht so viel einsehen, wie die katholischen Philosophen und Männer, die kombrischen, Ariaga, Bekanus, längst einsahen 1, daß der nämliche Körper leicht zur nämlichen Sekunde an zwei Orten oder mehren nicht nur auf einmal sitzen, reden, wachsen, sondern auch in der einen Stadt empfinden könne, indem er in der ändern denkt, - zu gleicher Zeit in der Kirche lachen und in dem Theater weinen könne. - -

Extrablättchen

Sind die Weiber Päpstinnen?

Alle Fragen dieses Blättchens tat ich an eine Äbtissin, die lieber Münzen als Fromme machen ließ. Ist nicht die dreifache Krone des Papstes jetzt auf den weiblichen Köpfen als eine vier-, fünffache da, und schössen nicht ihre Hüte in die Höhe wie Salat in den Hundstagen? - Ists nicht den Weibern selber schon bekannt, daß sie so untrüglich sind wie der Papst, und wenn dieser es mehr in dogmatischen als in historischen Dingen ist, wie die Jansenisten glauben, ist es bei den Päpstinnen nicht umgekehrt? - Und wer hat den Mut, eine zu widerlegen, die er nicht geheiratet? Der Papst ist Gottes VizeIcönig oder gar Gott selbst, wenn dem Felinus 2 zu glauben; sind aber die Päpstinnen nicht bekannte Göttinnen? - Allerdings sagt ein Papst selbst, Klemens VI., daß er Engeln befehlen könne, jeden Kerl aus dem Fegefeuer in den Himmel zu spedieren 3; brauchen aber unsre Päpstinnen Engel dazu?

Bloß eine Woche brauchen sie, um uns ins Fegefeuer, und eine Stunde, um uns zurück in den Himmel zu werfen. - Marianus Soccinus, welcher behauptet 1, daß ein Papst aus Nichts Etwas, aus Unrecht Recht und aus allem Henker allen Henker machen könne, muß nur nicht glauben, daß unsre Päpstinnen es nicht auch vermögen, und sind ihm ihre Ohrenbeichten nicht erinnerlich? - Wer exkommuniziert seine Ketzer, oder dispensieret seine Rechtgläubigen öfter, Päpste oder Päpstinnen? - Und wer macht heutzutage, durchlauchtige Äbtissin, allmächtigere Augenbreven und Lippenbullen, wer kreieret mehr Heilige, mehr Selige und mehr Nuntien a und de latere? Petri Nachfolger oder Petri Nachfolgerinnen? - Päpste sollen sonst immerhin Königreiche weggeschenkt oder abgenommen haben; beherrschen nicht Päpstinnen diese Königreiche? - Päpste konnten von Amerika nichts verschenken als den Namen; ist aber nicht das, was einige Päpstinnen von diesem Lande uns mitteilen, etwas viel Reelleres? - Könige, die sonst von Päpsten gequält wurden, werden jetzt von Päpstinnen beglückt; und wenn jene höchstens einen oder ein paar Könige schufen, werden nicht die Könige unter den meisten europäischen Thronhimmeln von Päpstinnen gemacht, und zwar in niedlichem Taschenformat, bis sie aus der Taufschüssel nach und nach heranwachsen, daß sie so lang sind wie ich oder ihr Thron? -Küssen wir ihnen nicht den Pantoffel öfter als dem seligsten Vater, indem die zwei Arme vom Professor Moskau zu Padua längst als zwei Vorderfüße befunden worden, auf deren lederne oder seidne Schuhe wir alle Wochen unsre Lippen drücken? - Legen nicht Papst und Päpstin den alten Namen ab, wenn sie den Thron beschreiten, den der eine durch Alter, die andre durch Jugend behauptet? - Und wenns wahr wäre, daß Papst und Päpstin ursprünglich nur Bischöfe einer Provinz {eines Mannes) sein sollen und daß es weiter keine Päpstin gibt als die gute Johanna: würd' ich wohl gerade das Gegenteil öffentlich in einem Extrablättchen oder heimlich zu Ihnen zu sagen wagen, durchlauchtige Äbtissin? -

Ende des Extrablättchens

1 Affirmant idem corpus existens in duobus locis habere posse utrobique formas absolutas non dependentes - ita ut hic moveatur localiter, illic non, hic calidum sit, illic frigidum, etc. hic moriatur, illic vivat, hic eliceret actus vitales tum sensitives tum intellectivos, illic non. Voetii disp. theol. T. I. p. 432. Bekanus beschränkt es mit philosophischem Scharfsinn so weit, daß ein solcher Körper - also eine Frau - nicht an einem Orte fromm und zugleich am andern gottlos sein könne; dieses leuchtet mir auch ein.
2 Wolfii lect. memorab. Cent. XVI. p. 994. etc.
3 loco cit.

- Jean Paul, Die unsichtbare Loge

 

Papst

 

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