therness
Oliveira ging weiter. Man brauchte gar nicht zu
dramatisieren, schon ein Minimum an Objektivität zeigte einem das
Absurde von Paris, das Leben in der grauen Menge. Da er an Dichter
gedacht hatte, war es naheliegend, sich all Jener zu erinnern, die die
Einsamkeit des Menschen unter seinesgleichen aufgezeigt hatten, die
lächerliche Komödie der Begrüßung, des »Pardon«, wenn man auf der Treppe
aneinander vorbeiging, der Platz, den man in der Metro den Damen
überließ, die Verbrüderung in der Politik und im Sport. Nur ein
biologischer und sexueller Optimismus konnte einigen ihre Isolation
verbergen, John Donne zum Trotz. Die Kontakte aufgrund der Tätigkeit und
der Rasse, die Kontakte im Beruf und im Bett und auf dem Sportplatz
waren Bemühungen wie von Zweigen und Blättern, die sich von Baum zu Baum
streifen und streicheln, während die Stämme hochmütig ihre
unvereinbaren Parallelen recken. »Im Grunde könnten wir sein wie
an der Oberfläche«, dachte Oliveira, »aber wir müßten auf andere Weise
leben. Und was heißt, auf andere Weise? Vielleicht absurd
leben, um mit dem Absurden Schluß zu machen, sich auf sich selbst mit
solcher Gewalt werfen, daß der Sprung in den Armen eines anderen landet.
Ja, vielleicht die Liebe, aber die otherness währt für uns so
lange wie eine Frau, und auch nur in dem, was diese Frau ausmacht. Im
Grunde gibt es keine otherness, kaum die angenehme togetberness.
Sicher, auch das ist etwas . . .« Liebe, ontologisierende, Sein
schenkende Zeremonie. Und deshalb fiel ihm jetzt ein, was ihm vielleicht
schon zu Anfang hatte einfallen sollen; ohne sich selbst zu besitzen,
gab es kein Besitzergreifen von Andersheit, aber wer besaß sich
wirklich? Wer kam denn zurück aus sich selbst, aus der absoluten
Einsamkeit, die bedeutet, daß man nicht einmal mit der eigenen
Gesellschaft rechnen kann und ins Kino gehen muß oder ins Bordell oder
zu Freunden oder seine Zuflucht nimmt zu einem aufreibenden Beruf oder
zur Ehe, um wenigstens allein-unter-den-anderen zu sein? - (ray)
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