rientierungssinn  Der Vollständigkeit halber sei noch von den inneren Merkzeichen des Orientierungssinnes gesprochen. Das würde uns wieder auf die halbkreisförmigen Windungen zurückfuhren, die in dem winzigen Ameisengehirn anscheinend fehlen, aber durch die Fühler ersetzt werden können. Gemeint ist der »Winkelsinn« (Cornetz) oder der »Stellungssinn« (Bonnier), der es der Ameise ermöglichen soll, die Abweichungen auszugleichen und die ursprüngliche Richtung wieder einzuschlagen. Aber welche Natur hat dieser Sinn? Wir kommen immer auf dieselbe Frage zurück, da doch die Hypothesen immer wieder auf sich selbst zurückkommen. Nebenbei weist Cornetz darauf hin, daß die Ameisen, was ja schon Lubbock's Versuch bewies, ihre Richtung beibehalten können, falls man die Reihenfolge ihrer Winkelwahrnehmungen unterbricht.

Vergessen wollen wir ferner nicht Pieron's »Muskelgedächtnis«, das heißt, jenes Gedächtnis für die verschiedenen notwendigen Bewegungen, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen. Es ist die Fähigkeit, die einzelnen Geschehnisse in zeitlichumgekehrter Reihenfolge sich vorzustellen und so zum Ausgangsort zurückzukehren. Schließlich erklärt Brun im Anschluß an Pieron's Versuch, daß »die Ameise sich verhalte, als besäße sie einen Kompaß, auf dem sie die genaue Reiserichtung ablesen könne, und außerdem einen Schrittzähler, der ihr an verschiedenen Punkten ihrer Fahrt den noch zu leistenden Weg beständig anzeige«. Ich meinesteils möchte aber glauben, sie selber ist der Kompaß oder die Nadel, welche ihr die Richtung zum Neste weist: Kompaß oder Nadel, die im Nest wie untätig, entmagnetisiert, ruhen und erst von neuern para- oder pseudomagnetische Eigenschaften annehmen, wenn sie durch das Marschieren wieder empfänglich gemacht oder gleichsam wieder geladen werden; denn nichts sagt uns, daß es nicht in einer Welt, die von der Menschenwelt so verschieden ist, eine unserem Magnetismus oder unserer Elektrizität entsprechende Kraft gibt, deren Dasein wir noch nicht ahnen.  - (maet)

Orientierungssinn ⁽²⁾