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kalte
Masken sind im Lauf der letzten dreißig Jahre rar geworden. Man sieht ihrer
nur noch wenige, sei es, weil das Volk diese Art von Lustbarkeit, die ein volles
Maß an Freiheit verlangt, müde geworden ist, sei es - und dies mag wohl eher
der Fall sein -, weil ihm die Mittel fehlen, sich im eleganten Domino zu spreizen.
Doch an den letzten drei Fastnachtstagen nimmt die Polizei die Sache in die
Hand, indem sie sich bemüht, wenigstens den Anschein einer allgemeinen Ausgelassenheit
zu erzeugen, woran ihr, je schlechter die Zeiten, desto mehr gelegen ist, weshalb
sie denn zahlreiche Maskeraden auf eigene Kosten veranstaltet. Zu diesem Zweck
schickt sie sämtliche Spitzel und Taugenichtse
in ein Kostümlager, dessen Bestand der Ausstaffierung von zwei-, dreitausend
Krakeelern ohne weiteres gewachsen ist-Anschließend schwärmen diese in die verschiedenen
Quartiere aus, ganz besonders und bandenweise aber stürzen sie sich auf den
Faubourg Saint-Antoine und mimen dort, ohne sich darum zu kümmern, wie falsch
und verlogen ihr Treiben wirkt, fröhliches Volk. Je katastrophaler das Jahr
war, desto hemmungsloser greift man zu solch plumpem Betruge und desto leichter
wird er durchschaubar, desto eher schimmert er durch die abgewetzten, schmutzigen
Lumpen, mit denen man diese Leute behängt hat, denn so sehr man ihnen auch einschärfen
mag zu lachen, sich zu tummeln und verrückt zu spielen, schaut doch nicht viel
dabei heraus, solang in den Herzen der Mißmut nistet. Die Späße bleiben matt
und fad und ohne Anmut, mißtönig ist der Schellen Klang bei diesen kalten Orgien;
das Ohr, das genau hinzuhören versteht, vernimmt nur blechernes Klagen. Nichts
ist trauriger als der Anblick eines Völkleins, dem man befohlen hat, an einem
ganz bestimmten Tag zu lachen, und das sich dem erniedrigenden Auftrag feige
beugt. - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris.
Frankfurt am Main 1979 (zuerst ca. 1780)
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