rdnungshüter  Er war ein niederschmetternder und riesenhafter Mann. Der Nacken war gedrungen wie bei einem Stier, die Brust unbezwinglich, die Arme streitbar und lang, das Nasenbein gebrochen, das Gesicht, obwohl von Narben gezeichnet, nicht so bedeutend wie der Körper, die Beine gekrümmt wie die eines Reiters oder Seemanns. Auf ein Hemd konnte er ebenso leicht verzichten wie auf einen Rock, nicht jedoch auf ein schmieriges Hütchen, das auf seinem zyklopischen Schädel thronte. Die Menschen pflegen sein Andenken. Äußerlich ist der konventionelle Filmgangster eine Kopie von ihm, nicht von dem grobschlächtigen und aufgeschwemmten Capone. Von Wolheim wird gesagt, sie hätten ihn für Hollywood engagiert, weil seine Züge unmittelbar auf die des unvergessenen Monk Eastman anspielten... Dieser pflegte sein Räuberimperium mit einer blaugefiederten Taube auf der Schulter zu durchstreifen, wie ein Stier mit einem Finken auf dem Rücken.

Um das Jahr 1894 gab es in der Stadt New York eine Überfülle öffentlicher Tanzsalons. Eastman war beauftragt, in einem von ihnen für Ordnung zu sorgen. Die Legende berichtet, daß der Impresario ihn nicht annehmen wollte, und daß Monk seine Tauglichkeit unter Beweis stellte, indem er mit Getöse das Riesenpaar, das den Posten bisher versehen hatte, demolierte. So hielt er die Stellung bis 1899, gefürchtet und allein.

Für jeden Krakeeler, den er zum Schweigen brachte, schnitzte er mit dem Messer eine Kerbe in den derben Knüppel. Eines Abends fesselte eine spiegelnde Glatze, die sich über einen Bierkrug neigte, seine Aufmerksamkeit, und er zerschmetterte sie mit einem Hieb. »Mir fehlte eine Marke an Fünfzig!« rief er hinterher aus.  - Jorge Luis Borges, Universalgeschichte der Niedertracht, nach (bo3)

Ordnungshüter (2)

Ordnungshüter (3)  Grave Digger und Coffin Ed hielten nicht an. Als sie sich der 130th Street näherten, sahen sie auf der Gegenfahrbahn eine Marschkolonne, die ihnen entgegenkam. Fünf Häuserblocks weiter mußte die Kolonne mit den Black Muslim zusammenstoßen, und dann war der Teufel los, In der 129th Street sammelten sich bereits Anhänger von O‘Malleys ‹Heim nach Afrika›-Bewegung zum Angriff.

Streifenwagen parkten auf beiden Seiten der Seventh Avenue, und Polizisten standen in Bereitschaft.

Die beiden Detektive erkannten sofort, daß die Marschkolonne aus käuflichem Pöbel bestand, der sich für seine Teilnahme bezahlen ließ. Die Burschen lachten streitsüchtig und forderten Zusammenstöße heraus. Sie waren mit Messern bewaffnet und verhielten sich anmaßend.

Colonel Calhoun führte sie an; im schwarzen Gehrock, den schwarzen, breitkrempigen Hut auf dem Kopf. Sein silbriges Haar und sein weißer Bart glänzten in den Strahlen der Nachmittagssonne. Er rauchte gelassen seine Zigarre. Er hielt sich sehr gerade, wirkte aber unbekümmert  wie ein Mann, der weiß, daß er es mit Kindern zu tun hat, die vielleicht ungebärdig, aber niemals gefährlich sind. Der blonde junge Mann bildete den Schluß.

Coffin Ed hielt den Wagen an. Sie stiegen aus und traten auf den höhergelegenen Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen der Avenue,  um die Lage zu überprüfen.

«Geh du zur 129th Street und halte die Brüder dort unten in Schach. ich schick diese Vogelscheuchen hier nach Hause.»

«Verstanden, Partner», antwortete Coffin Ed.

Grave Digger bezog Position gegenüber einem hölzernem Telefonmast. Als die Marschkolonne die Kreuzung an der 130th Street erreichte, zog Grave Digger seinen langläufigen Revolver und jagte zwei  Kugeln in den hölzernen Mast. Die vernickelte Waffe glänzte in der Sonne silbrig wie ein Düsenflugzeug.

«Richt euch! » brüllte er, so laut er konnte.

 Der marschierende Pöbel zögerte.

Weiter unten von der Straße knallten zwei Schüsse wie ein Echo, und Coffin Eds Stimme war gut vernehmbar: «Abzählen!»

Der Mob, der bereit gewesen war, über die Marschkolonne herzufallen, wich zurück. Alle Welt in Harlem war davon überzeugt, daß Coffin Ed und Grave Digger jeden zusammenschießen würden, der eine unsichtbare Linie überschritt. Wer nicht davon überzeugt war, ließ es nicht darauf ankommen.

Colonel Calhoun marschierte geradeaus weiter über die 130th Street, ohne sich umzusehen. Als er die unsichtbare Linie erreichte, schoß ihm Grave Digger den Hut vom Kopf. Der Colonel nahm langsam die Zigarre aus dem Mund und sah Grave Digger kalt an. Dann bückte er sich gelassen, um seinen Hut aufzuheben. Grave Digger schoß ihm den Hut aus der Hand. Der Hut flog auf den Gehsteig, und mit der gleichen Gelassenheit ging der Colonel hinterher, ohne Grave Digger eines weiteren Blicks zu würdigen. Grave Digger trieb den Hut mit einem weiteren Schuß in die 130th Street, als der Colonel sich danach bückte.

Der Pöbel in der Marschkolonne stand unschlüssig da, scharrte mit den Füßen und fürchtete sich, weiterzumarschieren, riskierte es aber auch nicht, davonzurennen, solange Kugeln durch die Luft flogen. Der blonde junge Mann hielt sich hinten außer Sicht.

«Rechts um!» kommandierte Grave Digger laut. Alle gehorchten.

«Ohne Tritt — Marsch!» kommandierte Grave Digger.

Der Pöbel bog nach rechts in die 130th Street und schlurfte zur Eighth Avenue. Sie drängten einfach an dem Colonel vorbei, der mitten auf der Straße stand und die Löcher in seinem Hut betrachtete, ehe er ihn wieder aufsetzte. In der Mitte des Blocks brach die Marschkolonne auseinander und rannte. Das erste, was der Pöbel in Harlem lernt, ist, nicht zu früh zu rennen. -  Chester Himes, Schwarzes Geld für weiße Gauner. Reinbek 1967 (rororo thriller 2123, zuerst 1965)

Ordnungshüter (4)  Der alte Verwalter stöhnte dumpf auf. »Das hat keinen Zweck«, sagte er heiser; »wir haben es mit etwas zu Furchtbarem zu tun.«

»Ja«, stimmte der Priester mit leiser Stimme zu, »wir haben es mit etwas Furchtbarem zu tun; dem Furchtbarsten, das ich kenne, und sein Name ist Unsinn.«  - Gilbert Keith Chesterton, Father Browns Ungläubigkeit. Zürich 1991

Ordnungshüter (5) In Kolumbien entführen Linke die Tochter eines Gangsterbosses, um Lösegeld zu erpressen. Der Gangsterboß versammelt seinesgleichen, und die Versammlung beschließt, einen sehr hohen Kredit bereitzustellen, so in der Größenordnung von einer Million Dollar, um ein Sonderkommando von Mördern zu bilden, das alle Urheber politischer oder räuberischer Entführungen systematisch verfolgen und umbringen wird.

Die Terroristen sind verängstigt. Sie lassen ihre Gefangene sofort frei. Dennoch wird das Sonderkommando gebildet und es arbeitet: Die Urheber einer anderen Entführung sind soeben in den Tiefen des Gefängnisses ermordet worden, in dem sie gefangengehalten wurden.

Hübscher Auftakt für einen Polar, aber zu klassisch. Sollte Kolumbien rückständig sein? In einem wirklich fortschrittlichen Land (wie Italien), ist nicht mehr zu beobachten, daß die Unterwelt die Ordnung gegen den Terrorismus unterstützt. Eher ist zu beobachten, daß sie die Ordnung mit dem Terrorismus unterstützt. - Le Monde, nach: Jean-Patrick Manchette, Chroniques. Essays zum Roman noir. Heilbronn 2005 (DistelLiteraturVerlag, zuerst 1996)
 

 

Ordnung

 

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