0rden  Den Tristram Shandy trug ich während der Gefechte bei Bapaume in einer handlichen Ausgabe in der Kartentasche herum und hatte ihn auch bei mir, als wir vor Favreuil eingesetzt wurden. Da man uns in Höhe der Artilleriestellungen vom Morgen bis zum späten Nachmittag in Bereitschaft hielt, wurde es bald recht langweilig, obwohl die Lage nicht ungefährlich war. Ich begann also zu blättern, und die verquickte, von mannigfachen Lichtern durchbrochene Weise setzte sich bald wie eine geheime Begleitstimme in eine helldunkle Harmonie zu den äußeren Umständen. Nach vielen Unterbrechungen, und nachdem ich einige Kapitel gelesen hatte, erhielten wir endlich Marschbefehl; ich steckte das Buch wieder ein und lag bereits bei Sonnenuntergang rnit einer Verwundung da.

Im Lazarett nahm ich den Faden wieder auf, als ob alles Dazwischenliegende nur ein Traum gewesen wäre oder zum Inhalte des Buches selbst gehörte, als eine Einschaltung von besonderer geistiger Kraft. Ich bekam Morphium und las bald wach, bald in halber Dämmerung fort, so daß mannigfache seelische Zustände die tausend Schachtelungen des Textes noch einmal zerstückelten und einschachtelten. Fieberanfälle, die mit Burgunder und Kodein bekämpft wurden, Beschießungen und Bombenabwürfe auf den Ort, durch den schon der Rückzug zu fluten begann, und in dem man uns zuweilen ganz vergaß, steigerten die Verwirrung noch, so daß ich heute von jenen Tagen nur noch die unklare Erinnerung an eine halb empfindsame, halb wilde Erregung zurückbehalten habe, in der man selbst durch einen Vulkanausbruch nicht mehr in Erstaunen geraten wäre, und in welcher der arme Yorick und der biedere Onkel Toby noch die vertrautesten der Gestalten waren, die sich vorstellten.

So trat ich unter würdigen Umständen in den geheimen Orden der Shandyisten ein, dem ich bis heute treu geblieben bin. - (ej2)

Orden (2) Wir sind ein Orden. Die Regel ist nicht formuliert, aber jedem bekannt. Bekannt, solange er nicht versucht, sie zu formulieren.

Eine Zeitlang habe ich gedacht, unserem Orden, dem Sprachmenschenorden gehöre der eine mehr an als ein anderer. Jetzt glaube ich, der Orden zähle viel, viel mehr Mitglieder, als man ahnen kann. Lesende und Schreibende gleichermaßen. Und alle Unterschiede zu anderen Ordensmitgliedem sind, verglichen mit den Unterschieden zu anders Handelnden, vernachlässigenswert.

Jeder von uns macht seine Mitgliedschaft auf seine Weise kenntlich. Fast ein Grundzug: und verbirgt sich in der Kenntlichmachung auf seine Weise. Das Verbergenmüssen zeichnet uns mehr aus als das Aussprechen. Wer davon lebt, davon existiert, daß er sich zur Sprache bringt, demonstriert, daß man im Verbergenmüssen mehr von sich preisgibt als im Gestehen. Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu sagen. - Martin Walser

Orden (3) Unter den die Hundertzahl weit überschreitenden Anklagepunkten steht die Behauptung, daß eine homosexuelle Betätigung (damals Sodomie genannt) im Templer-Orden nicht nur geübt, sondern sogar gefordert wurde, in vorderster Reihe. Bei den Verhören, bei denen allerdings die Folter eine große Rolle spielte, gaben 98 Ritter diesen Punkt zu, aber nur drei von ihnen bekannten sich selbst dieses Lasters schuldig.

Von den sonstigen Anklagen sind zu erwähnen: seltsame Kußzeremonien bei der Aufnahme (Küsse auf Mund, Nabel, Bauch und Schamteile); Verleugnung Christi, Marias und der Heiligen bei der Aufnahme; Anspeiung des Kreuzes; Verehrung von Götzenbildern, »Baphomets« genannt, die mit phallischen (Buchstabe T) und homosexuellen (aus Schlangen geformte Gürtel) Emblemen geschmückt waren; Ermordung der von ihnen gezeugten Kinder, die sie dann am Feuer brieten und mit deren Fett der Baphomet eingesalbt wurde. Die Wahrheit ist nie klar ans Licht gekommen. Die Anklagen sind wohl kaum völlig aus der Luft gegriffen, aber jedenfalls gewaltig übertrieben. Manche Dinge wird man als Entlehnungen aus der  Gnosis  oder den Traditionen der Ophiten  aufzufassen haben, so die Symbolik der mystischen, offenbar als Mannweib gedachten Baphometfigur.

Baphomet

- (erot)

Orden (4) Neben den mystischen Orden, die zu den großen orthodoxen Riten des Islam zählen, gibt es noch eine Dissidentensekte, nämlich die der Ibaditen oder Benzi-Mzab, die sehr merkwürdige Eigenarten aufweist.

Mit Erstaunen findet man in der kleinen Republik dieser Puritaner des Islam die Regierungsregeln der sozialistischen Kommune zusammen mit der Organisation der Presbyterianischen Kirche Schottlands. Ihre Moral ist hart, intolerant und starr. Sie verabscheuen alles Blutvergießen und gestatten nur die Verteidigung des Glaubens. Die Hälfte aller Handlungen des täglichen Lebens, die zufällige oder gewollte Berührung einer Frauenhand, eines feuchten, schmutzigen oder verbotenen Gegenstandes sind schwere Verfehlungen, die ganz besondere, gründliche Waschungen erforderlich machen.

Frauenlosigkeit, die zur Ausschweifung führt, Zorn, Gesang, Musik, Spiel und Tanz, alle Formen des Luxus, Tabak, öffentlich genossener Kaffee, dies alles sind Sünden, die — fortgesetzt begangen — zu einer gefährlichen Art von Exkommunikation, Tebria genannt, führen können.

Im Gegensatz zur Lehre der meisten muselmanischen Orden, denen die religiösen Bräuche, die Gebete und die mystische Exaltation für die Seelenrettung des Gläubigen ungeachtet seiner Handlungen ausreichend erscheinen, gibt es bei den Ibaditen kein ewiges Heil für den Menschen als einzig durch die Lauterkeit seines Lebens. Sie treiben die Befolgung der Vorschriften des Korans bis zum Äußersten, behandeln Derwische und Fakire als Häretiker und erachten die Mittlerschaft von Propheten oder Heiligen, deren Andenken sie zwar ehren, zwischen den Gläubigen und Gott, dem überlegen und unbeugsam gerechten Herrn und Meister, für unwirksam.

Sie negieren Eingebungen und Erleuchtungen und erkennen nicht einmal dem Imam das Recht der Entsündigung von seinesgleichen zu, weil Gott allein Richter sein kann über die Schwere eines Vergehens und den Wert der individuellen Reue.

Die Ibaditen sind überdies Schismatiker, die einem der ältesten Schismen des Islam anhängen und ihre Herkunft von dem Mörder Alis, des Schwiegersohnes des Propheten, herleiten.   - (err)

Orden (5)

Bücklinge

- A. Paul Weber

Orden (6)  Tritt ein Geistlicher ein, der Pfarrer von hier, ein Schmerbauch, ein Rotgesicht, ein gemeiner Sancho Pansa, erhitzt und fett. Er zieht ein kleines Ordenskreuz aus der Tasche und bittet die Prinzessin, die ihn gerade hat dekorieren lassen, es ihm anzuheften. Die Prinzessin protestiert: »Weiß ich denn, wie man solche Kinkerlitzchen tragen muß?« Unter allgemeinem Gelächter bespöttelt Nieuwerkerke den Pfarrer, berstend vor Vergnügen: »Sie werden Ihre Jungfräulichkeit eines Nicht-Dekorierten verlieren, Herr Pfarrer. Na sowas! Wo werden Sie sich das hinhängen, wenn Sie Ihren Hokus-pokus machen?«

Dann wird über die Chorherrnschultern des Pfarrers gelacht, der mit einem Menschenfressermaul ins Gelächter einstimmt und sich zu guter Letzt eine dicke Zigarre ansteckt.  - (gon)

Orden (7) Als Heinrich IV. Herrn von La Vieuville, dem Vater desjenigen, den wir zweimal als Oberintendanten der Finanzen erlebten, das Ordensband verlieh und La Vieuville, wie es Brauch ist, «Domine, non sum dignus» sagte, antwortete der König: «Ich weiß wohl, ich weiß wohl, aber mein Neffe hat mich darum gebeten.»   - (tal)

Orden (8)  Der General Sanjurjo starb bereits am 20. Juli 1936, als sich das Flugzeug, das ihn aus dem portugiesischen Exil nach Spanien zurückbringen sollte, kurz nach dem Start in einen Acker bohrte. Der General war ein Opfer seiner Eitelkeit geworden: Trotz der Bedenken des Piloten, die Maschine werde überladen, hatte Sanjurjo darauf bestanden, eine schwere Kiste mit Orden für seine tapferen Soldaten an Bord zu nehmen. - Ralf Höller, Der Kampf bin ich. Rebellen und Revolutionäre aus sechs Jahrhunderten. Berlin 2001
 

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