Opferfest    Pünktlich und skeptisch treffen wir an einem Freitagabend ein. Alles ist zum letzten Opferfest der Novizen gerichtet. Säuberlicher Sand im Heiligtum gestreut, die Hühner an Stühlen und Tischen festgebunden. Die Bocke blöken. Aber Mae Oya ist unpässlich. Sie hat Einwände.

- Das Opfer war schon gestern. - Das Opfer gibt es gar nicht.

- An dem Opfer heute nacht können Sie nicht teilnehmen.

Die Würdenträger des Hauses sind meine Freunde und als ich sage, dass wir doch extra durch die Nacht hergekommen seien, um alles zu sehen und zu fotografieren, nickt die Gemeinde, um die Priesterin zu überzeugen.

Ich habe kleine Päckchen bereitet: Afrikanische Colanüsse, Orobo-nüsse, Bedjeregumbohnen, eine rote Feder, einen Satz Kauri zum Weissagen, Muscheln für die Göttin Orum. Mae Oya fragt, ob sie mir das alles abkaufen könnte. Es sei ein Geschenk.

Das durchbricht die Unpäßlichkeit der Greisin und begeistert wie früher wirft sie die Arme hoch und jubelt und sagt, wir sollten pünktlich um eins und weiss gekleidet erscheinen. Ich habe an alles gedacht, aber eine weisse Hose habe ich vergessen.

Ich frage im Hotel, ob mir der Garcon eine leihen kann, oder eine Pyjamahose.

Nur der Koch besitzt eine weisse Hose. Aber er hat nicht meine Statur.

Dann sind wir mitten drin. Opfer für Exu im Haus von Exu. Kerzen. Blut. Trommeln. Kräuter.

Die Beteiligten benehmen sich, als handle es sich um etwas ganz Alltägliches.

Brummigkeit und Understatement aller Magier. Die Novizen entblossen den Oberkörper. Der erste setzt sich an den langen Opfertisch aus Beton. Küchenmesser werden auf ihre Scharfe geprüft. Ziegen und Bök-ke, Hühner, Enten, Angolahühner, Tauben werden herangezerrt. Der Trommler kommt.

Die Gläubigen sammeln sich. Die Kinder sind ebenso unbewegt wie die Erwachsenen. Die Greisin nimmt ein Küchenmesser. Responsorien.

Der Novize schüttelt sich in Trance.

Die Gehilfen ergreifen einen Bock und halten ihn dem Opferpriester hin. Der schneidet die Halsschlagader des Tieres auf. Das Blut läuft in ein geheiligtes Gefäss. Der Kopf des Opfers wird langsam abgetrennt. Sie halten den ausblutenden Rumpf über den Kopf des Neophyten. Der schreit auf, als die ersten Tropfen auf seine Haut fallen. Er zittert. Er schluchzt. Er soll an den freiliegenden Halswirbeln des Opfertieres lecken.

Dem Bock werden die Hoden abgeschnitten und die Läufe. Hoden, Läufe, Kopf auf Porzellanteller dekoriert. Der Opferpriester wirft das Aas in einen Winkel.

Ein Huhn wird geköpft und flattert sich zu Ende, eine Ente, ein Angolahuhn, eine Taube. Blut über Blut.

Man führt den Uberronnenen steif und bewusstlos vom Opfertisch weg und legt ihn bäuchlings auf eine Strohmatte, unter die man rituelle Krauter gebreitet hat.

Es sind die gleichen Kräuter, auf denen er drei Wochen oder drei Monate geschlafen hat.

Die Mönche des Mittelalters benützten das Kraut Vitex agnusca-stus als Unterlage, um keusch zu bleiben wie ein Lamm. Blut und Exkremente ditschen auf dem Boden. Die Beine der Priester sind blutverkrustet.

Sie drücken dem Neophyten Taubenfedern und Federn der Angolahühner ins Gesicht, auf die Blutspuren.

Der Eingeweihte sieht aus wie ein Gekreuzigter, der sich in einen Vogel verwandelt.    - (xan)

Opfer Fest

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