Das Moment des Betrugs im Opfer ist das Urbild der odysseischen List, wie denn viele Listen des Odysseus gleichsam einem Opfer an Naturgottheiten eingelegt sind. Überlistet werden die Naturgottheiten wie vom Heros so von den solaren Göttern. Die olympischen Freunde des Odysseus benutzen den Aufenthalt des Poseidon bei den Äthiopiern, den Hinterwäldlern, die ihn noch ehren und ihm gewaltige Opfer bringen, dazu, ihren Schützling ungefährdet zu geleiten.
Betrug ist schon im Opfer selbser involviert,
das Poseidon mit Behagen annimmt. - Max Horkheimer und
Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1969 (zuerst
1947)
Opfer (2) »Das Opfern-müssen schlechthin betrifft
einen jeden, weil jeder, wie wir gesehen haben, vom Leben und allen Gütern
des Lebens den ihm umfaßbaren Anteil — das ursprüngliche suum cuique
— nur dadurch empfängt, daß er beständig gibt und wiedergibt. Es ist aber
nicht vom Tauschen im Sinne des gewöhnlichen Gütertauschs die Rede (der
freilich uranfänglich gleichfalls vom Opfergedanken die Weihe erhält),
sondern vom Austausch der Fluiden oder Essenzen durch Hingebung der eigenen
Seele an das tragende und nährende Leben der Welt« - Ludwig Klages,
Der
Geist
als Widersacher
der
Seele
. 1932. Nach:
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Frankfurt
am Main 1969 (zuerst 1947)
Opfer
(3) Wenn eine Gurke
die Stelle des Opfers einnimmt, sprechen die Nuer von ihr, als sei
sie ein Ochse, und indem sie sich so ausdrücken, gehen sie ein wenig über
die einfache Behauptung hinaus, daß die Gurke den Ochsen ersetzt. Gewiß,
sie behaupten nicht, daß Gurken Ochsen seien, und wenn sie sich auf diese
einzelne Gurke, die gerade geopfert werden soll, wie auf einen Ochsen beziehen,
sagen sie nur, daß sie in diesem besonderen Rahmen einem Ochsen vergleichbar
ist; und sie handeln dementsprechend, indem sie jeden Ritus der Opferung
vollziehen, soweit es möglich ist, genauso wie sie es tun, wenn das Opfer
ein Ochse ist. Die Ähnlichkeit liegt im Begriffsbereich,
nicht im Wahrnehmungsbereich; das »ist« gründet auf einer qualitativen
Analogie, die nicht den Ausdruck einer Symmetrie
einschließt: eine Gurke ist ein Ochse, aber ein Ochse ist keine Gurke. - Evans-Pritchard,
nach: Claude Lévi-Strauss, Das
wilde Denken. Frankfurt am Main 1973 (0rig. 1962)
Opfer
(4) Poularden
im älteren und eigentlichen Sinne sind weibliche Kapaune, hoffnungsvolle
Hühnerjungfrauen, denen die unheilvolle Schere alle Aussichten auf das
Vergnügen der Mutterschaft abgeschnitten hat. Neuerdings hat man jedoch
erkannt, daß das Fett der edlen Weiblichkeit sich ziemlich unabhängig von
der Liebe entwickelt, und begnügt sich daher mit
der einfachen Klausur der Tierchen ohne alle Operation. Die auf diese Weise
gezogenen reinen Masthühner sollen sogar leichter und vollständiger fett
werden als die eigentlichen Poularden. Das Fettwerden aber ist in diesem
Falle die große Hauptsache, denn »das Fett ist der Stolz der Poularde,
wie die Schwindsucht der Stolz des lyrischen Dichters ist« (Grimod).
Eine Poularde kann gar nicht fett genug sein, ist sie‘s aber, so liefert
sie, besonders wenn man ihre Eingeweide durch Trüffeln
ersetzt, den denkbar zartesten, saftigsten und würzigsten Braten, den je
eines Menschen Nase gerochen und eines Menschen
Zunge verschmeckt hat. Für eine solche getrüffelte
Poularde könnte man seine letzte Liebe abschwören oder sonst ein heroisches
Opfer bringen. - (
ap
)
Opfer (5)
Es schlummern orphische Zellen Wer nie das Haupt verhüllte Um Feuerstein, um Herde Nun mag den Sansibaren Und wo Vergang: in Gittern, |
- (
benn
)
Opfer (6) Mit dem wahren Ursprung alles Theismus
genau verwandt und eben so aus der Natur des Menschen hervorgehend ist
der Drang seinen Göttern Opfer zu bringen, um
ihre Gunst zu erkaufen, oder, wenn sie solche schon bewiesen haben, die
Fortdauer derselben zu sichern, oder um Uebel ihnen abzukaufen. (S.
Sanchoniathonis fragmenta, ed. Orelli, Lips. 1826. p. 42.) Dies ist
der Sinn jedes Opfers und eben dadurch der Ursprung und die Stütze des
Daseyns aller Götter; so daß man mit Wahrheit sagen kann, die Götter lebten
vom Opfer. Denn eben weil der Drang, den Beistand übernatürlicher Wesen
anzurufen und zu erkaufen, wiewohl ein Kind der Noth und der intellektuellen
Beschränktheit, dem Menschen natürlich und seine Befriedigung ein Bedürfniß
ist, schafft er sich Götter. Daher die Allgemeinheit des Opfers, in allen
Zeitaltern und bei den allerverschiedensten Völkern, und die Identität
der Sache, beim größten Unterschiede der Verhältnisse und Bildungsstufe.
So z. B. erzählt Herodot (IV, 152), daß ein Schiff aus Samos, durch
den überaus vortheilhaften Verkauf seiner Ladung in Tartessos einen unerhört
großen Gewinn gehabt habe, worauf diese Samier den zehnten Theil desselben,
der sechs Talente betrug, auf eine große eherne und sehr kunstvoll gearbeitete
Vase verwandt und solche der Here in ihrem Tempel geschenkt haben. Und
als Gegenstück zu diesen Griechen sehn wir, in unsern Tagen, den armsäligen,
zur Zwerggestalt eingeschrumpften, nomadisirenden Rennthierlappen sein
erübrigtes Geld an verschiedenen heimlichen Stellen der Felsen und Schluchten
verstecken, die er Keinem bekannt macht, als nur in der Todesstunde seinem
Erben, - bis auf eine, die er auch diesem verschweigt, weil er das dort
Hingelegte dem genio loci, dem Schutzgott seines Reviers, zum Opfer
gebracht hat. (S. Albrecht Pancritius, Hägringar, Reise durch Schweden,
Lappland, Norwegen und Dänemark im Jahre 1850. Königsberg 1852. S. 162.)
- So wurzelt der Götterglaube im Egoismus. - (
schop
)
Opfer (7) Und ihn, der die Gestalt gewandelt hat, seinen
eigenen Sohn hebt der Vater empor, schlachtet ihn und spricht auch noch ein
Gebet dazu, der arge Tor! Sie aber sind verstört, die den Flehenden opfern wollen;
doch jener taub gegen seine Rufe rüstet, nachdem er ihn schlachtete,
damit im Hause ein böses Mahl. Ebenso ergreift seinen Vater der Sohn und ihre
Mutter die Kinder, entreißen ihnen das Leben und schlingen das eigene Fleisch
hinunter. - Empedokles, nach
(lte)
Opfer (8) Sezer sieht aus wie einer dieser Halbstarken, die sich gegenseitig als "Opfer" anreden und es tatsächlich ein bisschen sind, weil ihr Hauptschulabschluss sie nicht weit bringen wird. Die manchmal auch zu Tätern werden, zu Straftätern, prügeln oder klauen, Sachen abziehen. Manche enden im Knast, manche auf der Bühne, manche erst im Knast und dann auf der Bühne. Sezer trägt ein schwarzes Shirt, Sneakers - und die 472. Seine Haare sind an den Seiten rasiert, oben hat er sie mit Gel aufgestellt.
Tatsächlich hat Sezer früher Unsinn gemacht, so ähnlich wie die türkischen Jungs in Filmen wie "Knallhart". Kein Respekt vor den Lehrern, Schule scheißegal.
Es war wirklich einiger Unsinn dabei, er redet nicht gern drüber.
Die Sache hat sich nämlich grundlegend geändert, er hat sich geändert.
"Jetzt bin ich Einzelhandelskaufmann", sagt Sezer. -
Johannes
Gernert
, taz vom 19.Oktober 2006
Opfer (9) Daß Penthesilea in einen Dämmerzustand verfällt, das kommt besonders aus Liebesgram zweifellos täglich vor. Daß sie dann einen Menschen angreift: ist auch häufig; in den meisten Fällen hat Geschirr und Scheiben dran zu glauben. Daß sie ihn halb verschlingt, ist zwar selten, aber Irre verschlingen noch ganz andere Sachen. Das Ganze ist: sie merkt nicht in ihrer Erregung, daß Achilles als Liebender kommt; das ist der Kernpunkt, darauf baut sich alles auf, diese Voreiligkeit: ich muß mich damit abfinden, ich bin verpflichtet, es zu bewundern. Aber dies ist nur ein Mittel zum Zweck; worauf es ankommt, Kleist wie uns: es muß einer gefressen werden, bildlich, und was hier so sensationell ist, auch unbildlich. Das ist in allen Tragödien so, und hier läßt es sich mit Händen greifen. Ein Schlachtopfer muß uns fallen, das Schlachtopfer, das wir brauchen. Tragödie hat seinen Namen vom Böcklein, das einstmals geopfert wurde; das Böcklein ist verschwunden, wir halten uns an Menschen! Denn wir sind Kannibalen und brechen täglich die irdische Speiseordnung; wir füttern uns im Theater satt. Ein Vegetarier sieht sich keine Tragödie an; ein wirklicher Vollvegetarier. Wir verklären es schlau, reden von Kunst, halten uns Professoren, die dicke Bücher darüber schreiben müssen, was tragisch sei. Aber wir lassen gern unser Gehirn umdüstern, wir nehmen leichtgläubig den grenzenlosen Unsinn, die hanebüchene Borniertheit der Heroen hin, wenn es nur geschieht, wie es im Homer beim Gastmahl der Freier heißt: «Und siehe, ein großes Gelächter erregte Pallas Athene im Saal und verwirrte der Freier Gedanken; und schon lachten sie alle mit gräßlich verzuckten Gesichtern. Blutbesudeltes Fleisch verschlangen sie jetzo, die Augen waren mit Tränen erfüllt und Jammer umschwebte die Seele.»
Wir schmausen Othello und Desdemona, König Lear und seine süße Tochter. Je
strahlender ein Achill ist, um so lieber nehmen wir ihn, denn aus Gemeinem
ist der Mensch gemacht. -
(poot
)
Opfer (10) Kinder psychoanalytischer
Eltern welken früh. Als Säugling muß es zugeben, daß
es beim Stuhlgang Wollustempfindungen habe. Später
wird es gefragt, was ihm dazu einfällt, wenn es auf dem Weg zur Schule der Defäkation
eines Pferdes beigewohnt hat. Man kann von Glück sagen,
wenn so eins noch das Alter erreicht, wo der Jüngling
einen Traum beichten kann, in dem er seine Mutter geschändet
hat. - Karl Kraus, Pro Domo et Mundo, nach (
enc
)
Opfer (11) »Nun magst du büßen!« Lin riß ihm das
Wams auf und stieß ihm den Dolch tief in die Herzgrube.
Dann blickte er nach rückwärts. Der Aufseher hatte sich inzwischen von seiner
Betäubung erholt und rappelte sich gerade wieder in die Höhe. Mit einigen Sätzen
war Lin bei ihm und hatte ihm den Kopf vom Rumpf getrennt. Das gleiche grausige
Werk verrichtete er an Lu und Fu An. Dann trug er die drei Köpfe,
an den zusammengeknoteten Schöpfen baumelnd, in den
Tempel und legte sie als Opfergabe auf dem Altar vor
dem Standbild des Berggeistes nieder. Hierauf trank er in großen durstigen Zügen
die Kürbisflasche leer, zog seinen linnenen Schneekittel über, stülpte den Filzhut
auf, verabschiedete sich vom Berggeist und schritt ostwärts in die Nacht hinaus.
- (
raub
)
Opfer (12) Das letzte Drittel - oder tercio
de muerte - ist das des eigentlichen Opfers. Mit den Instrumenten des Todes
bewaffnet (Stoßdegen und Muleta) unterjocht der Matador den Stier, lockt ihn
in das straffe Netz von »Pases« hinein, versucht über ihn Herr zu werden, um
ihn dann »einstellen« zu können, d. h. in die für die Hinrichtung geeignete
Stellung zu bringen, schwer auf den Klauen lastend mit herunterhängendem Kopf.
In diesem letzten Drittel enthüllt der Gegensatz - der im ersten tercio
erregt und konfus, im zweiten klarer und gegliederter war - seine schärfste
Ambiguität: haßerfüllter Tanz der beiden Gegner; der Mensch zieht die Bestie
in seinen Todeswalzer hinein, schillert mit seinem bunten Tuch vor deren Augen
wie ein Sadist, der dem kleinen Mädchen, das er erwürgen will, Süßigkeiten anbietet.
- Michel Leiris, Spiegel der Tauromachie, eingeleitet durch
Tauromachien. Mit Zeichnungen von André Masson. München 1982
(entstanden 1937)
Opfer (13) »Es ist so einfach«, sagte Somoza. »Immer habe ich gefühlt, daß die Haut noch mit dem anderen in Berührung stand. Aber fünftausend Jahre Irrweg mußten rückgängig gemacht werden. Merkwürdig, daß sie selbst, die Nachkommen der Ägäer, an diesem Irrtum schuld waren. Aber das ist nun unwichtig. Schau, so ist das.«
Er trat neben das Götzenbild, hob seine Hand und legte sie sanft auf die Brüste und den Leib. Die andere liebkoste den Hals, stieg bis zu dem fehlenden Mund der Statue empor, und Morand hörte Somoza mit dumpfer, tonloser Stimme sprechen, fast so, als wären es seine Hände oder vielleicht jener fehlende Mund, welche von der Jagd in den Höhlen des Rauches redeten, von den eingepferchten Hirschen, dem Namen, den man nur danach sagen durfte, von den Kreisen aus blauem Talg, dem Spiel der doppelten Flüsse, von der Kindheit Pohks, dem Gang zu den Stufen des Westens und den Höhen in die unheilvollen Schatten. Er fragte sich, ob es ihm, falls er in einem unbewachten Augenblick telefonierte, wohl gelänge, Therese zu verständigen, daß sie Doktor Vernet mitbringe. Aber Therese mußte schon unterwegs sein, und am Rande der Felsen, -wo die Vielgestaltige brüllte, beschnitt der Anführer der Grünen das linke Horn des schönsten Stieres und streckte es dem Häuptling derer entgegen, die das Salz hüten, um den Pakt mit Haghesa zu erneuern.
»Hör zu, laß mich Atem schöpfen«, sagte Morand, erhob sich und tat einen Schritt nach vorn. »Es ist phantastisch, und im übrigen habe ich schrecklichen Durst. Trinken wir was, ich hole gern...«
»Der Whisky steht dort«, sagte Somoza und zog langsam die Hände von der Statue zurück. »Ich trinke nicht, ich muß vor dem Opfer nüchtern bleiben.«
»Schade«, sagte Morand, der nach der Flasche suchte. »Allein trinken macht mir keinen Spaß. Welches Opfer?«
Er goß das Glas bis an den Rand voll Whisky.
»Das der Vereinigung, um mit deinen Worten zu sprechen. Hörst du sie nicht? Die Doppelflöte, wie die der kleinen Statue, die wir im Athener Museum sahen. Der Ton des Lebens zur Linken, der der Zwietracht zur Rechten. Für Haghesa ist die Zwietracht auch das Leben, aber wenn das Opfer vollzogen wird, hören die Flötenspieler auf dem rechten Rohr zu blasen auf, und man hört nur das Pfeifen des neuen Lebens, das das vergossene Blut trinkt. Und die Flötenspieler füllen sich den Mund mit Blut und blasen es durch das linke Rohr, und ich werde mit Blut ihr Antlitz salben, siehst du, so, und unter dem Blut werden ihre Augen und der Mund zum Vorschein kommen.«
»Laß die Dummheiten«, sagte Morand und trank einen langen Schluck. »Das Blut würde unserem Marmorpüppchen übel stehen. Ja, es ist heiß.«
Somoza hatte mit einer langsamen, gemessenen Gebärde seinen Kittel abgelegt. Als Morand sah, daß er sich die Hosen aufknöpfte, sagte er sich, daß er ihn hätte hindern müssen, sich derart zu erregen, es nicht hätte dulden dürfen, daß sein Wahn sich entlud. Mager und dunkelhäutig reckte Somoza sich nackt unter dem Licht des Scheinwerfers empor und schien in die Betrachtung eines Punkts im Raum versunken. Aus dem halbgeöffneten Mund tropfte ihm ein Faden Speichel, und Morand, der hastig das Glas auf den Boden stellte, überlegte, daß er ihn irgendwie überlisten mußte, um zur Tür zu gelangen. Nie sollte er erfahren, woher die Steinaxt gekommen war, die plötzlich in der Hand So-mozas schwankte. Er begriff.
»Das war zu erwarten«, sagte er, langsam zurückweichend. »Der Pakt mit Haghesa, was? Das Blut wird dir der arme Morand spenden, ist's nicht so?«
Ohne ihn anzuschauen, begann Somoza sich auf ihn zuzubewegen, wobei er einen Kreisbogen beschrieb, als folge er einem vorgeschriebenen Kurs.
»Wenn du mich wirklich töten willst«, schrie, bis in den Halbschatten zurückweichend, Morand ihm zu, »wozu dann dieses ganze Theater? Wir wissen beide sehr gut, daß es wegen Therese ist. Aber was hilft es dir, wenn sie dich nie geliebt hat und niemals lieben wird?«
Der nackte Körper trat schon aus dem vom Scheinwerfer erhellten Kreis heraus. Morand, der in den Schatten des Winkels geflohen war, trat auf die feuchten Lappen am Boden und wußte, daß er nicht mehr weiter konnte. Er sah die erhobene Axt und sprang, wie es ihn Nagashi auf der Judoschule an der Place des Ternes gelehrt hatte. Der Fußtritt traf Somoza mieten auf den Oberschenkel und der Nishi-Schlag an der linken Halspartie. Die Axt fiel schräg herab, zu weit entfernt, und Morand stieß geschmeidig den Rumpf zurück, der sich über ihn wälzen wollte, und packte die wehrlose Puppe. Somoza war noch ein erstickter und bestürzter Schrei, als die Schneide der Axt ihm mitten in die Stirn fuhr.
Ehe er ihn wieder ansah, erbrach Morand in dem Winkel des Ateliers auf
die schmutzigen Lappen. Er fühlte sich wie ausgehöhlt, und Speien
tat ihm gut. -
Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
Opfer (14) Es gibt mehrere Arten von
Opfern, denn bei dem einen, dem Brandopfer, wurde das Opfertier verbrannt,
bei einem andern wurde Blut zum Opfer ausgegossen. Überdies gab es Heilsopfer
zur Erlangung der Rettung, Friedensopfer zur Erlangung des Friedens, Lobopfer
für die Befreiung von Übeln, oder die Erweisung von Wohltaten; ferner Dankopfer
zur Verehrung Gottes und zur Danksagung. Einige wurden weder zur Ehre Gottes,
noch aus gutem Willen dargebracht, wie z. B. bei den Hebräern das Opfer
der Eifersucht, welches allein stattfand, um einen verborgenen Ehebruch
zu entdecken. Bei den Heiden gab es einst ein Sühnopfer, wodurch Städte,
die von einer Hungersnot, einer verheerenden Seuche oder sonst einem großen
Unglück betroffen waren, gereinigt wurden. Das Verfahren bestand darin,
daß man in einer solchen Gemeinde den abscheulichsten Menschen heraussuchte,
ihn mit Käse, Kuchen und trockenen Feigen in den Händen an einen bestimmten
Ort führte, und ihn siebenmal mit Ruten hieb, worauf er auf einem Holzstoße
verbrannt und seine Asche ins Meer geworfen wurde. Lykophron und
Hipponax sprechen von diesem Gebrauche. Nicht sehr verschieden hievon
ist, was Philostratus von Apollonius von Tyana erzählt, als
er zu Ephesus die Pest vertrieb. Außerdem gab es noch viele Arten von Opfern,
wie die Agonalia, die Dapsa, die Farreationes, die Hekatomben, das Sühnopfer,
die Hyacinthia, die Armilustra, die Janualia, die Lucalia, die Lupercalia,
die Munychia, die Novendinalia, die Nic-tiluca, die Palatialia, die Pastuaria,
die Popularia, die Protervia, die Skenopegia, die Solitorilia, die Stata,
die Rubigalia, die Fon-tanalia, die Ormia, die Totenfeste und Totenopfer,
die Lampte-ria, die Consualia, die Amburbia, die Ambarvalia, das Weinfest,
die Thya, die Brandopfer, die Orgien, die Latialia,
die Dianetauriba, die Bachanalen, die Trieterica, die Liberalia, die Cocyitia,
das Ceresfest, die Tesmophoria, das Adonisfest, die Theonia, die Laurentialia,
die Opalia, die Palilia, die Quirinalia, die Vertumnalia, die Gynäcia,
die Panathenaa, die Quinquatria, die Diapalia, die Diasia, die Horrna,
die Hormea, die Nemea, die Mytriaca, die Palogygia. Auch besondere Opfertiere
wurden den einzelnen Gottheiten dargebracht, so dem Bacchus
der Bock und Esel, der
Ceres das Mutterschwein, der Sonne das Pferd,
der Diana die Hirschkuh und Hunde, dem Priapus
der Esel, der Isis die Gans,
der Nacht der Hahn, dem Faun
die Ziege, dem Neptun der Stier, dem Saturn Knaben,
der Maja ein trächtiges Schwein, dem Äskulap der Hahn. Dem Herkules
von Gnidus wurde durch Schimpfworte und Schmähungen
geopfert. -
(nett)
Opfer (15) Man bereitete den Zippa fünf Tage im Tempel vor. Er betete, fastete und schlief nicht. Das Volk erfuhr, er werde selber zu Bochica gehen.
Vor Sonnenaufgang führten die Priester den Zippa den langen dunklen von Steinen eingefaßten Weg zum Opferring. Schwarz stand der dichte Wald, blaugrau der Himmel, die Luft wehte eisig.
Die Priester, Gesichter nach Osten, knieten. Der alte Zippa, schwarz und
rot bemalt, im Königsschmuck, stand auf den Steinen
zu Füßen der riesigen Säule Bochicas. Als der Himmel zu wogen und leuchten begann
und der erste dünne Sonnenstrahl auf die Säule fiel, stieß Sugamuxi die Opferlanzc
in den Zippa. Die Priester legten ihn auf die Steine, schlugen seine Brust auf,
schnitten das blutende Herz heraus. Der Oberpricster zeigte es der Sonne.
Die Flöten und Muscheln gingen, die Priester sangen. -
Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.1, Land ohne Tod. München 1991
Opfer (16) Das Opfer ist bei allen Skythen
und bei allen Heiligtümern das gleiche und wird
so ausgeführt: Das Opfertier steht da, an den Vorderbeinen gefesselt, der Opfernde
aber steht hinter dem Tier, zieht zuerst an dem Strick und wirft es nieder,
und während das geweihte Tier stürzt, ruft er den Gott an, dem er opfert. Sodann
schlingt er ihm ein Seil um den Hals, steckt einen Knüppel hinein, dreht ihn
herum und erstickt es, und zündet dabei kein Feuer an, macht keine Vorweihe,
gießt keine Spende aus. Hat er's erstickt und abgezogen, geht es ans Kochen.
Nun ist die skythische Erde schrecklich holzarm, und so fanden sie folgenden
Ausweg für das Kochen des Fleisches. Wenn sie die Opfer enthäutet haben, lösen
sie die Knochen aus dem Fleisch. Das werfen sie dann, wenn sie solche dabei
haben, in ihre einheimischen Kessel, am ehesten den Mischkrügen von Lesbos ähnlich,
nur viel größer; in die werfen sie's und kochen es, indem sie darunter ein Feuer
machen aus den Knochen der Opfer. Haben sie aber keinen Kessel zur Hand, stopfen
sie alles Fleisch in die Mägen der Opfer und füllen Wasser dazu und zünden darunter
die Knochen an. Und so kocht das Rind sich selber gar und auch die andern Tiere
jedes sich selber. Wenn das Fleisch nun gekocht ist, nimmt der Opfernde einen
Erstlingsteil von dem Fleisch und den Innereien und wirft ihn nach vorne. Sie
opfern alles mögliche Vieh, vor allem aber Pferde.
- (hero)
Opfer (17)
Opfer (18)