Ohrenfresser   Eine hohe, reine Stirn. Die Brauen geschwungen wie ein Joch, schneeweiße Haut, rote Lippen, und die Augen - ach, die Augen! Solche Augen hatte Senka schon gesehen, auf dem Konnaja-Platz, bei turkestanischen Pferden: groß, feucht und dabei wie von einem Feuer erleuchtet. Aber die Augen von dem Fräulein-Jungfrau, die aus der Kutsche stieg, waren noch schöner als die der Pferde.

Senka schaute die wunderschöne Person an und zwinkerte aufgeregt, und Michejka Eule wischte sich die Tabakkrumen vom Mund und stieß ihm den Ellbogen in die Seite: He, Skorik, starr sie nicht zu lange an. Sonst schneidet Fürst dir die Ohren ab und läßt sie dich auffressen, wie damals den Pferdehändler aus Wolokolamsk. Dem hat Tod auch gefallen, dem Pferdehändler. Und das war die Strafe, weil er sie so lange angestarrt hat.

Wieder kapierte Senka nicht, wieso Tod, aber die aufgefressenen Ohren interessierten ihn.

»Und, hat er sie gefressen, der Pferdehändler?« fragte er erstaunt. »Das hätt ich nie und nimmer.«

Procha nahm einen Schluck Bier aus der Flasche. Hättest du wohl, widersprach er. Wenn Fürst dich im Guten drum gebeten hätte, ganz höflich, hättest dus brav getan, dich obendrein noch bedankt - danke schön, hat gut geschmeckt. Der Pferdehändler hat ewig auf einem Ohr rumgekaut und kriegte es nicht runter, da hat Fürst ihm schon das zweite abgeschnitten und in den Mund gestopft. Und ihn dabei mit nem Messer in den Bauch gepiekt, damit er nicht so trödelte. Hinterher ist dem Wolokolamsker der ganze Schädel aufgequollen und hat geeitert. Ein paar Tage hat er geheult wie ein Wolf und ist dann krepiert, hats nicht mehr geschafft zurück in sein Wolokolamsk.  - B. Akunin, Die Liebhaber des Todes. Berlin 2005

Ohr Fresser

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