EPNV     Es ist ein hochgradig unwahrscheinlicher Omnibus, von der Luft zerfressen und menschenleer; man wartet noch auf Kunden, wird mir in einem fürchterlichen Englisch gesagt, und der Bus bleibt leer, denkt an den Tod, an die Griffe zum Festhalten, die ihm fehlen, an das Licht, das nicht angeht, an die Ventilatoren, deren kurze Schaufeln sich bewegen wie die Wimpern einer betagten Verführerin; inzwischen kreisen große Vögel, aller Wahrscheinlichkeit nach Geier mit Planstelle, riesig und ein wenig pompös über dem Flugplatz, sie stoßen Schreie aus, die nach verruchtem Appetit und grausamem Zwiegespräch klingen; sie beäugen mich mit Interesse, mit einer Art Wohlgefallen. Überall auf der Welt wäre ein solcher Aufenthalt in einem menschenleeren, verrotteten Bus unter der Obhut sich im Flug kreuzender Geier eine äußerst unheilvolle Lebenslage: aber hier in Bombay wird man dadurch in eine seltsame Erregung versetzt; an diesem Ort drängen sich so viele irdische Bilder zusammen, so ungewöhnliche Bilder, als wäre man auf einem Planeten mit unbekannten und unmöglichen Lichtern gelandet.

Niemand steigt in den Bus, der somit seine rostigen Meditationen fortsetzen kann; ein schweigsamer Jüngling gibt mir das Geld für den Fahrschein zurück und ich werde in ein Taxi umgefüllt. Auch das Taxi erfreut sich nicht der besten Gesundheit, es ist faltig, zahnlos und angeknabbert, als hätten die Geier schon von ihm gekostet; aber es verspricht mir immerhin, mich nach Bombay zu bringen, wenn auch mit einem solchen Mißtrauen der Existenz dieser Stadt gegenüber, daß man nicht einmal von Pessimismus reden kann, sondern von einer durch tropische Beschwerden getrübten Weisheit.- Giorgio Manganelli, Das indische Experiment. Berlin 2004 (zuerst 1992)

ÖPNV (2)

- Robert Cruel (?)

ÖPNV (3) Pigalle-Issy! mit dem Bus? ... das geht... ein, zweimal!... aber jeden Tag! das gibt einem zu denken: jeden Tag! das kann ich Ihnen versichern! ... was war am besten? ... Metro? Fahrrad? Bus?... sollt' ich die Metro nehmen? ... mit dem Fahrrad hinfahren? ... oder latschen? ... oha, da hab ich gezögert! ... gefackelt ... die Entscheidung immer wieder umgeworfen ... die dunkle Metro? dieser stinkende Abgrund, dreckig und zweckmäßig?... der große Verschlinger der Müden?... oder oben bleiben? hinflitzen? be not to be?... der Bus? ... der Bus? ... dieses ängstliche, schlotternde Schluckaufungeheuer ... das an jeder Kreuzung zu stottern anfängt?... das Stunden damit vergeudet, höflich zu sein ... keine Tussie über den Haufen zu fahren ... zu warten, bis der Lieferant mit seinem Dreirad unter der Stoßstange vorkriecht, wo er sich runtergeschoben hat!... Familienvater von sechs Kindern ... oder raste ich zu Fuß? ... die Straßen runter? eins!! zwei!!... zu Fuß nach Issy? auf ganz sportlich? das war das Dilemma! Tiefe oder Oberfläche? Oh Wahl der Unendlichkeiten! die Oberfläche ist voll von Reizen! ... die ganzen Sachen! ... das ganze Kino ... die ganzen Freuden des Kinos! ... denken Sie nur!... denken Sie nur! ... die Damengesicht-chen, die Damenpopos, und das ganze animierende Drumrum! die stolzierenden Herren! ... das Verspritzen von Eitelkeiten!... die Anhäufung von Geschäften!... die Farbtupfer, die Auslagen! ... Milliarden, soviel man will! ... das 'etikettierte' Paradies!... das Ding zu soundsoviel! das Kilo zu soundsoviel! ... Frauen! Parfüme! Delikatessen! die Begehrlichkeiten! ... jedes Schaufenster 'Tausend und sechsunddreißig Nächte'! ... aber Vorsicht! Hexereien! da sind Sie zum Film... in einen Film verwandelt! selbst Film geworden! und ein Film, das heißt nichts als Hindernisse! von Anfang bis Ende! ... nur Hindernisse! ... Zeitverlust! Zusammenstöße! ... Durcheinander! ... Wirrwarr! ... Bullen, Fahrräder, Kreuzungen, Umleitungen, in Fahrtrichtung, gegen Fahrtrichtung! ... dann Stop! ... Scheiße!   - Louis-Ferdinand Céline. Gespräche mit Professor Y. Hamburg 1986 (Edition Nautilus. Zuerst 1955)
 
 

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