Der Ölwurm gehört - trotz seines Aussehens - nicht in die
Ordnung der Bandwürmer (Cestodes), wohl aber in die der Saug- oder
Lochwürmer, wo er eine sehr eigentümliche Familie darstellt. Wie
alle Trematoden ist auch er ein Schmarotzer, der sich von den
Körpersäften seiner Wirte, ihrem Schleim, Blut oder Darminhalt
nährt. Der nicht besonders lange Wurm - man kennt kaum Exemplare über
180 cm - zeigt eine eher abgeplattete Gestalt; vorn, in der Mitte und am
Hinterende ist er mit Saugnäpfen versehen.
Wie die meisten der Trematoden ist er ein Zwitter. Man findet den Ölwurm
über die ganze Erde verbreitet. Er liebt feuchte Gegenden, wo er sich
seine Wirte sucht. Am meisten befällt
er größere Säuger, auch der Mensch ist vor ihm nicht gefeit.
Ähnlich wie die der gefürchteten Leberegel gelangen auch die Eier
des Ölwurms meist mit dem Kot befallener
Tiere an die Außenwelt. Manch ein rüstiger Wanderer weiß
nun nicht, daß er, wenn er seine Hände naturfroh an Gräser
oder Wiesenblumen streifen läßt, die daran haftenden Parasiteneier
aufnimmt. Über den Mund gelangen sie schließlich in das
Verdauungssystem des Wirtes und siedeln sich dort im Darm an. Lassen wir
den größten Kenner des einheimischen Schmarotzertums und zugleich
den ersten Zoologen, der die Gefährlichkeit des Ölwurms eindringlich
dargestellt hat, den deutschen Gelehrten Alfred Zurmann sprechen.
»Die an sich widerstandsfähigen Eier entwickeln sich«, so
Zurmann, »in der ihnen angenehmen Wärme des Darmes sehr
rasch. Das embryonale Stadium ist bald überwunden, und binnen kurzer
Zeit wächst der Wurm zu stattlicher Länge heran. Nun wird ihm das
enge Gehäuse zu klein, er sucht sich Platz und nähert sich mit
dem vorderen Ende dem After. Hat er aber einmal seinen Kopf ins Freie gesteckt,
so genügt ihm das vollauf. In dieser Lage, zum größten Teil
im Darm des Wirtstieres verborgen und nur mit dem Kopf an der Außenwelt,
verbringt der Wurm sein Leben. Um sich Nahrung zu verschaffen, saugt er mit
dem Mund in der Aftergegend Verdauungssäfte und eventuell auftretendes
Blut.
Er legt seine Eier im Darm an, wo sie sich bald entwickeln. Durch kleine Verletzungen, die von den Saugstellen des Wurmes herrühren, entstehen in der Darmwand des Wirtes eitrige Entzündungen. Sie können, werden sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, zur völligen Zerstörung des Darmtraktes und in weiterer Folge zum Tod des Wirtes führen.«
Der Ölwurm hat seinen Namen von einer gelblichen schleimigen Flüssigkeit, die sein Wassergefäßsystem erfüllt. Gelegentlich spritzt er diese Flüssigkeit mit dem Mund aus, offenbar um inneren Druck auszugleichen.
Man hat nun Versuche unternommen, die Würmer der Wirtschaft zuzuführen, indem man sie zu Tausenden maschinell zerstampfte. Die solcherart entstandene Flüssigkeit, leider außerordentlich übelriechend und von unangenehm fauligem Geschmack, war zwar in der Nahrungsmittelindustrie nicht verwertbar, entpuppte sich jedoch, als man sie durch Entzündung vernichten wollte, als langbrennender und außerordentlich kalorienreicher Energieträger. Bis jetzt ist es allerdings noch nicht gelungen, diesen vielversprechenden Umstand geeignet auszunützen. Doch könnte es sein, daß eine in naher Zukunft auf die Menschheit zukommende Verknappung der mineralischen Energiequellen den Ölwurm tatsächlich wirtschaftlich interessant erscheinen läßt.
Die Vision einer Energiequelle, die jedermann in sich selbst tragen könnte und die ihm daher ungehindert (und gewissermaßen unkontrolliert) zur Verfügung stünde, hat derzeit vielleicht noch viel Utopisches an sich, steht aber nicht jenseits der Verwirklichungsmöglichkeiten. Es würde darauf ankommen, einen Mechanismus zu entwickeln, der es dem Menschen ermöglicht, seinen Schmarotzer zu ernähren und ihn gleichzeitig partiell auszuquetschen. Der gesamtwirtschaftliche Vorteil solcher Symbiose steht jedenfalls außer Zweifel.
Viel gibt es da noch für die Forschung zu tun, soll der Anspruch des
humanen Primats über die Natur eines
Tages total verwirklicht werden! - (kv)