bjektivation Manchmal
geschieht es im Haschischrausch, daß die Persönlichkeit entschwindet
und daß die Objektivität, die pantheistisehcn Dichtern eigen ist, sich
in euch so regelwidrig entfaltet, daß die Betrachtung der äußern
Gegenstände euch eure eigene Existenz vergessen läßt und daß ihr euch
alsbald mit ihnen verwechselt. Euer Auge richtet sich auf einen vom Wind
harmonisch hin und her gebogenen Baum. In einigen Sekunden wird das,
was im Hirn eines Dichters nur ein ganz natürlicher Vergleich wäre, in
eurem Geist zu einer Tatsache. Zunächst leiht ihr dem Baum eure
Leidenschaften. euer Verlangen und eure Melancholie. Ihr macht euch sein
Ächzen und sein Sich-hin-und~her-Bewegen zu eigen, und bald seid ihr
der Baum. Ebenso stellt der Vogel, der im tiefsten Himmelsblau schwebt,
zunächst nur das unsterbliche Verlangen dar, über allen menschlichen
Belangen zu schweben. Aber schon seid ihr der Vogel selbst. Ich stelle
mir euch sitzend und rauchend vor. Eure Aufmerksamkeit richtet sich ein
wenig zu lange auf die bläulichen Wolken, die aus eurer Pfeife
aufsteigen. Da bemächtigt sich eurer der Gedanke einer langsamen,
sukzessiven, ewigen Verflüchtigung, und alsbald werdet ihr diese Idee
auf eure eigenen Gedanken, euer denkendes Sein anwenden. Durch eine
sonderbare Zweideutigkeit, eine Art Übertragung oder geistiges
Qui-proquo fühlt ihr, wie ihr euch verflüchtigt. Dann werdet ihr eurer
Pfeife (in der ihr euch wie Tabak zusammengekauert und versammelt fühlt)
die sonderbare Fälligkeit zugestehen, euch zu rauchen. - Charles Baudelaire,
Die künstlichen Paradiese. Zürich 2000 (zuerst ca. 1860)
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