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Es ist eine triviale und nur zu häufig bestätigte Wahrheit,
daß wir oft thörichter sind, als wir glauben: hingegen ist, daß wir oft weiser
sind, als wir selbst vermeinen, eine Entdeckung, welche nur Die, so in dem Fall
gewesen, und selbst dann erst spät, machen. Es giebt etwas Weiseres in uns,
als der Kopf ist. Wir handeln nämlich, bei den großen Zügen, den Hauptschritten
unsers Lebenslaufes, nicht sowohl nach deutlicher Erkenntniß des Rechten, als
nach einem innern Impuls, man möchte sagen Instinkt, der aus dem tiefsten Grunde
unsers Wesens kommt, und bemäkeln nachher unser Thun nach deutlichen, aber auch
dürftigen, erworbenen, ja, erborgten Begriffen, nach allgemeinen Regeln, fremden
Beispielen u.s.w., ohne das »Eines schickt sich nicht für Alle« [Goethe, »Beherzigung«]
genugsam zu erwägen: da werden wir leicht ungerecht gegen uns selbst. Aber am
Ende zeigt es sich, wer Recht gehabt hat; und nur das glücklich erreichte Alter
ist, subjektiv und objektiv, befähigt, die Sache zu beurtheilen.
Vielleicht steht jener innere Impuls unter uns unbewußter Leitung prophetischer,
beim Erwachen vergessener Träume, die eben dadurch unserm Leben die Gleichmäßigkeit
des Tones und die dramatische Einheit ertheilen, die das so oft schwankende
und irrende, so leicht umgestimmte Gehirnbewußtseyn ihm zu geben nicht vermöchte,
und in Folge welcher z. B. der zu großen Leistungen einer bestimmten Art Berufene
Dies von Jugend auf innerlich und heimlich spürt und darauf hinarbeitet, wie
die Bienen am Bau ihres Stocks. Für Jeden aber ist es Das, was Baltasar Gracian
la gran sinderesis nennt [die große Urteilskraft]: die instinktive große
Obhut seiner selbst, ohne welche er zu Grunde geht. -
(
schop
)