Oberstimme  Amsel sang auch. Nicht nur im Chor des Gymnasiums siegte seine Oberstimme, auch in der ehrwürdigen Marienkirche, deren Mittelschiff einmal im Monat Bachkantaten und Mozartmessen voll und rund tönen ließ, sang Amsel im Kirchenchor Sankt Marien. Eddi Amsels Oberstimme wurde entdeckt, als Mozarts Frühwerk, die Missa Brevis aufgeführt werden sollte. Ein Knabensopran wurde in allen Schulchören gesucht. Den Knabenalt hatten sie schon. Der hochgeschätzte Leiter des Kirchenchors Sankt Marien kam auf Amsel zu und schwärmte ihn an: «In der Tat, mein Sohn, Du wirst den berühmten Kastraten Antonio Cesarelli, der seinerzeit, als die Messe uraufgeführt wurde, seine Stimme hergab, beim Benedictus überflügeln, beim Dona nobis hör' ich Dich jubeln, bis alle Welt denken mag, dieser Stimme ist Sankt Marien wahrlich zu eng geraten.»

Eddi Amsel soll damals, obgleich Mister Lester noch den Völkerbund in der Freistadt vertrat und alle Rassengesetze an den Grenzen des Zwergstaates halt machen mußten, zu bedenken gegeben haben: «Aber Herr Professor, man sagt, ich sei Halbjude.»
Die Antwort des Professors: «Ach was, Sopran biste, und das Kyrie wirste mir anstimmen!» Diese Punktum-Antwort erwies sich als langlebig und soll noch nach Jahren in konservativen Widerstandskreisen Respekt abgenötigt haben.

Jedenfalls übte der erwählte Knabensopran die schwierigen Stellen der Missa Brevis im grünen Musikzimmer des Klavierlehrers Felsner-Imbs. Wir beide, Tulla und ich, hörten, als einmal Kreissäge und Fräse gleichzeitig Atem holen mußten, seine Stimme: Silber baute er ab. Hauchdünn geschliffene Messerchen viertelten die Luft. Nägel schmolzen. Spatzen schämten sich. Mietshäuser wurden fromm, denn ein dicker Engel sang Dona nobis immerzu.  - (hundej)  

Stimme


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